Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1.) Sollten Sie säumig sein und ein Versäumnisurteil erlassen werden, ohne dass Sie zuvor eine ordnungsgemäße Anspruchsbegründungsschrift einreichen (bzw. aufgrund des Anwaltszwangs einreichen lassen), ist nicht die Säumnis ausschlaggebend dafür, dass Ihre Klage abgewiesen wird, sondern das Fehlen einer Sachurteilsvoraussetzung. Bei Fehlen einer Klagebegründung ergeht daher ein unechtes Versäumnisurteil gegen den Kläger (OLG München OLGZ 88, 488
; Zöller, § 330 Rn. 7). Es handelt sich hierbei um ein kontradiktiorisches Urteil, das nicht die Überschrift Versäumnisurteil trägt und nicht mit dem Rechtsbehelf Einspruch angegriffen werden kann. Gegen das unechte Versäumnisurteil stehen die Rechtsmittel Berufung und Revision zur Verfügung.
Hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist § 708 Nr. 2 ZPO
ebenfalls nur in Bezug auf echte Versäumnisurteile anwendbar. Wenn der von der Beklagten zu vollstreckende Kostenbetrag die Grenze von § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO
(1.500 €) übersteigt, sind §§ 708
, 711 ZPO
nicht anwendbar. Die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt dann ausschließlich nach § 709 ZPO
und hängt von der Sicherheitsleistung des vollstreckenden Gläubigers ab. (§ 711 ZPO
bedeutet, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden darf, wenn der Gläubiger in den dort genannten Fällen des § 708 Nr. 4- 11 ZPO
ohne Sicherheitsleistung vollstrecken darf.)
Das Einlegen der Berufung hätte hierauf keine Auswirkungen. Sinn und Zweck der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist es ja gerade, Vollstreckungshandlungen vor Eintritt der Rechtskraft zu ermöglichen, also gerade während eines Rechtsmittelverfahrens.
2.) Sollten sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, Sie jedoch trotzdem säumig sein, würde echtes Versäumnisurteil ergehen, welches Sie nur mit dem Einspruch innerhalb einer nicht verlängerbaren Notfrist von 2 Wochen angreifen könnten.
Für eine Vollstreckung durch die Beklagte wäre dann § 708 Nr. 2 ZPO
einschlägig. Diese Vollstreckung wäre nicht von einer Sicherheitsleistung der Gläubigerin abhängig. Da dies kein Fall von § 708
Nr- 4 - 11 ZPO
ist, könnten Sie die Vollstreckung auch nicht durch eigene Sicherheitsleistung abwenden.
3.) Eine Klagerücknahme (oder genauer gesagt: eine Rücknahme Ihres Antrags auf Erlass des Mahnbescheids) bewirkt, dass die Rechtshängigkeit des Streitgegenstands sofort und rückwirkend wegfällt. Die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid würde unzulässig werden. Es ergeht aber keine Entscheidung, die in Rechtskraft erwachsen würde. Der Anspruch könnte später erneut gerichtlich geltend gemacht werden. Gem. § 269 ZPO
ist eine Rücknahme ab Beginn der mündlichen Verhandlung nur noch mit Zustimmung des Beklagten möglich. Im Falle einer wirksamen Rücknahme sind die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen.
4.) Weitere Maßnahmen, Ihre Vollstreckungsmöglichkeit zeitlich hinauszuzögern, sind zumindest dann nicht ersichtlich, wenn Sie nicht bereits jetzt einen Anwalt beauftragen wollen.
Günstiger als eine Berufung (sowohl kostenmäßig also auch vom prozessual) wäre jedoch eine Flucht in die Säumnis: Das heißt, Sie müssten jetzt einen Anwalt beauftragen, eine ordnungsgemäße Anspruchsbegründungsschrift einzureichen. Sollten dann weiterhin erhebliche Bedenken am Erfolg des Rechtsstreits bestehen, könnten Sie bzw. der Anwalt im Termin immer noch säumig sein. Dann erginge - wie ausgeführt - ein echtes Versäumnisurteil. Durch den Einspruch wäre das Verfahren dann fortzusetzen und Beweismittel und Sachvortrag, der erst dann erfolgt, können auch nicht als verspätet gelten. Der Nachteil besteht - wie oben erläutert - in der Vollstreckbarkeit nach § 708 Nr. 2 ZPO
. Vorteile wären eine Kostenersparnis und dass Sie nicht die Möglichkeit einer inhaltlichen Entscheidung durch die erste Instanz verlieren. Denn die geplante Flucht in die Berufung birgt vor allem das Risiko, dass wohl kaum erreicht werden kann, dass das Berufungsgericht feststellt, dass das (unechte) Versäumnisurteil rechtsfehlerhaft ergangen ist.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 31.03.2014 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
Jetzt eine neue Frage stellen
Nur auf meinen konkreten Fall bezogen verstehe ich die Rechtslage wie folgt:
1. Wird von mir bzw. einem Anwalt keine Anspruchsbegründung eingereicht (was ja aufgrund der verstrichenen Frist ohnehin verspätet wäre und daher seitens des Gerichts keine Berücksichtigung mehr findet), ergeht ein unechtes Versäumnisurteil gegen mich. Richtig? Da keine Klagebegründung vorliegt, ist eine der zwingend notwendigen Sachurteilsvoraussetzung nicht erfüllt, so dass nur ein unechtes und kein echtes Versäumnisurteil gegen mich ergehen kann. Richtig?
2. Vorläufige Vollstreckbarkeit der Schuldnerin gegen mich aus dem unechten Versäumnisurteil: Wird bei dem unechten Versäumnisurteil neben der Entscheidung über die Verfahrenskosten (Grenze von 1.500,00 EUR gem. § 708 Nr. 11 Alt. 2 ZPO) auch eine Entscheidung über den von mir eingeklagten Betrag von 30.000,00 EUR getroffen (doch ganz sicher, oder)? Also wird dieser Anspruch auch gleich mit abgewiesen, so dass der Vollstreckungsbescheid damit aufgehoben wird und meine Zwangsvollstreckung einzustellen ist. Richtig?
3. Wenn es sich so wie im letzten Satz unter 3 verhält, dann könnte die Schuldnerin diesen Anspruch gegen mich vorläufig nur vollstrecken (also die Einstellung meiner Zwangsvollstreckung verlangen), wenn sie entsprechende Sicherheit leistet? Die Sicherheit, die die Schuldnerin gem. § 709 ZPO mindestens leisten müsste, müsste doch dann mindestens die Höhe der Hauptforderung (also 30.000,00 EUR, resp. wenn nur über die Verfahrenskosten entschieden wird, 1.500,00 EUR) betragen, richtig?
4. Da ich die vorläufige Vollstreckbarkeit meiner Schuldnerin (also die Aufhebung meiner Zwangsvollstreckung) unbedingt verhindern möchte, bleibt mir ja nur die Berufung. Richtig? Die Einlegung der Berufung muss gem. § 517 ZPO einen Monat (beginnend ab Zustellung des Urteils) erfolgen und ist spätestens 2 Monate nach Urteilszustellung zu begründen (§ 520 ZPO). Richtig? D.h., die vorläufige Vollstreckung durch die Schuldnerin gegen mich ist im vorliegenden Fall bis zur Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils (also einen Monat nach Urteilszustellung) nicht möglich. Richtig? Ich könnte das Urteil aber auch rechtskräftig werden lassen, wenn m e i n e Vollstreckung bis dahin schon abgeschlossen ist.
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfragen möchte ich wie folgt beantworten:
1.) Richtig.
2.) und 3.) Durch das unechte Versäumnisurteil wird in der Hauptsache tenoriert, dass der Vollstreckungsbescheid aufgehoben wird. Hierbei handelt es sich um keine ausgeurteilte Leistung. Da nur Leistungen vollstreckbar sind, ist diese Hauptsacheentscheidung nicht vollstreckbar. Nur die Nebenentscheidung über die Kosten ist eigenständig durch die Beklagte vollstreckbar. Daher hat sich auch die Sicherheitsleistung nur anhand der vollstreckbaren Kostenerstattung zu orientieren. Hinsichtlich der Hauptsache kann Ihre Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid auch ohne Sicherheitsleistung eingestellt werden, wenn der Schuldner das (unechte Versäumnis-)Urteil gegenüber dem Vollstreckungsorgan vorlegt und so gem. § 775 Nr. 1 ZPO
nachweist, dass die Vollstreckung nicht mehr fortgesetzt werden darf.
4.) Nein. Wie ausgeführt kann die Beklagte die Fortsetzung Ihrer Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid bereits ab Vorliegen des Versäumnisurteils verhindern, auch für die Dauer der Berufung. Effektiv verzögern können Sie dies nur, wenn Sie bewirken, dass das Versäumnisurteil erst später erlassen wird, etwa durch Beauftragung eines Anwalts, der zunächst eine Anspruchsbegründung einreicht und dann ggf. Verlegung des Termins beantragt.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Liedtke
Rechtsanwalt