Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Die Strafprozeßordnung definiert den Begriff des Zeugen nicht, es gibt auch nicht eine Art Amtszeuge. Jeder Zeuge ist vor Gericht gleichermaßen zu würdigen, es gibt da keine Konkurrenz. Das einzige, worauf es ankommt, ist die Glaubwürdigkeit des Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage.
Das, was Sie hier ansprechen, ist ein ganz tiefgreifendes Problem eines Strafprozesses, in dem Zeugen das einzige Beweismittel darstellen. Hier kommt es darauf an, wem der Richter glaubt.
Richter neigen dazu, Polizisten als besonders zuverlässige Zeugen anzusehen. Die Richter gehen davon aus, dass Polizisten ja gewöhnt sind, besonders aufmerksam zu beobachten und sich Dinge zu merken.
Wenn Polizisten - wie hier - sich nicht so gut erinnern, dann dürfen Sie Ihre Aufzeichnungen zur Hilfe nehmen, so wie hier der Polizist, der sich auf seinen damaligen Vermerk beruft.
Prozessual muss dem durch Ihren Strafverteidiger entgegengetreten werden, das ist ganz wichtig. Wenn sie sich selbst vertreten vor Gericht, müssen Sie versuchen, das selbständig zu tun, indem Sie die Frage aufwerfen, wieso der Vermerk des Polizisten überhaupt als ein Beweis herangezogen wird.
Der Polizist kann offenbar über das Tatgeschehen selbst, also die Unfallflucht, gar nichts aussagen, da er bei dem Unfall nicht dabei war. Wenn er lediglich aussagen kann, dass er meint, Sie seien zur Zeit des Unfalls nicht zu Hause gewesen, dann beweist das für die Unfallflucht selbst gar nichts.
Das wird dem Richter aber im Zweifel genügen, wenn er Sie verurteilen will, denn der Polizist ist ja angeblich ein besonders aufmerksamer Zeuge. Hier muss unbedingt eingegriffen und gesagt werden, dass der Polizist zum eigentlichen Geschehen nichts beitragen kann.
Es ist natürlich kein Beweis dafür, dass Sie der Unfallbeteiligte und ein Unfallflüchtiger waren, dass ein Polizist bei Ihnen zu Hause war, Sie angeblich nicht antraf und darüber einen Vermerk gefertigt hat. Darauf müssen Sie unbedingt hinweisen.
Der Polizist hat nichts gesehen, und das einzige, was er bezeugen kann, ist, dass er meint, Sie seien zur Zeit des Unfalls nicht zu Hause gewesen.
Wenn Sie nun einen Zeugen haben, der bezeugen kann, dass Sie zur Zeit des Unfalls tatsächlich zuhause waren, dann steht insofern Aussage gegen Aussage. Leider aber neigen Richter eben dazu, einem Polizisten mehr zu glauben als einem normalen Bürger.
Sie müssen also darauf hinwirken, dass das Gericht weitere Beweise heranzieht. Wenn der Polizist nichts weiter zum zum Tatbeweis vorbringen kann als seine Notizen, so wäre das ein sehr schwacher Beweis.
Es ist wohl davon auszugehen, dass dem Gericht noch weitere sogenannte Sachbeweise vorliegen, zum Beispiel Schäden an Ihrem Auto. Wenn das nicht der Fall ist, dann können Sie nur gegen die Aussage des Polizisten kämpfen, indem sie Ihren Zeugen dagegen stellen und das Gericht fragen, wieso Ihr Alibizeuge weniger glaubwürdig sei als der Polizist, der sich noch nicht mal an seinen eigenen Vermerk erinnern kann.
Ohne einen Strafverteidiger, der diese Arbeit vor Gericht macht, wird es für Sie sehr schwer. Leider ist es so, dass Richter völlig frei entscheiden können darüber, wem Sie glauben und wem nicht.
Man nennt das auch die sogenannte freie Beweiswürdigung durch den Richter aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung.
Darunter ist vor allem die Vernehmung von Zeugen zu verstehen.
Wenn also mehrere, einander widersprechende Zeugen aussagen, dann obliegt es dem Richter, zu entscheiden, ob und wem er glaubt. Sie müssen also unbedingt die Aussage des Polizisten erschüttern, indem Sie darauf hinweisen, dass sein Vermerk zum eigentlichen Tatgeschehen überhaupt nichts beitragen kann.
Wenn das Gericht keine weiteren Beweise hat, sondern nur diese fragwürdige Aussage des Polizisten, und Sie denn noch verurteilt, dann bleibt Ihnen nur, in die Berufung zu gehen. Hier sollten Sie sich unbedingt der Hilfe eines Strafverteidigers bedienen.
Zur Würdigung der Aussage von Zeugen in einem Strafprozess gibt es natürlich eine Vielzahl von Urteilen. Die helfen Ihnen aber in Zweifel nicht weiter, denn es kommt immer auf den Einzelfall an und auf den jeweiligen Zeugen vor Gericht und auf den Richter der dem einen glaubt und dem anderen nicht.
Ihr Ansatz muss es sein, die Irrelevanz der Aussage des Polizisten darzulegen. Dass Sie zur Zeit des Unfalls nicht zu Hause gewesen sein sollen, beweist wie gesagt erst einmal gar nichts.
Wichtig ist, dass der Zeuge, der aussagt, Sie seien mit ihm zusammen zuhause gewesen zur Zeit des Unfalls, in sich schlüssig und glaubhaft aussagt. Nur damit können Sie die Aussage des Polizisten erschüttern, auch wenn es auf diese Aussage letztlich überhaupt nicht ankommt.
Leider ist es Sache des Richters, das zu entscheiden. Sie können nur versuchen, in der nächsten Instanz eine bessere Verhandlung zu erreichen, sollten Sie trotz der dünnen Beweislage verurteilt werden.
Wenn noch etwas unklar geblieben ist, fragen Sie gerne nach. Vorerst verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und wünsche Ihnen alles Gute!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin