Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
Also um dies vorweg zunehmen, der Anwalt hat grundsätzlich kein Erpressungspotenzial, denn dies würde den Tatbestand der Erpressung nach § 253 StGB
erfüllen können.
Andererseits kann er aber natürlich (im Regelfall) die weitere Bearbeitung des Mandates von der Zahlung seiner Rechnung (soweit diese begründet ist) verlangen.
Jedoch, wie sie bereits recherchiert haben, darf eine Mandatsniederlegung nie zur sog. "Unzeit" erfolgen. Die Mandatsniederlegung erfolgt nur dann nicht zur Unzeit, wenn der Anwalt
dem Mandanten mehrfach eine Frist zur Zahlung seines Honorars setzt
die Niederlegung des Mandats androht
und der Anwalt dem Mandanten bei bestehendem Anwaltszwangs rät,
eine neue anwaltliche Vertretung zu suchen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.02.2016, 11 U 1636/15
).
Wenn die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen, wäre eine Mandatsniederlegung kurzzeitig vor Fristablauf auch zur Unzeit. Zwar bezieht sich Ihr Link zu Recht auf einen Verhandlungstermin, jedoch sind die gleichen Maßstäbe auch bei Fristen anzusetzen, wenngleich hier noch Verlängerungsoptionen, sofern keine Notfrist, zum Tragen kommen können und sich damit der wesentliche Nachteil, die Unzeit, etwas abfangen lässt, wenn der Anwalt die notwendigen Schritte auch einleitet.
Sofern der Termin 2 Tage vor Fristablauf ist, wäre auch eine Zahlung nach diesem Gespräch nicht mehr rechtzeitig gewährleistet, unterstellt man hier mal übliche Banklaufzeigen von 2-3 Werktagen, sofern der Anwalt nicht noch eine Fristverlängerung beantragt.
Des Weiteren gilt es zu beachten, ob Ihr Verfahren vor dem Landgericht stattfindet, da dort Anwaltszwang herrscht, während Verfahren vor dem Amtsgericht auch ohne Anwalt wahrgenommen werden können, sodass bei letzterem auch Sie einen notwendigen Fristverlängerungsantrag durch einen eventuellen Anwaltswechsel je nach Ausgang des Gespräches, beantragen sollten um nicht in die Verspätung oder Säumnis zu geraten.
Ihr Rechtsbeistand begiebt sich, ohne die vorgenannten Voraussetzungen zur Beseitigung der Unzeit, einzuhalten, rechtlich und haftungstechnisch auf dünnes Eis, sofern er damit spekuliert Sie mit der laufenden Frist auflaufen zu lassen.
Im Übrigen haben Sie auch bei Nichtzahlung der Forderung einen Anspruch auf Herausgabe der Handakte. Der Anwalt darf die Herausgabe der Handakte zwar verweigern, wenn noch offene Gebühren vom Mandanten zu bezahlen sind. Dabei darf der Rechtsanwalt dieses Zurückbehaltungsrecht aber nicht missbräuchlich einsetzen, insbesondere wenn der Mandant die Handakte aufgrund der Fristen in bezug auf einen Anwaltswechsel (bei Anwaltszwang) dringend benötigt. Eine unberechtigte Weigerung wäre ein berufsrechtlicher Pflichtenverstoß, den die Rechtsanwaltskammer ahnden kann, und welche ggf. auch Schadensersatz- und Haftungsfolgen nachsich ziehen kann.
Demzufolge ist das "Erpressungspotential" hier gering, da dem Anwalt auch gravierende Pflichten obliegen, alles zu unterlassen, was Ihnen Schaden gleich welcher Art zufügen könnte.
Insoweit sollten Sie auf einen vorzeitigeren Gesprächstermin drängen, insbesondere mit Blick auf den drohenden Fristablauf.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Danke für Ihre umfassende Antwort. Das hilft auf jeden Fall weiter. Eine Verständnisfrage habe ich aber noch, um das richtig einordnen zu können. Die Verhandlung wird tatsächlich vor dem Amtsgericht durchgeführt (also kein Anwaltszwang). D.h. hier kann der Anwalt das Mandat kurzfristig niederlegen (mit Verweis zu der Unstimmigkeit bei der Rechnung) ohne schlimmere Konsequenzen zu befürchten..? Also im Schlimmsten Fall bekommt er eine Verwarnung von der Anwaltskammer oder ist er dann tatsächlich klar schadenspflichtig mir gegenüber..? So wie ich Sie verstanden habe, ist ja dann kein wirklicher Schaden bei mir enstanden, wenn ich problemlos verlängern kann. Ich stehe dann halt nur dumm da gegenüber dem Richter und der Gegenseite.
Ihre Nachfrage möchte ich gerne beantworten.
Theoretisch könnte er das Mandat bei Nichtzahlung einer begründeten Forderung niederlegen. die Konsequenzen wären dann tatsächlich gering, wenn insoweit keine Fristversäumnis droht, sprich Sie so in den Stand gesetzt werden, dass Sie sich selbst vertreten können bzw. einen anderen Anwalt mit der Angelegenheit beauftragen könnten.
Daher sehe ich hier den Anwalt bei Mandatsniederlegung zumindest in der Verpflichtung zur Fristwahrung die notwendigen Unterlagen so rechtzeitig herauszugeben, damit eine Verteidigung ihrerseits entsprechend möglich ist, sofern Sie nicht selbst über entsprechende Abschriften verfügen.
Daher wird ein Schaden tatsächlich kaum oder gar eintreten, wenngleich der Anwalt dann sich Gedanken machen muss, wie er seine Rechnung einfordert.
Ich kann sie aber beruhigen, dass Sie vor Gericht nicht dumm da stehen werden, denn eine Mandatsniederlegung oder ein Anwaltswechsel ist nicht so selten, wie man denken möchte.
Eine Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer würde ich bei einer derart kurzfristigen Niederlegung ebenfalls empfehlen, aber vielleicht findet sich ja auch noch eine Lösung im Gespräch mit dem Anwalt.
MfG
RA Sascha Lembcke