Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Frage, diese beantworte ich aufgrund Ihrer Angaben wie folgt.
Zu Ihren Fragen…
1) Die sog. polizeiliche Meldung bei der Gemeinde hat steuerrechtlich nur Indizwirkung, um hier tatsächlich eine steuerrechtliche Wohnung vorzuhalten, genügt es, dass Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit Zugang zu einer Schlafmöglichkeit im Haus Ihrer Mutter zu haben.
Dabei kann es sich um ein Gästezimmer o.ä. handeln. Sie hätten dann nach § 8 AO eine Wohnung inne und wären gemäß § 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig in Deutschland.
Aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht wären Sie verpflichtet jährlich Ihr gesamtes Welteinkommen in Deutschland zu erklären. Ob dieses dann auch in Deutschland der Besteuerung unterliegt, ist eine Frage des Besteuerungsrechts, welches mittels des entsprechenden DBA zu ermitteln wäre.
Aufgrund des Wohnsitzes Ihrer Familie in Übersee, wird Ihre steuerliche Ansässigkeit (Art. 4 DBA OECD Musterabkommen) in Übersee anzunehmen sein. Entsprechend sind verschiedene Einkünfte nur im Ansässigkeitsstaat besteuerbar.
Insoweit wäre noch anhand der konkreten Umstände zu beurteilen, ob dann auch Ihre Frau einen steuerlichen Wohnsitz im Haus Ihrer Mutter hat und auch diese in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt.
2) Das Nießbrauchrecht zugunsten Ihrer Mutter ist hier das ausschließliche Nutzungsrecht der Immobilie. Es bleibt dieser überlassen, ob sie Ihnen die steuerrechtliche „Wohnung" entgeltfrei überlässt.
3) Ihre Beratungsunternehmung als Einzelperson ist grundsätzlich möglich. Was immer Sie mit Übersee meinen, das Besteuerungsrecht für einzelne Umsätze ist meist so geregelt (so ein DBA mit dem betreffenden Staat, in den sie ziehen, existiert), dass diese der jeweiligen Betriebsstätte zugeordnet werden können.
Sind Sie also nur kurzzeitig zu Besuch in Deutschland, fahren aber aufgrund Ihrer selbständigen Beratertätigkeit ganzjährlich Umsätze, wird es schwierig sein, diese der deutschen Betriebsstätte im Haus Ihrer Mutter zuzuordnen und so das Besteuerungsrecht in Deutschland zu begründen.
U.U. sind hier einzelne Umsätze der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen und andere einer Betriebsstätte (Ort der Unternehmensleitung vgl. DBA OECD Musterabkommen Art. 5
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2004-02-18-OECD-Musterabkommen-2003.pdf?__blob=publicationFile&v=3) in Übersee.
Ich hoffe Ihre Frage beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Andreas Wehle /Aachen
Antwort
vonRechtsanwalt Andreas Wehle
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E-Mail:
Rechtsanwalt Andreas Wehle
Sehr geehrter Herr RA Wehle,
sehr, sehr interessante und informative Auskunft. Ich habe sie bereits wiederholt studiert. Das ist wirklich sehr hilfreich obendrein.
Wenn Sie mir eine triviale Zusatzfrage erlauben würden, die all diesen Überlegungen vorausgeht?
Meine 90 - jährige Mutter möchte, dass ich den Schlüssel zu ihrem Häuschen bei mir habe, eines der Schlafzimmer mit Vorraum bewohne und jederzeit ein Zugangsrecht nach- und vorweisen kann. Auch deswegen die offizielle Anmeldung.
Die Frage ist nun, ob ich meine Mutter mit der Anmeldung als "Mitbewohner" in Schwierigkeiten bringen könnte, obwohl ich bereits "eingezogen" bin und meine Sachen, Akten, Kleider und persönliche Gegenstände bereits dort habe, aber nicht ständig, sondern eher wie in einem "Zweitwohnsitz" temporär und gelegentlich dort anwesend sein kann und sein werde.
Hintergrund ist die Bestimmung des § 19 Ziffer 6 des Bundesmeldegesetzes, demzufolge es verboten ist "... eine Wohnungsanschrift für eine Anmeldung nach § 17 Absatz 1 einem Dritten anzubieten oder zur Verfügung zu stellen, obwohl ein tatsächlicher Bezug der Wohnung durch einen Dritten weder stattfindet noch beabsichtigt ist." (was so ja nicht der Fall ist).
Vielen Dank für Ihre wirklich exzellente Antwort, die ganz neuen Aspekte beleuchtet hat und wirklich hilft.
Danke vielmals!
Sehr geehrter Ratsuchender,
vielen Dank für Ihre Nachfrage und Ihre tolle Bewertung. Ihre Nachfrage beantworte ich aufgrund Ihrer Angaben wie folgt.
Die polizeiliche Meldung nach dem BMG soll sicherstellen, dass Ihnen behördliche und gerichtliche Poststücke zugestellt werden können.
So Ihnen trotz des fortgeschrittenen Alters Ihrer Mutter die an Sie gerichtete Post zur Kenntnis gelangt und Sie sich keines weiteren Empfangsbevollmächtigten bedienen müssen, sollte hier nichts schief gehen.
Es ist ja nicht so wie in den 1960ern als die Polizei noch überprüfte (so wie es in Belgien noch heute praktiziert wird), ob Sie tatsächlich dort eingezogen sind, sondern so, dass wenn Sie sich in Deutschland aufhalten, sich dort überwiegend aufhalten.
Insoweit sind Sie dort, bei Ihrer Mutter, bereits „eingezogen", auch wenn Sie sich nicht überwiegend dort tatsächlich aufhalten.
Stellen sie sich einfach vor, Sie könnten es sich finanziell leisten je eine feste Unterkunft in 10 Ländern dieser Welt zu haben und je nach Lust und Laune sind Sie mal dort und mal dort, je nachdem worauf Sie gerade Lust haben, Lebenszeit zu verbringen. Vielleicht ist das eine Wochenende in Deutschland dann Ihre einzige Zeit hier und dennoch bleibt es Ihr inländischer und auch steuerlicher Wohnsitz.
Zweitwohnsitz wäre hier die falsche Bezeichnung, dafür müssten Sie zwei Wohnsitze in Deutschland innehaben. Nach dem BMG ist es Ihr Hauptwohnsitz, als einzige Wohnung in Deutschland.
Schwierigkeiten dürften sich hier nicht ergeben. Sie müssen ja nicht angeben, seit wann Sie dort Ihre Sachen haben und wann Sie bereits oder erst aktiv entschieden haben, dass dort Ihre deutsche Wohnung sein soll.
Einfach mit der Wohnungsgeberbescheinigung Ihre Mutter anmelden und gut. Bitte auch keine Geschichten drumherum erzählen. Es geht das Meldeamt nichts an, dass Sie sich überwiegend im Ausland aufhalten und Sie dort steuerlich ansässig sind.
Ich hoffe Ihre Frage beantwortet zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Andreas Wehle /Aachen