Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage beantworte ich auf der Grundlage der von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen wie folgt:
Zu Frage 1:
Der Bestatter hat Sie leider falsch informiert. Ihr Cousin und Ihre Cousine haben die Situation wohl richtig eingeschätzt, denn die gesetzliche Erbfolge sieht so aus, dass es nun eine Erbengemeinschaft gibt, an der Ihr Vater zur Hälfte und Ihr Cousin und Ihre Cousine zu je einem Viertel beteiligt sind.
Die entsprechende gesetzliche Regelung finden Sie in § 1924 BGB, dort ist in Absatz 4 festgelegt, dass an die Stelle Ihrer verstorbenen Tante deren Kinder treten. Da Ihr Vater und seine Schwester (wenn sie noch leben würde) zu gleichen Teilen geerbt hätten (§ 1924 Absatz 5 BGB), müssen sich nun die Kinder Ihrer Tante deren Hälfte teilen.
Zu Frage 2:
Grundsätzlich ist jeder, der ein Testament findet, verpflichtet, dieses unverzüglich beim zuständigen Nachlassgericht abzugeben. Dies sollten Sie vorsorglich auch tun.
Das von Ihnen aufgefundene Testament dürfte für den Erbfall Ihrer Großmutter allerdings nicht mehr relevant sein, sofern außer der gegenseitigen Alleinerbeinsetzung nichts weiter geregelt ist. Sie müssen diese Beurteilung allerdings dem Nachlassgericht überlassen. Es ist denkbar, dass sich aufgrund dieses alten Testaments die Erbfolge nach Ihrem Großvater ändern könnte, da die Verfügung des Großvaters, in der er Ihre Großmutter zu seiner Alleinerbin einsetzt, gültig sein dürfte und da dies möglicherweise zu einer nachträglichen Korrektur der damaligen Erbfolge bzw. des damaligen Erbscheines führen könnte.
Ein handgeschriebenes Testament ist gültig, eine Beglaubigung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Auch diese Beurteilung müssen Sie jedoch dem Nachlassgericht überlassen, da es noch andere Wirksamkeitskriterien gibt.
Zu Frage 3:
Die Äußerung Ihrer Großmutter, dass Ihr Cousin nichts erben soll, ist leider nicht relevant (selbst wenn sie beweisbar wäre), da es sich dabei um eine Regelung der Erbfolge durch letztwillige Verfügung gehandelt hätte, die formbedürftig gewesen wäre und deshalb zumindest handschriftlich hätte erfolgen müssen. Der Cousin wurde also Miterbe.
Auch die Cousine wurde Miterbin. Soweit die an sie geflossenen Geldbeträge und Vermögenswerte nachweisbar sind, könnte es sich allenfalls um einen Fall der Ausgleichung nach § 2050 BGB handeln, der nicht die formale Stellung der Cousine als Miterbin berührt, sondern nur die Frage, wie der Nachlass schuldrechtlich zu verteilen ist.
Die nachfolgenden Ausführungen gelten daher für den Fall, dass die Zuwendungen Ihrer Großmutter an Ihre Cousine nachweisbar sind:
Falls Ihre Cousine noch zu Lebzeiten Ihrer Tante eine Zuwendung von Ihrer Großmutter erhalten hat, ist dies nur auszugleichen, wenn Ihre Großmutter bei (!) der Zuwendung (also nicht später) angeordnet hat, dass dies auszugleichen ist. Diese Anordnung und den Zeitpunkt müsste Ihr Vater im Rahmen der Erbauseinandersetzung beweisen.
Falls Ihre Cousine nach dem Tod Ihrer Tante Zuwendungen von Ihrer Großmutter erhalten hat, die der Ausstattung (§ 1624 BGB: anlässlich der Heirat, zur Erlangung einer wirtschaftlichen Existenz oder der Aufrechterhaltung einer wirtschaftlichen Existenz) dienten, ist dies auszugleichen, es sei denn die Großmutter hätte bei der Zuwendung ausdrücklich angeordnet, dass dies nicht auszugleichen sei.
Sofern Ihr Vater die Tatsache einer solchen Zuwendung beweisen kann und auch beweisen kann, dass es sich um eine Ausstattung gehandelt hat, könnte er Glück haben, denn in dieser Konstellation müsste die Cousine beweisen, dass die Großmutter angeordnet hat, dass dies nicht zur Ausgleichung zu bringen ist.
Zuschüsse zu Einkünften sowie zu einer Berufsausbildung, die über eine Erstausbildung hinausgeht, sind auszugleichen, wenn sie die finanziellen Verhältnisse Ihrer Großmutter überstiegen haben.
Alle andere Zuwendungen (normale Schenkungen ohne eine der o.g. Zweckbindungen) sind nur dann auszugleichen, wenn die Großmutter dies bei (!) der Schenkung angeordnet hat. Das dürfte schwer zu beweisen sein.
Alle genannten Anordnungen der Großmutter konnten formfrei (also auch mündlich) erfolgen, müssen aber wie beschrieben nachgewiesen werden.
Ihr Vater hat gegen die Cousine (und auch gegen den Cousin) einen Auskunftsanspruch bezüglich sämtlicher (!) erhaltener Zuwendungen. Diese Auskunft sollte er auch fordern, um danach entscheiden zu können, ob eine Ausgleichung in Betracht kommt.
Einen weiteren Auskunftsanspruch hat Ihr Vater gegen Cousin und Cousine wegen aller Zuwendungen, die Ihre Großmutter den beiden in ihren letzten 10 Lebensjahren gemacht hat. Hier könnte ein Anspruch auf einen Zusatzpflichtteil nach den §§ 2325, 2326 BGB bestehen
Zu Frage 4:
Ihr Vater wurde zusammen mit den beiden Miterben Eigentümer aller Vermögensgegenstände/Wertgegenstände und auch Schuldner aller Pflichten. Alles, was sich in der Wohnung befindet, gehört allen dreien gemeinsam. Ich empfehle Ihnen dringend, Cousin und Cousine in die Wohnungsauflösung einzubeziehen und über alle Dinge eine gemeinsame Entscheidung herbeizuführen. Das mag zwar mühsam sein, aber es erspart Ihnen und Ihrem Vater möglicherweise viel Ärger.
Zu Frage 5:
Mit der Kontovollmacht (sofern diese über den Tod hinaus besteht) können Sie Verfügungen veranlassen, allerdings nur im Namen und für Rechnung des Nachlasses. Ich empfehle Ihnen, mit der Kontoschließung noch abzuwarten, bis alle denkbaren Kosten erledigt sind. Wenn die Wohnung jetzt ausgeräumt wird, dann steht noch der Abschluss mit dem Vermieter an (Rückzahlung der Kaution, Nebenkostenabrechnung etc.). Auch die Schlussabrechnungen bei Strom, Telefon etc. sind möglicherweise noch zu erledigen. Oftmals ist auch noch eine Rentenzahlung an den Rentenversicherer zurück zu erstatten, weil der Rentenversicherer vom Tod erst erfahren hat, als schon eine weitere Rente überwiesen war.
Alle diese Dinge sollten Sie weiter über das Konto Ihrer Großmutter laufen lassen, bis wirklich alles erledigt ist. Erst dann sollten Sie das Konto auflösen und den Betrag aufteilen. Ich habe Zweifel daran, dass die von Ihnen erwähnte Formulierung einer Abgeltung ausreichen würde, um Ihren Vater zu schützen. Rechtlich könnte es sich dabei um eine Abschichtung handeln, wenn ein (oder beide) Miterben gegen eine Abfindungszahlung aus der Erbengemeinschaft ausscheiden, aber dies dürfte nur wirksam sein, wenn den Miterben alle Informationen über den Nachlass vorliegen.
Hier wäre zu klären, aus welchem Grund Sie diese Abfindungserklärung von den Miterben wünschen oder ob es nicht sogar im Interesse Ihres Vaters sein könnte, gerade nicht alles für abgegolten zu erklären. Falls nämlich noch (bisher unbekannte) Forderungen auftauchen, möchte Ihr Vater die beiden Miterben sicher gerne an den Schulden beteiligen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste Orientierung geben und Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten. Im Bedarfsfall stehe ich Ihnen für eine weitere Tätigkeit im Rahmen einer Mandatsübertragung gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Plewe
Rechtsanwältin