Sehr geehrter Ratsuchender,
1.
Der Bedarf Ihrer volljährigen Tochter beträgt in der Tat € 486, wovon Sie selbst zutreffend ausgehen. Denn auf der Grundlage des § 1612b Abs. 3 BGB
analog können Sie das gesamte Kindergeld (€ 154) von dem Gesamtunterhaltsbedarf (€ 640) in Abzug bringen.
Nun verhält es sich aber so, dass mit dem Auszug Ihrer Tochter aus dem Haushalt der Mutter nicht mehr nur Sie alleine barunterhaltspflichtig sind, sondern beide Elternteile nach dem Verhältnis Ihrer Einkommen zueinander den Unterhaltsbetrag gemeinsam aufbringen müssen. Vorher war Ihre Ex-Ehefrau von einer Barunterhaltspflicht befreit, da sie ihren Teil des Unterhalts in Naturalien leisten durfte.
Nachdem keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Ihre Ex-Ehefrau nicht in der Lage wäre, dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wird sie sich auch nach der Kündigung der Arbeitsstelle weiterhin fiktiv ein Einkommen zurechnen lassen müssen, das sich der Höhe nach an ihrer zuletzt verdienten Vergütung orientieren wird (sofern nach dem Umzug eine Erzielung von Einkünften in dieser Höhe zumutbar erwartet werden kann).
Ihr Ex-Ehefrau wird sich also auch an den Unterhaltszahlungen an Ihre gemeinsame Tochter beteiligen müssen, jedenfalls sobald ihre Krankheit überwunden ist.
Schon deshalb ist es dringend zu empfehlen, eine erneute schriftliche Unterhaltsvereinbarung auf der Basis der geänderten Umstände zu treffen.
Den Vorschlag Ihrer Ex-Ehefrau müssen Sie nicht annehmen. Sie sind andererseits nicht daran gehindert, Ihrer Tochter mit der Ausfüllung des Fragebogens zu einem rechtmäßigen Bezug staatlicher Leistungen zu verhelfen (die dann wiederum die Unterhaltspflicht vermindern).
Sie sollten auch von Ihrem Auskunftsrecht nach § 1605 BGB
Gebrauch machen. Insofern können Sie auch verlangen, dass Ihre Tochter Sie unaufgefordert über den jeweiligen Stand der Ausbildung informiert.
Verzögerungen oder Unterbrechungen der Ausbildung müssen Sie nur hinnehmen, wenn diese nicht von Ihrer Tochter verschuldet sind und auch kein nur vorübergehendes Versagen vorliegt (vgl. BGH FamRZ 1998, 671
).
Außerdem muss die Ausbildung den Fähigkeiten und Neigungen des Kindes entsprechen. Wenn abzusehen ist, dass sie das Ausbildungsziel nicht erreichen kann, kommt ein Entfallen des Unterhaltsanspruchs in Betracht, allerdings wären Sie zunächst weiterhin verpflichtet, eine alternative geeignete Ausbildung mit zu finanzieren.
2.
Auch bezüglich des nachehelichen Unterhalts wird sich Ihre Ex-Frau wohl fiktive Einkünfte zurechnen lassen müssen. Ob vor diesem Hintergrund die bislang vereinbarten € 274 pro Monat angemessen sind, lässt sich anhand der vorliegenden Informationen nicht genau ermitteln.
Des Weiteren wird – wie Sie selber richtig vermuten – der Unterhaltsanspruch zu reduzieren sein, und mit der Zeit ganz wegfallen, sobald sich die neue Lebensbeziehung Ihrer Ex-Ehefrau verfestigt hat.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Verwirkung des Geschiedenenunterhalts gemäß § 1579 Nr. 7 BGB
nach zwei bis drei Jahren des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt eintritt (BGH NJW 1997, 1851
).
Nach den Umständen des Einzelfalls kann dies auch schon früher anzunehmen sein, z.B. wegen verletzender Begleitumstände.
Insofern scheint Ihnen das Angebot Ihrer Ex-Ehefrau durchaus entgegen zu kommen, da Sie sich nach Ihren Angaben wohl ansonsten aktuell noch nicht auf das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft berufen können.
Andererseits sollten Sie einen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt nicht von der Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung der Tochter machen.
Sinnvollerweise sollten Sie die bestehenden Unterhaltsverpflichtungen mit den beiden Berechtigten zunächst getrennt besprechen und jeweils eine einvernehmliche Lösung anstreben.
Wichtig ist dabei, auch den Beitrag Ihrer Ex-Ehefrau zum Kindesunterhalt zu regeln. Es wäre zu überlegen, inwieweit Sie in diesem Zusammenhang Ihrer Ex-Ehefrau entgegenkommen wollen, und möglicherweise z.B. eine stufenweise Reduzierung des Geschiedenenunterhalts anbieten.
Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen für mehr Klarheit sorgen.
Sollten Sie zu dem einen oder anderen Punkt noch Nachfragen haben, können Sie sich gerne erneut an mich wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 11.11.2006 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Rechtsanwalt Wolfram Geyer,
vielen Dank für die ausführliche Antwort. Ich habe mit meiner Exfrau und mit meiner Tochter gesprochen. Meine Exfrau verzichtet tatsächlich ab 01.2007 auf Unterhalt. Im Bezug auf meine Tochter habe ich noch eine Frage.
Meine Tochter hatte aus unerfreulichen Gründen viele Fehlzeiten in der Schule. Sie und auch ihre Lehrer sind der Meinung, dass sie den Abschluss nicht schafft. Meine Tochter will sich in der Schule abmelden und ALG2 beantragen. Wie sieht es in diesem Fall mit meiner Unterhaltspflicht gegenüber meiner Tochter aus?
Für den Fall das meine Frage in den Rahmen der „einmaligen Nachfrage“ fällt und mein Einsatz angemessen war, freue ich mich auf Ihre Antwort.
Sehr geehrter Ratsuchender,
Ihre Zusatzfrage beantworte ich gerne, aber in der gebotenen Kürze wie folgt:
Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 SGB II
kann der Träger der Sozialhilfe bei den Unterhaltsverpflichteten Rückgriff nehmen, außer wenn zwischen den Beteiligten eine Bedarfsgemeinschaft vorliegt oder ein Kindschaftsverhältnis zu einer Schwangeren oder betreuenden Mutter bis zum sechsten Lebensjahr besteht, und ansonsten nicht, wenn das Kind bereits über 25 Jahre alt ist oder bereits eine Erstausbildung abgeschlossen hat.
Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber anscheinend nicht gegeben.
Wenn Ihre Tochter also erfolgreich einen Antrag auf ALG II stellt, werden Sie Gefahr laufen, entsprechend für die staatlichen Leistungen Ersatz leisten zu müssen, soweit Sie selbst unterhaltsrechtlich hierzu verpflichtet sind, § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB II
.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt