Gerne zu Ihrem Fall:
Grundsätzlich ist das Gesetz des Vereins die Satzung.
Wenn allerdings – wie Sie schreiben – „Irgendwelche weiteren Angaben/Vorschriften, wie bei Rücktritten von Vorstandsmitglieder zu verfahren ist, oder was die Handlungsfähigkeit in solchen Fällen betrifft, gibt es in unserer Satzung dann allerdings leider nicht" – gehe ich von der gesetzlichen Regelung des § 26 BGB
aus…
(1) Der Verein muss einen Vorstand haben. Der Vorstand vertritt den Verein gerichtlich und außergerichtlich; er hat die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Der Umfang der Vertretungsmacht kann durch die Satzung mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden.
(2) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so wird der Verein durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Ist eine Willenserklärung gegenüber einem Verein abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Mitglied des Vorstands.
...so dass ich mangels einschränkender Satzungsregelungen davon ausgehe, dass Ihr sog. mehrgliedrige Vorstand umfassend berechtigt ist.
Fehlt eine satzungsgemäße Regelung der Vertretungsmacht, wird der Verein nämlich bei der Aktivvertretung nach Abs. 2 S. 1 durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder vertreten. Bei der Vertretung gilt als gesetzliche Vertretungsform das Mehrheitsprinzip (Mehrheitsvertretung). Mehrheit ist die einfache Mehrheit der Gesamtzahl der Vorstandsmitglieder, vgl. dazu § 28 BGB
.
Eine abweichende statutarischen Vertretungsregelungen wären in das Vereinsregister einzutragen.
Da Sie von einer politischen Partei sprechen, sind noch einige Besonderheiten zu beachten, die etwa für einen Kegelklub nicht gelten:
Das Grundgesetz vermittelt den Parteien einen eigenen verfassungsrechtlichen Status und weist ihnen eine besondere hervorgehobene Stellung zu. Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG
garantiert für politische Parteien die Gründungs- und Betätigungsfreiheit, die das Sichzusammenfinden und Verständigen auf eine gemeinsame Programmatik sowie die Wahl der Organisations- und der Rechtsform umfasst. Jede Partei kann grundsätzlich Art und Umfang ihrer Organisation selbst bestimmen, Kernstück der Organisationsfreiheit ist die freie Gestaltung der Parteisatzung. Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG
schützt somit die interne Willensbildung vor Eingriffen von außen als Ausdruck der Betätigungsfreiheit.
Die Wahrnehmung dieser Aufgabe fordert, dass der Prozess der Meinungs- und Willensbildung des Volkes grundsätzlich „staatsfrei" bleiben muss. Das rechtfertigt die Einschränkung der administrativen und gerichtlichen Kontrolle von Beschlüssen und Wahlen innerhalb politischer Parteien, insbesondere der Überprüfung von Satzungsbeschlüssen und der Vereinbarkeit von Satzungsbestimmungen mit höherrangigem Recht. Eine unbeschränkte Kontrolle wäre mit der Gründungs- und Betätigungsfreiheit unvereinbar.
Dies zum besseren Verständnis vorangestellt, jetzt zu Ihren Fragen:
1. Ist meine Sichtweise richtig, dass bei weniger als der Hälfte des Vorstandes - dieser nicht mehr "handlungsfähig" ist - also KEINE Vorstandsaufgaben mehr wahrnehmen darf - außer eben zu einer neuen Vorstandswahl einzuladen?
Antwort: Bei einer Überschreitung der Vertretungsmacht zB Vertretungshandlung durch Vorstandsmitglieder in nicht vertretungsberechtigter Zahl oder Überschreiten satzungsmäßiger sachlicher Beschränkungen, wird der Verein nicht berechtigt und verpflichtet.
Das setzt aber eben voraus, dass dazu eine satzungmäßige Regelung vorliegt, was Sie vorliegend nicht berichten.
Deshalb greift vorliegend § 29 BGB
„Notbestellung" durch das Amtsgericht für dringende Fälle auf Antrag eines Beteiligten wohl eher nicht.
2. An welchem Zeitrahmen ist die Neuwahl des Vorstandes gebunden - bzw. gibt es überhaupt einen? Ich gehe davon aus, dass die 2 Restmitglieder des Vorstandes jetzt so lange immer neue Mitglieder (Bekannte/Verwandte) aufnehmen - bis sie sich eine ausreichende Machtposition für die anstehende Wahl verschafft haben. - und je langer man diese Neuwahl verschiebt, um so mehr Neumitglieder.
Antwort: Ihrer Schilderung nach könnte hier durchaus ein Missbrauch durch den Vorstand vorliegen, wenn er die in der Tat notwendige Einberufung der MV zum Nachteil anderer Mitglieder instrumentalisiert:
Hier lägen dann die Voraussetzungen der §§ 36 BGB
(„..wenn das Interesse des Vereins das erfordert") und im Weigerungsfall
§ 37 Berufung auf Verlangen einer Minderheit
(1) Die Mitgliederversammlung ist zu berufen, wenn der durch die Satzung bestimmte Teil oder in Ermangelung einer Bestimmung der zehnte Teil der Mitglieder die Berufung schriftlich unter Angabe des Zweckes und der Gründe verlangt.
(2) Wird dem Verlangen nicht entsprochen, so kann das Amtsgericht die Mitglieder, die das Verlangen gestellt haben, zur Berufung der Versammlung ermächtigen; es kann Anordnungen über die Führung des Vorsitzes in der Versammlung treffen. Zuständig ist das Amtsgericht, das für den Bezirk, in dem der Verein seinen Sitz hat, das Vereinsregister führt. Auf die Ermächtigung muss bei der Berufung der Versammlung Bezug genommen werden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Krim.-Dir. a.D. Willy Burgmer
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