Sehr geehrte Fragestellerin,
sehr geehrte Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, welche ich auf Grundlage Ihrer Informationen gerne wie folgt beantworte:
Ziff. 1):
Im Grundsatz enthält Ihre Frage schon die richtigen Antworten. Die Videoüberwachung –z.B. des eigenen Geschäftszuganges, aber auch privater Räumlichkeiten- ist im bestimmten Rahmen grundsätzlich zulässig, zB wenn sie eine Dritte nicht beeinträchtigende „Wache an einem anderen Ort“ darstellt (OLG Koblenz, NJW-RR 99, 1394
). Unzulässig sind dagegen Aufzeichnungen über den Hoheitsbereich des Nachbarn, anderer Mieter, der Zugänge zu anderen Nachbarn u.ä. . Des weiteren muss i.d.R. auf die Überwachung hingewiesen werden.
Ziff 2):
Wird hiergegen verstoßen, liegt ein Eingriff in das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen vor (allg. Meinung). In diesem Sinne auch recht deutlich jüngst das OLG Köln (NZM 05, 578), allerdings ganz auf der Linie der Rechtsprechung der letzten Jahre. Dort ging es um die Überwachung der gemeinschaftlichen Waschküche eines Mehrfamilienhauses. Ich zitiere auszugsweise:
„(a) Die Videoaufzeichnung stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht der Beklagten dar. Das Recht am eigenen Bild stellt eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (vgl. nur BGH NJW 1995, 1955
, 1956; BAG NJW 2005, 313
, 314, jeweils m.zahlr.N.). Ebenso wie beim gesprochenen Wort gehört es zum Selbstbestimmungsrecht jedes Menschen, darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Es ist deshalb auch nicht auf bestimmte Örtlichkeiten, wie z.B. die eigene Wohnung, begrenzt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen wird nicht nur wie durch § 22 KunstUrhG
gegen die unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung geschützt und folglich auch nicht erst im Fall einer "Bildniserschleichung" verletzt, wenn etwa Abbildungen einer Person in deren privatem Bereich in der Absicht gefertigt werden, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr stellt bereits die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät, ohne Einwilligung des Abgebildeten einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar (BAG NJW 2005, 313
, 314; BGH NJW 1995, 1955
, 1956, jeweils m. zahlr. N.).
(b) Der festgestellte Eingriff in das allgemeine Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht der Beklagten ist unter den Umständen des vorliegenden Falles rechtswidrig. Ob und in welchem Umfang eine heimliche 3 Videoüberwachung 4 sowie eine heimliche Videoaufzeichnung rechtswidrig und unzulässig oder vom Betroffenen hinzunehmen sind, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden (BGH NJW 1995, 1955
, 1957). Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt, solange nicht die unantastbare Intimsphäre des Betroffenen berührt ist, keinem schrankenlosen Schutz. Es tritt in Konflikt mit den u.U. ebenfalls berechtigten Interessen desjenigen, der die Videoaufzeichnungen angefertigt hat. Beide Belange sind - unter maßgeblicher Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falls - bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2002, 2799
).
(c) Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beklagten zeichnet sich vorliegend durch eine hohe Intensität aus. Die 3 Videoüberwachung 4 erfolgte gezielt und heimlich an einem Ort, der noch zum privaten Wohnbereich der Beklagten zu zählen ist und den die Beklagte oft aufsuchte. Die Überwachung wurde über lange Zeit aufrecht erhalten, nämlich mindestens vom 21.11.2003 bis zum 14.12.2003, dem Zeitraum, für den die Klägerin eine Erstattung der Detektivkosten begehrt; ausweislich der Aufdrucke auf den zur Gerichtsakte gereichten Videobildern hat eine Überwachung darüber hinaus aber mindestens bis zum 20.1.2004 stattgefunden. Die Maßnahme war darauf angelegt, die Beklagte gleichsam "rund um die Uhr" zu beobachten und zu filmen. Dies belegt die dichte Aufeinanderfolge der Aufnahmen, die darauf schließen lässt, dass die Überwachung mit hoher Regelmäßigkeit, evt. sogar stets erfolgte, wenn die Beklagte die Waschküche betrat. Auf diese Weise wurde unweigerlich das gesamte Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit der Benutzung der Waschküche beobachtet, auch solche Verhaltensweisen, die mit den Beschädigungen an der Waschmaschine in keinem Zusammenhang standen, wie z.B. die Häufigkeit und die Zeiten, zu denen die Beklagte ihre Wäsche wusch, und welchen Gewohnheiten sie hierbei gegebenenfalls folgte.
Ziff 3):
Auch dürfte § 6b BDSG
einschlägig sein, den ich mir ebenfalls kurz zu zitieren erlaube:
„ § 6b Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen
Einrichtungen
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen
Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen
der Betroffenen überwiegen.
(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch
geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.
(3) 1Die Verarbeitung oder Nutzung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist
zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und
keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen
überwiegen. 2 Für einen anderen Zweck dürfen sie nur verarbeitet oder genutzt
werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche
Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.
(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person
zugeordnet, ist diese über eine Verarbeitung oder Nutzung entsprechend den §§
19a und 33 zu benachrichtigen.
(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks
nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer
weiteren Speicherung entgegenstehen.“
Ziff 4:)
Die von Ihnen geschilderte „flächendeckende“ Videoüberwachung ist deswegen m.E. offenbar unzulässig. Dass Sie, wie Sie einräumen, „nichts zu verbergen haben“, ehrt Sie, ist aber rechtsstaatlich natürlich ohne Belang.
Wie Sie nun weitermachen, ist sicherlich „Geschmackssache“. M.E. können Sie verlangen, dass die Kamera nicht den Eingang zum Treppenhaus B aufzeichnet und somit Ihr Privatleben "live und in Farbe" von Ihrem Nachbarn einsichtig ist. Vielleicht hilft zunächst allein die schriftliche Aufforderung, die Videoüberwachung strikt auf den Geschäftsbereich zu beschränken. Sollte der Geschäftsinhaber hierauf nicht entsprechend reagieren, müssten Sie ggfls. Klage erheben – auf Grundlage Ihres Berichts mit aber offenkundigem Ergebnis.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben. Für eine kostenlose Rückfrage stehe ich Ihnen im Rahmen der kostenlosen Nachfragefunktion von „Frag einen Anwalt“ gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Schimpf
- Rechtsanwalt -
E-Mail: ra.schimpf@gmx.de
www.anwalt.de/rechtsanwalt_schimpf
Diese Antwort ist vom 25.03.2006 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Herr Dr. Schimpf,
vielen Dank für Ihre Antwort, gewappnet mit den Informationen die Sie mir zur Verfügung stellten suchte ich ein persönliches Gespräch mit dem Nachbarn, da ich dachte im Zuge einer guten Nachbarschaft wäre ein Gespräch der vernünftigste Weg.
Ich bekam folgende Antwort:
- Es würden angeblich keine Aufzeichnungen gemacht (was ich allerdings nicht überprüfen kann und mir unglaubhaft erscheint, vor allem wenn die Kamera in der Nacht an ist, wo niemand in seinem Büro ist) und somit sei die Überwachung zulässig.
- Die Kamera diene ihm vor allem dazu in seinem Büro zu sehen ob Kunden das Haus betreten da seine Klingel länger nicht funktionierte. Ich brachte zum Ausdruck, dass eine Reparatur der Klingel doch wesentlich weniger aufwendig sei als eine Überwachungsanlage und bekam zur Antwort es bliebe ihm überlassen was er macht und dies würde er sich von mir nicht vorschreiben lassen.
- ich sollte doch froh sein und eigentlich einen Teil der Kosten tragen, da ich von „Schutz“ profitiere, da ich mich oft beruflich im Ausland befinde (nur wünsche ich einen derartigen Schutz nicht)
- Eine andere Einstellung der Kamera sei nicht möglich
- Was ich zu verbergen haben, es gäbe keinen Grund mich unbehaglich zu fühlen als alleinstehende Frau sollte ich froh sein, er sei nicht daran interessiert wer wann meine Wohnung betritt, aber wenn mich das unbehaglich macht, müsste ich ein schlechtes Gewissen haben.
- Er müsse auch nicht speziell auf die Kamera hinweisen, die sei ja offensichtlich und nicht versteckt angebracht (nun, Ecken in der Decke des Treppenhauses sind nicht unbedingt mein „Interessengebiet“) und da die Kamera nun schon über ein Jahr dort ist käme meine Beschwerde ohnehin zu spät.
Kann ich - unabhänging davon ob Aufzeichnungen getätigt werden oder nicht (da ich dies auch nicht prüfen kann) - verlangen, dass mein Eingangsbereich nicht unter Beobachtung steht und ich mich nicht mehr beeinträchtig fühle?
Sehr geehrte Frau S.,
danke für Ihre Nachfrage.
Die von Ihnen zitierten Einwendungen liegen mehrheitlich neben der Sache. Ich verweise dazu nochmals auf meine Ausgangsantwort. Nur ergänzend: Der Zeitablauf statuiert keine stillschweigende Billigung Ihrerseits, zumal Sie ja mitteilten, die Kamera erst kürzlich entdeckt zu haben. Dass die Kamera –angeblich- keine Aufzeichnung vornimmt, ändert hieran nichts. Denn die Persönlichkeitsrechte der Gefilmten sind so oder so tangiert. Ob und wie die Überwachung technisch möglich ist, OHNE die Rechte Unbeteiligter, also zB Ihnen oder Ihrer Besucher, zu tangieren, liegt allein im Risikobereich des die Kamera Installierenden.
Ihre eigentliche Nachfrage –Unzulässigkeit der Beobachtung Ihres Eingangsbereiches- kann ich deswegen nur bejahen.
Mit freundlichen Grüßen
RA Schimpf
ra.schimpf@gmx.de