Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Ausgangspunkt der Prüfung Ihrer Fragen ist die notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung. Mit dieser Vereinbarung haben Sie und Ihre geschiedene Ehefrau verbindlich festgelegt, auf welche Weise der nacheheliche Unterhalt geregelt werden soll. An diese Vereinbarung sind sowohl Sie als auch Ihre geschiedene Ehefrau gebunden.
2.
Grundsätzlich erlischt ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, wenn eine sogenannte gefestigte Lebensgemeinschaft besteht. Von einer gefestigten Lebensgemeinschaft geht man nach der Rechtsprechung im Regelfall aus, wenn diese Gemeinschaft 2 1/2 bis 3 Jahre Bestand hat.
Legt man diese Rechtslage zu Grunde, wäre wohl einen Anspruch Ihrer geschiedenen Ehefrau auf nachehelichen Unterhalt ausgeschlossen bzw. mit dem Eintritt einer als gefestigt zu bezeichnenden Lebensgemeinschaft beendet.
Die Scheidungsfolgenvereinbarung sagt aber explizit und unmissverständlich etwas anderes. So wird in der Scheidungsfolgenvereinbarung ausdrücklich gesagt, dass die Unterhaltspflicht bei der Aufnahme einer Lebensgemeinschaft gerade nicht entfalle, sondern nur im Fall einer Neuheirat. Das heißt meiner Meinung nach, dass es hier keinen Auslegungsspielraum gibt, sondern dass bezüglich der Unterhaltspflicht auf den Tatbestand der Neuheirat abzustellen sei.
Vor diesem Hintergrund dürfte also eine Klage auf Unterhaltsabänderung keine Aussicht auf Erfolg bieten.
Einzuräumen ist, dass die Scheidungsfolgenvereinbarung unglücklich formuliert ist. Statt auf eine Wiederverheiratung abzustellen, hätte man in die Vereinbarung aufnehmen können (oder müssen) dass die Unterhaltsverpflichtungen endet, sobald eine gefestigte Lebensgemeinschaft bestehe. Das sind aber bloße Überlegungen im Konjunktiv, die für die Beurteilung des Falls ohne Relevanz sind.
3.
Bezüglich der Schädigung Ihrer Vermögensinteressen werden Sie keine Möglichkeit haben, Schadenersatzforderungen geltend zu machen.
Nach dem geschilderten Sachverhalt hat es wegen des Ihnen entstandenen Schadens einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Münster gegeben, der durch Vergleich beendet worden ist. Damit ist die Frage des Schadenersatzes abschließend geklärt und eine "Wiederaufnahme" des Verfahrens scheidet aus. Dem stünde die Rechtskraft des Vergleichs entgegen.
4.
Soweit Sie sonstige Verfehlungen Ihrer Ehefrau aufzählen, geschieht dies wohl vor dem Hintergrund, ob diese Verfehlungen geeignet sein könnten, die Unterhaltsansprüche der Ehefrau zu reduzieren.
a)
Ihre Ausführungen zur Erschwerung oder gar Vereitelung des Umgangs mit Ihren Kindern sind nicht geeignet, den notariellen Scheidungsfolgenvergleich bezüglich der Unterhaltspflicht auszuhebeln. Allein schon Ihre Sachverhaltsschilderung hinsichtlich des Umgangs mit den Kindern machen eine Prüfung unmöglich, da man hierzu sehr präzise Anhaltspunkte kennen müsste. Das heißt, man müsste genau wissen, wann sich was auf Veranlassung der Ehefrau zugetragen hat. Ob sich das dann im Rechtsstreit beweisen lässt, bleibt fraglich und kann an dieser Stelle mangels Kenntnis weiterer Einzelheiten des Sachverhalts nicht beurteilt werden.
Und man darf nicht den Inhalt des Scheidungsfolgenvergleichs aus dem Blick verlieren. Dieser Scheidungsfolgenvergleich mit der Unterhaltsverpflichtung "schwebt" quasi immer über Ihnen.
Mit dem Wortlaut des Scheidungsfolgenvergleichs kann man jede Entscheidung bezüglich einer Unterhaltspflicht rechtfertigen.
b)
Soweit Sie von einer Zwangseinweisung sprechen, kann das durchaus zu einer Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs führen. Ob dem so ist, muss anhand des Sachverhalts im Einzelfall geprüft werden.
Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass die notarielle Scheidungsvereinbarung Ende 2011 getroffen worden ist. Der Versuch der Zwangseinweisung war aber nach der Trennung, dürfte mithin vor der Scheidungsfolgenvereinbarung gewesen sei. D. h., Sie waren mit dem Inhalt der Scheidungsfolgenvereinbarung einverstanden, obwohl es den Versuch der Zwangseinweisung gegeben hat. Vor diesem Hintergrund werden Sie den Versuch der Zwangseinweisung nicht mehr als Grund zur Änderung des Scheidungsfolgenvergleichs verwerten können.
c)
Dass Sie im Jahr 2007 einen Drohbrief erhalten haben, ist für die Unterhaltsfrage ohne Belang. Nochmals: Die Unterhaltsvereinbarung wurde im Jahr 2011 getroffen, den Drohbrief gab es im Jahr 2007. D. h., Kenntnis von dem Drohbrief hatten Sie, so jedenfalls verstehe ich die Sachverhaltsschilderung, vor dem notariellen Scheidungsfolgenvergleich.
d)
Beständige Affären können einen Anspruch auf Ehegattenunterhalt beeinflussen. Aber auch hier gilt, dass Ihnen die Affären bekannt waren und dass Sie gleichwohl bereit gewesen sind, einen Scheidungsfolgenvergleich, so wie beschrieben, abzuschließen.
D. h., Sie können sich heute nicht mehr auf Ereignisse berufen, die vor dem Vergleich stattgefunden haben, um daraus Argumente für eine Unterhaltsabänderung im Widerspruch zum Vergleich herzuleiten.
5.
Abschließend sagen Sie, dass Ihnen bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung wesentliche Informationen durch Ihre geschiedene Ehefrau vorenthalten worden seien. Hätten Sie diese Informationen gehabt, hätten Sie die Unterhaltsvereinbarung nicht geschlossen.
Hierzu kann ich leider nichts sagen, da Sie keine Ausführungen zu den Falschinformationen machen.
Aber auch hier habe ich Zweifel, ob eine Änderung der Unterhaltsvereinbarung Aussicht auf Erfolg hat. Schließlich wurde die Scheidungsvereinbarung Ende 2011 getroffen. Für eine Anfechtung käme es darauf an, dass die Anfechtung unverzüglich erklärt wird. Damit stellt sich die Frage, wann Sie von den Falschinformationen der geschiedenen Ehefrau Kenntnis erlangt hatten.
6.
Zusammenfassend muss ich Ihnen leider mitteilen, dass ich aufgrund des geschilderten Sachverhalts kaum eine Möglichkeit sehe, den notariellen Scheidungsfolgenvergleich hinsichtlich der Unterhaltspflicht abzuändern.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanalt
Diese Antwort ist vom 06.02.2015 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Gerhard Raab
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E-Mail:
Vielen Dank für die umfangreiche Antwort:
Die Kenntnis über den Drohbrief hatte ich erst NACH Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung.
Dass es sich um eine auf Dauer angelegte Affäre handelte, wusste ich auch erst NACH Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung.
Auch die finanzielle Schädigung durch den Liebhaber meiner Exfrau war mir erst später klar.
Ändert dieses Ihre Einschätzung?
Gibt es keinen Interpretationsspielraum, weil doch die "verfestigte" Lebensgemeinschaft in der Rechtsprechung mit einer Neuheirat gleichgesetzt wird?
Sehr geehrter Fragesteller,
zu Ihrer Nachfrage nehme ich wie folgt Stellung:
1.
Wenn Sie Kenntnis bezüglich des Drohbriefs erst nach dem Abschluss der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung erhalten haben, wäre möglicherweise an eine Anfechtung der Vereinbarung wegen Irrtums zu denken. Ob eine solche Anfechtung im vorliegenden Fall möglich ist, kann man aber auf der Grundlage der Sachverhaltsschilderung nicht beurteilen.
Zum einen kommt es darauf an, wann nach Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung Sie Kenntnis davon erlangt haben, dass der Drohbrief von Ihrer geschiedenen Ehefrau verfasst worden ist. Die Vereinbarung ist Ende des Jahres 2011 getroffen worden. Wenn Sie beispielsweise im Jahr 2012 Kenntnis von der Drohung erlangt hätten, wäre eine Anfechtung zum jetzigen Zeitpunkt verspätet. Über eine Anfechtung könnte man allenfalls dann nachdenken, wenn sie gerade vor kurzem erst erfahren hätten, dass Ihre geschiedene Ehefrau die Urheberin dieses Drohbriefs gewesen ist.
Das wäre die zeitliche Komponente. Ob der Drohbrief vom Grundsatz her überhaupt geeignet ist, die Frage der Dauer des nachehelichen Unterhalts zu beeinflussen, wird auch vom Inhalt des Drohbriefs abhängen. So macht es einen ganz wesentlichen Unterschied, ob die Ehefrau droht, dass der Vater die Kinder nicht mehr sehen werde, wenn er nicht den gewünschten Ehegattenunterhalt zahle oder ob die Ehefrau beispielsweise droht, wenn ein bestimmtes Verhalten nicht eintrete, müsse der Ehegatte mit dem Tod rechnen, um einmal ein ganz plakativ krasses Beispiel zu nennen.
D.h., über den alleinigen Begriff "Drohbrief" kann man mehr zu dessen rechtlicher Wirkung nichts sagen.
2.
Sie schreiben, erst nach Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung hätten Sie erfahren, dass es sich um eine auf Dauer angelegte "Affaire" handle. Diese Überlegung hilft Ihnen aber nicht weiter.
Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine nichteheliche Lebensgemeinschaft dann als gefestigt im unterhaltsrechtlichen Sinne angesehen werden könne, wenn sie etwa zwischen zweieinhalb und drei Jahren andauert. Dabei kommt es nicht darauf an, was Ihre geschiedene Ehefrau und ihr neuer Lebenspartner geplant haben. So kann man beispielsweise eine spätere Eheschließung planen, obwohl man sich erst wenige Monate kennt. Auf die erwähnte Rechtsprechung der gefestigten Lebensgemeinschaft hat das aber keinen Einfluss. Diese Rechtsprechung stellt darauf ab, wie lange die Lebensgemeinschaft Bestand hat. Auf den Willen und die "Planung" kommt es nicht.
3.
Sie sagen, die finanzielle Schädigung durch den Freund Ihrer geschiedenen Ehefrau sei Ihnen erst später klar geworden. Dieser Satz ermöglicht mir keine rechtlich belastbare Grundlage für eine Prüfung, inwieweit sich hier ein Einfluss auf den Unterhaltsanspruch der Ehefrau ergeben könnte. Hierzu müsste man den Prozess, der mit einem Vergleich beendet worden ist sowohl dem Inhalt nach kennen als auch bezüglich der Zeit, in der der Prozess geführt worden ist. Wenn Sie sagen, die finanzielle Schädigung durch den Freund der geschiedenen Ehefrau sei Ihnen erst später klar geworden, müsste das heißen, dass der Rechtsstreit gegen den Freund nach Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung geführt worden sei. Das geht aber aus der Sachverhaltsschilderung nicht hervor.
4.
Gefestigte Lebensgemeinschaft und Wiederheirat sind auch nach der Rechtsprechung nicht identisch. Die Rechtsprechung (bzw. das Gesetz) besagt, dass der nacheheliche Unterhaltsanspruch endet, wenn der unterhaltsberechtigte ehemalige Ehegatte erneut heiratet oder wenn er sich in einer gefestigten Lebensgemeinschaft befindet.
Genau hier liegt aber das Problem.
Die Scheidungsfolgenvereinbarung besagt ja gerade explizit, die Unterhaltsverpflichtung entfalle nicht bei Aufnahme einer Lebensgemeinschaft, aber im Fall einer Neuheirat. Damit ist meiner Auffassung nach unmissverständlich klargestellt, dass nur dann der Unterhaltsanspruch Ihrer geschiedenen Ehefrau enden soll, wenn diese erneut heiratet.
Eine, vielleicht zu "spitzfindige" Interpretation dieser Vereinbarung möchte ich Ihnen aber nicht vorenthalten. Sie zitieren die Scheidungsfolgenvereinbarung unter anderem folgendermaßen: "Die Unterhaltsverpflichtung entfällt nicht bei Aufnahme einer Lebensgemeinschaft, aber im Falle einer Neuheirat..."
Man könnte nun sagen, dass mit dieser Klausel gemeint sei, dass dann, wenn Ihre Ehefrau eine neue Lebensgemeinschaft aufnehme, die Unterhaltspflicht nicht erlösche. D.h., die Unterhaltspflicht bestehe bei Aufnahme der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, also dann, wenn Ihre geschiedene Ehefrau eine neue Lebensgemeinschaft eingehe. Damit würde gewissermaßen deklaratorisch die Rechtsprechung wiedergegeben. Diese Interpretation würde den zitierten Satz dahingehend einschränken, dass ab einer gefestigten Lebensgemeinschaft der Unterhaltsanspruch entfalle. Wenn eine neue Lebensgemeinschaft begründet werde, bestünde der Unterhaltsanspruch weiter, aber nur solange, bis nach der Rechtsprechung von einer Verfestigung der Lebensgemeinschaft gesprochen werden könne.
Vom Wortlaut her könnte man vielleicht so interpretieren. Ob diese Interpretation aber vom Sinngehalt der Scheidungsfolgenvereinbarung abgedeckt ist, ist zumindest zweifelhaft.
5.
Wenn Sie beabsichtigen, die Frage des Unterhalts neu aufzurollen, werden Sie nicht umhin kommen, einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Eine Internetanfrage kann eine abschließende Prüfung nicht leisten, zumal man mit Sicherheit unterschiedliche Rechtsauffassungen gerade bezüglich des letztgenannten Satzes vertreten kann. Natürlich kann man infrage stellen, ob ein Zusammenleben auf Dauer ohne Trauschein wirklich von Ihnen mitfinanziert werden sollte oder ob die Scheidungsfolgenvereinbarung einfach unglücklich formuliert gewesen ist.
Dieser letztgenannte Satz in der Scheidungsfolgenvereinbarung dürfte meiner Einschätzung nach und auf der Grundlage des hier mir vorliegenden Sachverhalts der einzige Anknüpfungspunkt für einen Änderungsantrag sein.
Um das zu prüfen, gilt es, die gesamten Umstände, die zum Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung geführt haben, auszuloten. Das ist nur in einem umfangreichen persönlichen Gespräch mit einem Rechtsanwalt vor Ort möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab
Rechtsanwalt