Sehr geehrter Fragesteller,
1.
zunächst müsste das Berliner Testament der Ehegatten eingesehen werden, da es auf den genauen Wortlaut ankommt. Handelt es sich bei der gegenseitigen Erbeinsetzung um eine wechselseitige Verfügung konnte der Erblasser nach dem Tode des Erstverstorbenen das Testament grundsätzlich nur dann ändern, wenn er selbst das ihm zugewendete ausgeschlagen hat, wovon ich nach Ihrer Schilderung nicht ausgehe. Das Testament von 1994 wäre somit unwirksam und hätte keinen Einfluss auf die Erbfolge.
2.
Inwieweit Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen oder entsprechend eingesetzt worden sind, untereinander zum Ausgleich von Zuwendungen verpflichtet sind, hängt von der Art der Zuwendung und der Anordnung des Erblassers bei der Zuwendung ab. Handelt es sich bei der Zuwendung um Ausstattung (z. Bsp. zur Verheiratung, Aussteuer etc.), wird die Ausgleichspflicht vermutet; kann aber vom Erblasser ausgeschlossen werden.
Bei anderen Zuwendungen wird vermutet, dass eine Ausgleichspflicht nicht besteht, wenn nicht der Erblasser bei der Zuwendung etwas anderes angeordnet hat.
Dabei ist zu beachten, dass die Anordnung des Erblassers auch stillschweigend oder formlos erfolgen kann, jedoch so, dass der Empfänger der Zuwendung sie erkennen kann. Ob eine solche Anordnung getroffen wurde, bedarf einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen einer Erstberatung nicht geleistet werden kann, da in diesem Falle u.a. die genauen Umstände der Übertragungen beurteilt werden müssen.
Sollte eine Ausgleichspflicht bestehen, erfolgt die Anrechnung nach den gesetzlichen Vorschriften.
Die Ausgleichspflicht besteht unabhängig davon wann die Zuwendung erfolgte.
Eine Anrechnung ist jedoch auf den Wert des zu verteilenden Nachlasses beschränkt.
Daneben hat K1 möglicherweise einen Pflichtteilsergänzungsanspruch für Schenkungen, die in den letzten 10 Jahren durch den Erblasser erfolgten. Ob es sich bei den Übertragungen an K2 um Schenkungen gehandelt hat, kann von hier nicht beurteilt werden. In welcher Höhe ein Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht, ist u.a. abhängig vom Wert des Nachlasses und dem Wert des Vermächtnisses für K1.
3.
Die Bewertung des Nachlasses richtes sich grundsätzlich nach dem Verkehrswert.
Bei Mietshäusern wird grundsätzlich auf die erzielten Mieten abgestellt.
Bei einer selbst genutzten Immobilie wird das Sachwertverfahren angewendet.
4.
Welche Anprüche K1 hat, kann erst beurteilt werden, wenn alle Unterlagen insbesondere das Berliner Testament und das Testament von 1994 eingesehen wurden. Daher rate ich Ihnen, die Ihnen vorliegenden Unterlagen von einem Rechtsanwalt Ihrer Wahl prüfen zu lassen. Gerne steht Ihnen unsere Kanzlei dazu zur Verfügung, wobei die von Ihnen hier gezahlte Erstberatungsgebühr angerechnet wird.
Eine Berechnung kann aufgrund der nicht geklärten Ansprüche (Wirksamkeit Testament 1994, Ausschlagung des Vermächtnisses) und Ihrer Wertangaben nicht erfolgen, da die Bodenrichtwerte nicht mit den Verkehrswerten übereinstimmen - unabhängig davon, dass eine umfangreiche Berechnung wie in Ihrem Falle im Rahmen einer Erstberatung nicht möglich ist.
5.
Schlägt K1 das Vermächtnis aus, kann er den Pflichtteil verlangen. Schlägt K1 nicht aus, so steht K1 ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht.
Schlägt K1 allerdings das Erbe aus, bei UNwirksamkeit des Testamentes von 1994, hat er grundsätzlich keinen Anspruch auf den Pflichtteil.
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Durch Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben Ihrerseits kann die rechtliche Beurteilung anders ausfallen.
Ich hoffe, mit der Beantwortung Ihrer Anfrage, weitergeholfen zu haben.
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Für eine weiterführende Interessenvertretung stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Bordasch
Rechtsanwalt
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Diese Antwort ist vom 30.09.2008 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Ingo Bordasch
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Vielen Dank für die kurzfristige Antwort.
Ad 1: Das Berliner Testament hat einen Passus "Der überlebende Ehegatte ist berechtigt, anderweit letztwillig zu verfügen". Das spätere Testament von 1984 scheint mir somit wirksam. Danach ist Kind K1 nur Vermächtnisnehmer und Kind K2 dagegen Alleinerbe.
Ad 2: Bei Zuwendungen zu Lebzeiten der Erblasserin handelt es sich wie detailliert ausgeführt um Grundbesitz für K1 (ohne Anordnung) und für K2 um Grundbesitz und Kapital.
Hier war die explizite Frage: Welche Schenkungen werden bei Ausgleichspflicht angerechnet? Bei K1 die einmalige Schenkung vor 18 Jahren, bei K2 alle Schenkungen oder nur die der letzten 10 Jahre? Eine Berücksichtigung der Schenkungen an K2 nur in den letzten 10 Jahren (und Nichtbeachtung aller früheren Schenkungen) würde einer Aushöhlung des Pflichtteils durch für K1 bedeuten, wenn dessen erhaltene Schenkung (ohne Anordnung einer Anrechnung oder eines Ausgleichs)weit mehr als 10 Jahre zurückliegt. Wie ist hier die rechtliche Situation? Wäre die Anrechnungssituation anders wenn K1 Erbe und nicht Vermächtnisnehmer wäre?
Ad 3: Bodenrichtwerte bei unbebauten Grundstücken basieren doch auf den Verkehrswerten m.E. Wie wird hier der Verkehrswert berechnet?
Die Klärung der in Ad 2 beschriebenen Fragen scheinen mir vorrangig. Dank für eine diesbezügliche Antwort mir Klarstellung.
Sehr geehrter Fragesteller,
1.
Nach Ihrer Klarstellung erscheint das Testament von 1994, vorbehaltlich einer eingehenden Prüfung, wirksam zu sein.
2.
Ausgleichspflicht:
Wenn das Testament von 1994 wirksam ist, besteht kein Ausgleichsanspruch unabhängig davon ob eine Zuwendung damit beschwert war. Ein Ausgleichsanspruch besteht nur dann, wenn die Abkömmlinge als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen oder entsprechend eingesetzt worden sind. Dies ist im Falle der Wirksamkeit des Testamentes von 1994 nicht der Fall, da K2 Alleinerbe und K1 (nur) Vermächtnisnehmer geworden ist.
Plichtteilsergänzungsanspruch:
Das bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nur Schenkungen der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall berücksichtigt werden ist eine Entscheidung des Gesetzgebers. Ob dies im Einzelfall zu einer Aushöhlung des Pflichtteilsanspruchs führt ist unbeachtlich, da diese zeitliche Grenze beachtet werden muss.
Wenn K1 Erbe und ausgleichsberechtigt wäre, würden alle Zuwendungen, die ausgleichpflichtig sind, beim Ausgleich beachtet werden müssen - unabhängig davon wann die einzelne Zuwendung erfolgte.
3.
Da der Verkehrswert eines Grundstücks von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt wird, kann er vom Bodenrichtwert, als durchschnittlichem Lagewert, abweichen. Der Verkehrswert läßt sich daher nur durch ein Gutachten ermitteln.
Mit freundlichen Grüßen
Ingo Bordasch
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