Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt.
Grundsätzlich besteht ein Vorrang der Erfüllung des Pflichtteilsanspruches vor den Rechten von Vermächtnisnehmern und Auflagenbegünstigten (§§ 2318
, 2319
, 2322 BGB
).
Nach Ihren Schilderungen gehe ich davon aus, dass der Anspruchsgegner in dem von Ihnen angestrengten Rechtsstreit, also der erbende Bruder, von den Regelungen des § 2318 BGB
Gebrauch gemacht hat. Der Erbe ist im Außenverhältnis zu den Pflichtteilsgläubigern allein Schuldner bzw. Gesamtschuldner des Pflichtteils und muss die gegen Ihn geltend gemachten Pflichtteilsforderungen im Grundsatz voll erfüllen.
Ist er also mit Vermächtnissen belastet, wird ihm dies in der Regel nicht möglich sein. Deswegen enthalten die §§ 2318 ff. BGB
Regelungen zu einer Kürzung von Vermächtnissen. Hierbei handelt es sich um eine teilweise Abwälzung der Pflichtteilslast auf den Vermächtnisnehmer. Rechtlich handelt es sich dabei um einen Ausgleich dafür, dass bei der Pflichtteilsberechnung Vermächtnisse und Auflagen nicht abgezogen werden, vgl. § 2311 BGB
.
Die konkrete Kürzung ergibt sich daraus, dass man den Vermächtnisnehmer mit dem gleichen Anteil mit dem er durch das Vermächtnis am Nachlass beteiligt ist an der Pflichtteilslast beteiligt. Besteht daher das Vermächtnis in 50% des Nachlasses, so wird das Vermächtnis um 50% gekürzt.
Aufgrund dieses gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechtes und des Vorranges der Erfüllung der Pflichtteilsansprüche hätte der Nachlaßverwalter vorliegend den Anspruch auf Vollzug des Vermächtnisses nicht vornehmen dürfen und sein Leistungsverweigerungsrecht – wie offenbar ja auch geschehen – geltend machen müssen.
Allerdings ist dieses Kürzungsrecht gemäß § 2318 Abs. 2 BGB
eingeschränkt. Ist nämlich der Vermächtnisnehmer selbst Pflichtteilsberechtigter kann der Erbe das zugewendete Vermächtnis bis zur Höhe des Pflichtteiles nicht kürzen sondern nur den Mehrbetrag der über das Pflichtteil hinausgeht. In diesem Fall hätten Sie also in jedem Fall Ihren Pflichtteil erhalten.
Diese Regelung ist wiederum eingeschränkt durch die Regelung des § 2318 Abs. 3 BGB
. Wenn also der Erbe (also der Anspruchsgegner) selbst pflichtteilsberechtigt ist, weil auch sein Erbteil nicht den Pflichtteil erreicht, ist die Kürzung ohne die Beschränkung des Absatzes 2 der Vorschrift möglich, da das Pflichtteilsrecht des Erben den Vermächtnisnehmern aufgrund der umfassenden Rechtsposition des Erben vorgeht.
Sie sollten im vorliegenden Fall überprüfen, ob anhand des Wertes des Nachlasses und der Pflichtteilsansprüche tatsächlich der Anwendungsbereich der §§ 2318 BGB
mit der damit verbundenen Möglichkeit der Leistungsverweigerung einschlägig gewesen ist.
Diese Antwort ist vom 24.03.2009 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Dennis Meivogel
Tannenforst 3
47551 Bedburg-Hau
Tel: 02821 8995153
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Sehr geehrter Herr RA Meivogel,
vielen Dank für Ihre nachvollziehbare Beantwortung.
Ich gehe davon aus, dass der Nachlaßverwalter tatsächlich aufgrund des gesetzlichen Leistungsverweigerungsrechts und des Vorrangs der Erfüllung der Pflichtteilsansprüche so gehandelt hat.
Was mir noch nicht abschließend einleuchtend geklärt erscheint ist folgendes:
- Da ich ein pflichtteilsberechtigter Vermächtnisnehmer bin, hätte eine Kürzung des Vermächtnisses nur einen evtl. über den Pflichtteil hinausgehenden Mehrbetrag betreffen dürfen. Mein Pflichtteil betrug aber sogar etwas mehr als der Verkaufserlös des mir vermachten Grundstücks. Eine Kürzung hätte also nach §2318 II wohl nicht stattfinden dürfen.
§2318 III war hier nicht einschlägig, da dem erbenden - ebenso wie dem anderen - Bruder ein Grundstück mit dem vielfachen Wert seines Pflichtteils übertragen worden war. Er wurde ja auch gerichtlich zur Zahlung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs an mich und die anderen Pflichtteilsberechtigten verpflichtet.
Allerdings wurde vom Gericht - aufgrund der von einem der beiden beteiligten Grundbuchämter erst einige Wochen nach dem Tod meines Vaters abgeschlossenen Grundbucheintragung - eine vorrangige Haftung des erbenden Bruders als zuletzt Beschenktem nach §2329 III verneint und nur eine anteilige Haftung dieses Bruders beschlossen. Dieser Anteil belief sich nur auf ca. ein Viertel der Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Die anderen drei Viertel hätte demnach theoretisch der andere beschenkte Bruder zu tragen gehabt. Den hatte ich aber im Vertrauen auf die vollständige Erfüllung meines Pflichtteilsanspruchs durch das Vermächtnis sowie Ergänzungsansprüche gegenüber dem erbenden Bruder und die vor Klageerhebung von diesem anderen Bruder stets gezeigte Bereitschaft, einen dem Wert seines Geschenks entsprechenden Anteil der Pflichtteilsansprüche zu übernehmen, nicht verklagt.
Nachdem dessen Rechtsauffassung, dass der erbende Bruder als zuletzt Beschenkter vorrangig hafte, zu seinem Ärger von den Gerichten nicht bestätigt worden ist, und nachdem ihm so ein Großteil der von ihm aus abgetretenen Recht meiner Mutter und Schwestern geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht erfüllt worden sind und ihm somit viel Geld entgangen ist, möchte er nun nicht auch noch meinen Restanspruch erfüllen, also noch zahlen. Er deutet an, dass er Verjährung einwenden würde, wenn ich auf eine Zahlung von ihm bestehen würde.
Ein eigens meine Interessen vertretender Anwalt hätte wohl bei Klageerhebung entweder den zweiten Bruder hilfsweise mitverklagt, oder sich zumindest einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung schriftlich geben lassen. Leider hatte ich mich aber vertrauensvoll vom Anwalt dieses zweiten Bruders mitvertreten lassen. Insofern verbleibt mir nur die Frage, ob ich nicht schon einen Anspruch auf Erfüllung des Vermächtnisses - und damit dann auch meines Pflichtteils - hatte.
Die für mich noch nicht gänzlich geklärte Frage lautet also:
- Hätte der Nachlaßverwalter, da eine Kürzung meines Vermächtnisses wegen meines dessen Wert übersteigenden Pflichtteils nicht statthaft war, mir das Vermächtnis erfüllen dürfen oder müssen - auch wenn die anderen Pflichtteilsansprüche dann noch weniger aus dem Nachlaß zu befriedigen gewesen wären?
- Hätte der Nachlaßverwalter mir also das vermachte Grundstück übergeben dürfen oder müssen - und damit die anderen Pflichtteilsberechtigten zu einem höheren Maße auf deren Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den zuletzt Beschenkten oder die Beschenkten verweisen dürfen?
- Oder durfte er das vermachte Grundstück verkaufen und den Erlös unter allen Pflichtteilsberechtigten teilen, obwohl mein Pflichtteil dessen Wert überstieg?
- Hat also der Vorrang der Pflichtteilsansprüche gegenüber Vermächtnisansprüchen auch in diesem Falle zur Folge, dass das Vermächtnis nicht erfüllt werden muß und der pflichtteilsberechtigte Vermächtnisnehmer auf reine Geldansprüche verwiesen werden kann oder sogar muß?
Schon im Voraus vielen Dank für die nachvollziehbare Beantwortung auch meiner Nachfrage!
Sehr geehrter Fragesteller,
auf Ihre Nachfrage hin gebe ich Ihnen weitere Informationen.
Der Pflichtteilsanspruch bzw. Anspruch auf das Vermächtnis ist gegen den oder die Erben geltend zu machen.
Durch die im vorliegenden Fall angeordnete Nachlassverwaltung haben die Erben für die Dauer der Nachlassverwaltung ihr Verfügungs- und Verwaltungsrecht an dem Nachlass verloren.
Der Nachlassverwalter ist aber nicht Adressat der o.g. Ansprüche (Pflichtteil/Vermächtnis) sondern muss seine Aufgaben erfüllen. Seine Hauptaufgabe ist die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten aus dem Nachlass. Somit bereinigt der Verwalter den Nachlass und gibt diesen danach an die Erben heraus.
Ohne eine Kenntnis der konkreten Fallgestaltung kann abschliessend nicht geklärt werden, ob hier ggfls. Ansprüche gegen Erben falsch oder nicht geltend gemacht worden sind. Ich rate Ihnen dies unter Vorlage aller Unterlagen, Dokumente und Urkunden durch einen Kollegen vor Ort überprüfen zu lassen.
Eine Pflichtverletzung des Nachlassverwalters kann ich auf Grundlage des mitgeteilten Sachverhaltes jedenfalls nicht erkennen.