Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage erinnet mich an einen Fall, den ich vor wenigen Wochen abgeschlossen habe. In meinem Fall war der Vekehrsunfall von 1990. Der vor mir tätige Anwalt hatte in den ersten Jahren nach dem Unfall ca. 4.000 DM von der Versicherung bekommen. Die Mandantin hatte aber schwerste Schäden erlitten, die sich zum Teil erst in den Folgejahren gezeigt haben. Die Versicherung berief sich auf Verjährung. Der vorherige Anwalt hatte seit der Erlangung der DM 4.000 etwa 1992 nichts mehr getan. Ihre Fragestellungen ähneln denen, die ich anlässlich dieses Mandates erörtern musste, stark.
Zu Ihrem Fall:
1. Klage gegen die Versicherung
Eine Klage gegen die Versicherung erscheint aus meiner Sicht schwierig zu sein. Der Schaden geht auf das Jahr 1986 zurück, die Verjährung dauert 3 Jahre. Nichtverjährt können allenfalls solche Schäden sein, die beim Eintritt des schädigenden Ereignisses (1986) nicht vorhersehbar gewesen sind.
Außerdem müsste ich das von Ihnen ziterte Feststellungsurteil sehen. Eine genauere "Ferndianose" ist aus meiner Sicht nicht möglich.
2. Klage gegen den Anwalt
Ansprüche gegen den Anwalt verjähren nach drei Jahren, nachdem der Anspruch entstanden ist, also nachdem der Falschrat erteilt worden ist. Darüber hinaus gibt es die sekundäre Anwaltshaftung, d.h. der Anwalt ist verpflichtet, seinen Mandanten auf die gegen ihn bestehende Anwaltshaftung hinzuweisen (was von den Anwälten nicht immer beachtet wird). Auch diese Sekundärhaftung verjährt nach 3 Jahren. Hat der Anwalt den Falschrat 1986 erteilt, ist die Primärhaftung 1989 und die Sekundärhaftung 1992 verjährt. Eine Tertiärhaftung gibt es nicht. Eine genaue Angabe, wann Ihre Angelegenheit verjährt sein könnte, kann ich nicht machen. Dazu müsste man genau wissen, ob verjährungshemmende oder verjährungsunterbrechende Ereignisse feststellbar sind. Dies ist im Einzelfall sehr schwierig und bedarf eines vollständigen Studiums der Korrespondenz mit Anwalt und Versicherung.
In einem Prozess gegen den Anwalt müssen Sie beweisen, dass Sie ohne seinen Falschrat mehr Schadenersatz bekommen hätten. Der Anwalt wird in einem gegen ihn gerichteten Prozess evtl. einwenden, dass noch gar nicht letztinstanzlich durch ein Gericht entschieden ist, dass sich die Versicherung zu Recht auf Verjährung beruft. Um diesen Beweis zu erbringen, können Sie unter Umständen verpflichtet sein, einen Prozess gegen die Versicherung zu führen.
Es sei noch mitgeteilt, dass der Schädiger alle Schäden für den Geschädigten zu tragen hat, so auch die Differenz zwischen dem was er infolge Unfalls nicht mehr erwirbt. Das ist die von Ihnen angesprochene Differenz zwischen Ihrem letzten Einkommen und dem jetzigen Rentenbezug. Bedenken Sie auch, dass Ihnen die Einkommensanpassungen (inflationsbedingt, tarifvertragsbedingt pp.) ebenfalls zu ersetzen sind. 1000 € sind 2004 weniger wert als 2014.
Bei diesen Verfahren ist ein weiteres - sehr wichtiges Problem - die Prozessfinanzierung. Diese Mandante sind äußerst arbeitsintensiv und erfordern von dem Mandanten regelmäßig einen "langen Atem". Es ist hier sehr sinnvoll, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht. Ansonsten muss der Kläger mit erheblichen Kosten rechnen für den Fall des Unterliegens. Bedenken Sie auch, dass in Ihrem Fall u.U. auch eine Prozessfinanzierung durch eine Versicherung möglich ist, d.h. die Versicherung bezahlt den Prozess und - wenn sie gewinnen - geben Sie einen Teil der Forderung an die Versicherung ab.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein Paar Tips geben.
In diesem Sinne verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Rolf Tarneden
Rechtsanwalt aus Hannover
tarneden@wieck-zimmermann.de