Sehr geehrter Ratsuchender,
1.Gemäß § 199 Abs. 1 Ziff. 2 BGB
ist die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände notwendig. Kenntnis setzt danach nicht voraus, dass der Gläubiger alle Einzelheiten der dem Anspruch zugrunde liegenden Umstände überblickt. Es genügt, dass er den Hergang in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet, BGHZ 97, 97
, 111 = NJW 1986, 2309
, 2312.
2.Nach Ihrer Schilderung hatte der Anspruchsinhaber erst im Juli 2006 Kenntnis von diesen Umständen, weshalb auch die Verjährungsfrist erst Ende 2006 beginnt.
3.Der maßgebliche Aspekt wird hier sein, ob der Anspruchsinhaber grob fahrlässig keine Kenntnis der maßgeblichen Umstände hatte. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und der Gläubiger auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, BGH NJW-RR 1994, 1469
, 1471; NJW 1992, 3235
, 3236. Bei einem Unternehmen, das die Pflicht zur Buchführung hat, ist fraglich, ob die falsche Abrechnung nicht bei der Jahresprüfung der Bücher hätte endeckt werden müssen. Hier müssten Sie noch den Sachverhalt näher schildern, wie es sein konnte, dass die Abrechnung über Jahre übersehen wurde. Das Unternehmen müsste für die einzelnen Jahre eine Prüfung der offenen und bezahlten Rechnungen anstellen, im Rahmen dieser Prüfung hätte so eine falsche Berechnung entdeckt werden müssen, was wiederum für die grob fahrlässige Unkenntnis spricht und damit für die Verjährung der Ansprüche aus 2002. Die Ansprüche aus 2003 verjähren erst Ende diesen Jahres und können noch geltend gemacht werden.
4.Die Gegenseite kann darüber hinaus damit argumentieren, dass der Fehler des Mitarbeiters bei Erstellung der falschen Rechnungen zu Lasten des Arbeitgebers geht und somit die Berufung auf die Unkenntnis gegen Treu und Glauben verstößt.
5.In der Kürze der Zeit konnte kein höchstrichterliches Urteil gefunden werden, das einen ähnlich gelagerten Fall behandelt. Es gibt einen Artikel in der IBR (Immobilien und Baurecht, 2002, Heft 1, der sich mit der Frage der mißbräuchlichen Berufung auf Unkenntnis eines Mangels befasst. Hier können gegebenenfalls Paralelen gezogen werden.
6.Unterstellt man, dass hier grob fahrlässige Unkenntnis vorlag, kann mit den bereits verjährten Forderungen aufgerechnet werden, wenn die Forderung im Zeitpunkt der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war, § 215 BGB
, Palandt, Heinrichs, § 215 Rn. 2. Hier besteht aber wiederum für die Gegenseite die Möglichkeit einzuwenden, dass wegen Treu und Glauben die Aufrechnung verwirkt ist. Dagegen könnte der Anspruchsinhaber wiederum vortragen, dass der Vertragspartner aufgrund seiner eigenen Vertragsverletzung (fehlender Hinweis auf den Abzug des geringeren Skontos) nun nicht das Argument "Treu und Glauben" hervorholen kann.
Ich hoffe, diese Ausführungen haben Ihnen bei Ihrem rechtlichen Problem weitergeholfen.
Für eine weitere Beratung stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen
Nina Heussen
Rechtsanwältin
Weiler Rechtsanwälte
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kanzlei@weiler-rechtsanwaelte.de
Abschließend darf ich mir erlauben, noch auf Folgendes hinzuweisen:
Meine Auskunft bezieht sich nur auf die Informationen, die mir zur Verfügung stehen. Eine umfassende Sachverhaltsermittlung ist für eine verbindliche Einschätzung unerlässlich. Diese Leistung kann im Rahmen der Online-Beratung nicht erbracht werden.
Darüber hinaus können eine Reihe weiterer Tatsachen von Bedeutung sein, die zu einem anderen Ergebnis führen. Bestimmte Rechtsfragen wie z. B. die Frage der Verjährung oder von Rückgriffsansprüchen gegenüber Dritten etc., können mit dieser Auskunft nicht abschließend geklärt werden, da es hier auf die Details im Einzelfall ankommt. Ferner sind verbindliche Empfehlungen darüber, wie Sie Ihre Rechte durchsetzen können, nur im Rahmen einer Mandatserteilung möglich.
Diese Antwort ist vom 25.08.2006 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwältin Nina Marx
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Vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Nachfrage:
Die entsprechenden Rechnungen wurden bei Zahlung und später mehrfach durch Mitarbeiter der Buchhaltung geprüft. Diese Prüfung fand aber immer im Hinblick auf die im Buchhaltungsprogramm vorgegebenen Konditionen statt. Eine Überprüfung ob die Konditionen im Stystem mit den Konditionen im schriftlichen Vertrag übereinstimmen ist damals nicht erfolgt. Sofern sich Konditionen nicht ändern, erfolgt solch eine Abgleich zwischen Verträgen und Eingaben im System manchmal über Jahre nicht. Deshalb ging man davon aus, dass alle Rechnungen richtig abgerechnet wurden. Ist danach von grob fahrlässiger Unkenntnis des Unternehmens auszugehen, so dass die Ansprüche aus 2002 verjährt wären ?
Vielen Dank !
Letzenendes wird das Gericht hier eine Abwägung treffen.
Aufgrund des Vertragsverhältnisses und der sich daraus ergebenden Sorgfaltspflichten ist zumindest die Argumentation der Gegenseite nachvollziehbar. Wenn Sie eine schlüssige Klage mit überzeugenden Argumenten einreichen, in der Sie belegen, dass sorgfältig gearbeitet wurde und auch aufgrund der Gesamtumstände der Fehler der falschen Eingabe nachträglich nicht auffallen musste, haben Sie durchaus Chancen. Sie müssen einen fähigen Anwalt an die Klage setzen und gut argumentieren. Alle sonstigen Aussagen sind rein spekulativer Natur, weil die Abwägung einzig das Gericht trifft.
Mit freundlichen Grüssen
Nina Heussen
Rechtsanwältin