Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Ich gehe nach Ihrer Schilderung davon aus, dass hier entweder ein Lagervertrag gemäß der §§ 467 HGB
(wenn die Lagerung und Aufbewahrung zum Betrieb eines gewerblichen Unternehmens gehörten) oder ein Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB
) über die Gegenstände geschlossen wurde. Unabhängig von der vertraglichen Einordnung hat der Lagerhalter bzw. Verwahrer nach Beendigung der vereinbarten Lagezeit einen Anspruch auf Rücknahme der Gegenstände (§ 473 HGB
bzw. § 496 BGB). Dieser Anspruch kann auch gerichtlich durchgesetzt werden, allerdings ist in Ihrem Fall problematisch, dass die Adresse des Hinterlegers nicht bekannt ist. Grundsätzlich gibt es für solche Fälle die Möglichkeit einer öffentlichen Zustellung, § 185 ZPO
. Dies setzt allerdings voraus, dass der Anspruchsinhaber zunächst alle im bisherigen Lebenskreis des Zustellungsempfängers aufscheinenden Möglichkeiten einer Klärung dessen derzeitigen Aufenthaltes nutzen und alles tun muss, was eine verständige, an der wirtschaftlich sinnvollen Durchsetzung berechtigter Ansprüche interessierte Partei tun würde, gäbe es die Möglichkeit öffentlicher Zustellung nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.02.2006 – 24 W 11/06
). Es kommt insofern also immer auf den konkreten Einzelfall an. Bei Ihnen wäre wohl neben einer Anfrage beim Einwohnermeldeamt die Suche nach einem vollständigen Lagerschein in den Unterlagen des Verstorbenen geboten. Auch die Nachfrage bei Freunden und Bekannten des Verstorbenen sollte in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn davon auszugehen ist, dass die Lagerung keinen gewerblichen Hintergrund hatte.
Sollten diese Maßnahmen nicht erfolgreich sein, sollte ein Anwalt vor Ort beigezogen werden, um die vorhandenen Unterlagen zu prüfen und ggf. die notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten (soweit sich der Hinterleger wegen Ablaufs der Verwahrungszeit im Verzug befindet, hat er diese Anwaltskosten grundsätzlich zu erstatten).
Von einer Vernichtung der Gegenstände sollte bis zu einer weiteren Klärung abgesehen werden. Zwar befindet sich der Hinterleger mit Ablauf der Verwahrungszeit üblicherweise im Annahmeverzug und muss Ihnen daher insbesondere die Kosten für die weitere Einlagerung ersetzen; er bleibt allerdings Eigentümer der Gegenstände und hat insofern noch immer die Verfügungsrechte. Sein Rückforderungsrecht verjährt zumindest bei einem Verwahrungsvertrag auch grundsätzlich erst 3 Jahre nach Rückforderungstermin, § 695 BGB
. Eine vorzeitige Vernichtung kann daher erhebliche Schadensersatzansprüche auslösen. In diesem Zusammenhang rate ich abschließend auch dringend an, ein Bestandsverzeichnis der eingelagerten Gegenstände anzufertigen.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 05.05.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Guten Tag Herr Wilking,
vielen Dank für die ausführliche Analyse und Beratung. Ich habe bereits alle Bekannten des Verstorbenen gefragt, niemand kannte die Eigentümerin. Es muß eine Zufallsbekanntschaft gewesen sein. Wenn ich also keinen Erfolg haben werde bei der weiteren Suche, müsste ich entsprechend § 695 BGB drei Jahre auf eigene Kosten lagern, ohne Gewissheit zu haben, daß sich die Eigentümerin innerhalb dieser Frist meldet, und dann zusätzlich noch die Entsorgungskosten tragen ? Das kann doch nicht rechtens sein.
Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Wie geschrieben bleibt Ihnen ggf. die Klage auf Rücknahme im Wege der öffentlichen Zustellung, dies sollte aber erst nach Rücksprache mit einem Kollegen vor Ort geschehen. Ansonsten besteht immer eine Regressgefahr, auch wenn es ungerecht erscheint. So hat der Bundesgerichtshof z.B. mit Urteil vom 14. Juli 2010 – VIII ZR 45/09
einen Vermieter zu fünfstelligem Schadensersatz verurteilt, weil er eine Wohnung eigenmächtig geräumt und die Sachen entsorgt hat, obwohl der Mieter seit Monaten keine Miete mehr gezahlt hatte und unbekannt ins Ausland verzogen war.
Die Kosten für Verwahrung und Entsorgung hat bei Verzug ja im Endeffekt der Eigentümer zu zahlen, wobei aber bei einem unbekannten Eigentümer die Durchsetzung natürlich schwierig wird. Da aber aus Ihren Unterlagen nicht einmal zweifelsfrei hervorzugehen scheint, dass der Verwahrvertrag tatsächlich am 24.04.2012 automatisch enden sollte oder ggf. nur bis zu diesem Zeitpunkt eine Vorauszahlung abgegeben wurde, müsste der Verwahrungsvertrag eventuell sogar zunächst gekündigt bzw. die Rücknahme der Gegenstände vom Eigentümer verlangt werden (was ebenfalls durch öffentliche Zustellung möglich ist, § 132 BGB
). Aus diesem Grund dürfte auch eine Eigentumsaufgabe (§ 959 BGB
) nicht nachweisbar sein.
Es tut mir leid, Ihnen keine positivere Auskunft geben zu können, hoffe aber dennoch, Ihnen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Der Rücknahmeanspruch des Verwahrers ergibt sich aus § 696 BGB (nicht § 496). Ich bitte den Tippfehler zu entschuldigen.