Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auf Grundlage der von Ihnen mitgeteilten Informationen im Rahmen einer rechtlichen Ersteinschätzung beantworten möchte. Bitte beachten Sie, dass diese Beratung eine tiefergehende anwaltliche Prüfung nicht ersetzen kann oder soll.
Ich differenziere in meiner Antwort zwischen dem Urlaub aus 2011 und aus 2012.
1.) Urlaub 2011:
Grundsätzlich verfällt der Urlaubsanspruch am Ende des Kalenderjahres, also am 31.12. des Kalenderjahres.
Die Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr stellt nach dem BUrlG die Ausnahme dar. Sie kommt nur in Betracht, wenn dringende betriebliche Gründe oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe, z.B. Krankheit, dies rechtfertigen . Wenn der Urlaub ausnahmsweise übertragen wird, ist er jedoch in den ersten drei Monaten des Folgejahres (d.h. bis 31.3.) zu nehmen, ansonsten erlischt er.
In dem von Ihnen geschilderten Fall lag Arbeitsunfähigkeit zum Ende des Jahres 2011 und Anfang 2012 vor, so dass eine Übertragung des Urlaubs 2011 bis zum 31.03.12 erfolgt ist.
Der Urlaubsanspruch verfällt jedoch auch über den 31.03. des Folgejahres nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt war und er den Urlaub daher nicht nehmen konnte (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 24.3.2009, Az.: 9 AZR 983/07
).
Allerdings hat das BAG (und diese Rspr. wurde durch den EuGH bestätigt)dem unbegrenzten Ansammeln von Urlaub Einhalt geboten:
die Übertragung von Urlaub findet nicht unbegrenzt statt, sondern der Urlaubsanspruch verfällt 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres, also zum 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres (BAG, Urteil vom 7.8.2012, Az.: 9 AZR 353/10
). Sowohl der EugH als auch das BAG haben eine entsprechende tarifvertragliche Übertragungsregelung mit einer Begrenzung auf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres für wirksam erachtet.
Dieser Rspr. folgend wäre Ihr Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2011 spätestens zum 31.03.2013 verfallen.
Aus Ihrer Sachverhaltsschilderung lässt sich nicht entnehmen, ob Sie den Urlaub aus 2011 vor oder nach dem 31.03.2013 geltend gemacht haben. Sollte der Urlaub erst nach dem 31.03.2013 beantragt worden sein, wäre er verfallen.
2.) Urlaub 2012:
Entsprechend den Ausführungen unter 1.) folgend, würde der Urlaub aus 2012 erst zum 31.03.2014 verfallen.
Allerdings ist hier zu differenzieren zwischen dem Urlaubsanspruch aus BUrlG und aus Tarif- oder Arbeitsvertrag.
Der gesetzliche Urlaubsanspruch aus BUrlG (24 Werktage pro Jahr) für das Jahr 2012 ist der Rechtsprechung des BAG und des EuGH folgend noch nicht verfallen und kann demzufolge von Ihnen noch geltend gemacht werden.
Leider kann ich Ihrer Sachverhaltsschilderung nicht entnehmen, ob und wie viel zusätzlichen -über den Anspruch nach BUrlG hinausgehenden- Urlaubsanspruch Sie besitzen.
Da Sie nach Ihren Angaben dem Tarifvertrag für den Einzelhandel in Bayern unterliegen, haben Sie einen über den gesetzlichen Anspruch hinausgehenden tariflichen Jahresurlaubsanspruch von 36 Werktagen ab dem 31. Lebensjahr (d.h. 12 zusätzliche Werktage).
Dieser zusätzliche tarifliche Urlaubsanspruch ist entgegen der Auskunft der Personalabteilung nicht verfallen:
die Rspr. des BAG und des EuGH bezieht sich zunächst nur auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch. Der über den gesetzlichen Urlaubsanspruch d.h. tarifliche Urlaubsanspruch hinausgehende Urlaubsanteil unterliegt grds. ebenfalls den Regeln für den gesetzlichen Urlaubsanspruch d.h. es erfolgt ebenfalls eine Übertragung bis zum 31.03 des auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres.
Die Tarifvertragsparteien sind allerdings frei darin, abweichende Regelungen zu vereinbaren.
Gemäß § des Manteltarifvertrag für die Beschäftigten im Einzelhandel in Bayern vom
30.01.2006 in der Fassung vom 16. Juni 1997 (von der Arbeitgeberseite zum 30.04.2013 aufgekündigt, aber nachwirkend) haben die Tarifvertragsparteien in Ziffer 12 des MTV eine entsprechende abweichende Regelung nicht getroffen.
Insofern ist auch der tarifliche Urlaubsanspruch nicht verfallen sondern wird bis zum 31.03.2014 übertragen.
Zusammenfassend für den Urlaub für das Jahr 2012 gilt: der gesetzliche sowie der tarifliche Urlaubsanspruch verfällt erst zum 31.03.2014.
Ich kann leider keine Aussagen zu einem etwaigen zusätzlichen arbeitsvertraglichen Urlaubsanspruch machen, da hierzu Angaben im Sachverhalt fehlen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Enseling, Rechtsanwältin
Diese Antwort ist vom 05.05.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrte Rechtsanwältin,
vielen Dank für Ihre Ausführung und schnelle Antwort.
Ich würde gerne wissen ob es stimmt: Enthält ein Tarifvertrag diesbezüglich keine Regelungen, beträgt der Übertragungszeitraum 18 Monate.
Mit freundlichen Grüssen
Sehr geehrter Ratsuchender,
die Frage, welcher Übertragungszeitraum gilt, wenn der einschlägige Tarifvertrag keine spezielle Regelung über den Verfall des Urlaubs bei Arbeitsunfähigkeit über das Ende des Kalenderjahres hinaus, enthält, ist derzeit strittig. Es gibt derzeit auch noch keine erst- oder zweitinstanzlichen Urteile, die diese Frage behandeln.
Nach meiner Auffassung wird man jedoch bei fehlender Regelung eines Übertragungszeitraums im Tarifvertrag von einem 15 monatigen Übertragungszeitraum ausgehen müssen. Dies gebietet aus meiner Sicht die unionsrechtlich konforme Auslegung des Tarifvertrages vor dem Hintergrund des Urteils des EuGH (Urteil vom 22.11.2011, C-214/10
).
Ich möchte jedoch auch darauf hinweisen, dass es einzelne Stimmen in er Literatur gibt, die im oben bezeichneten Fall sogar von einer uneingeschränkten Übertragung des Urlaubs ausgehen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Auskunft helfen und würde mich über eine positive Bewertung freuen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.
Viele Grüße
Andrea Enseling
Rechtsanwältin