Sehr geehrte Fragestellerin, sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage beantworte ich anhand der von Ihnen gemachten Angaben wie folgt summarisch:
Für die Frage der Wirksamkeit des Beschlusses einer Mitgliederversammlung kommt es auf den Schutzcharakter der Satzungsvorschrift, gegen die verstoßen wird, an.
Bei Verstößen gegen Bestimmungen, die dem gemeinschaftlichen Interesse der Mitglieder an einer ordnungsgemäßen Willensbildung dienen, ist der Beschluss regelmäßig nichtig.
Bei Verstößen gegen Bestimmungen, die sich als Schutzbestimmung zugunsten einzelner Mitglieder darstellen und kein übergeordnetes Interesse schützen, muss der Verstoß ausdrücklich gerügt werden. Er ist dann fehlerhaft und kann angefochten werden.
Die Gerichte sind sich bei einem Verstoß gegen satzungsmäßige Ladungsfristen durchaus uneinig, ob hierbei eine Nichtigkeit vorliegt (vgl. BayObLG, NJW-RR 2002, 1612; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 684; LG Gießen Rpfleger 1998, 523) oder lediglich eine Fehlerhaftigkeit bzw. Anfechtbarkeit (vgl. LG Bremen, Rpfleger 1990, 466). Insoweit tendiere ich jedoch dazu, der ersten Auffassung zuzustimmen, da eine angemessene Ladungsfrist allen Mitgliedern die Möglichkeit geben soll, rechtzeitig von der Mitgliederversammlung Kenntnis zu nehmen, sich auf diese vorzubereiten und so die Mitgliedsrechte wahrzunehmen.
Die Rechtsprechung verneint jedoch auch bei einem schweren Verfahrensverstoß eine an sich eintretende Nichtigkeit, wenn der Verein nachweist, dass der Beschluss nicht auf dem Verfahrensverstoß beruht (vgl. BGH NJW 1973, 235; OLG Köln OLGZ 1983, 207; BayObLG NZM 1999, 130; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 684).
Auf Nummer sicher gehen Sie, wenn Sie den Beschluss unter Hinweis auf die nicht eingehaltene Satzungsfrist gegenüber der Mitgliederversammlung rügen.
Die Nichtigkeit eines Beschlusses können Sie im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Die Rechtsprechung verlangt aber, dass die Frage der Wirksamkeit des Beschlusses innerhalb angemessener Frist geklärt sein muss (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1997, 989: eine Frist von annähernd vier Monaten ist zu lang).
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Prüfung der Rechtslage eine erste rechtliche Orientierung vermittelt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen