Unterlassene Hilfeleistung? Verletzung der Berufspflicht?

Question

Sehr geehrte Damen und Herren,    ich hätte gerne eine Einschätzung Ihrerseits zu folgendem Szenario:  Ein Patient mit dem Verdacht auf eine Peritonitis, also eine Bauchfellentzündung wird in die Notaufnahme eines Krankenhauses in die Urologie gebracht, da vor 3 Monaten eine Entfernung der Blase mit künstlichen Ausgang in einem anderen Haus durchgeführt wurde. Der diensthabende Urologie veranlasst umgehend noch bei Patientenübergabe und vor Untersuchung die Ummeldung auf &#8222;chirurgisch", da er die urologische OP als Fokus für unwahrscheinlich hält und es eben alle möglichen Gründe haben könnte, wie Blinddarm, Galle, Divertikulitis etc. Diese Krankheitsbilder sind nicht Bestandteil der urologischen Facharztausbildung. Um eine vollumfängliche und schnelle Versorgung zu gewährleisten, wies der Urologe an, den Patienten umgehend dem diensthabenden Chirurgen vorzustellen. Dieser ist mit dem Vorgehen nicht einverstanden, schließlich wurde der Patient urologisch eingewiesen. Nachdem eine sonografische Untersuchung stattfand und bis auf eine Dilatation des Nierenbeckens nichts gefunden wurde, erfolgte die Übernahme durch den Urologen. Bei künstlichem Ausgang kommt es häufig zu sogenannten Nierenektasien, diese sind jedoch in der Regel unproblematisch. Es erfolgte dennoch die weitere Diagnostik durch den Urologen sowie die stationäre Aufnahme. Der Chirurg wirft dem Urologen nun vor, er habe die Untersuchung verweigert. Hat der Urologe hier tatsächlich falsch gehandelt? Mit welchen Konsequenzen muss er rechnen?

Rechtsanwalt Matthias Richter · Accepted Answer

Sehr geehrter Fragesteller,    Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:    1. Eine Strafbarkeit liegt nicht vor.    &#167; 323c StGB    &lpar;1&rpar;&#8239;Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.    &lpar;2&rpar;&#8239;Ebenso wird bestraft, wer in diesen Situationen eine Person behindert, die einem Dritten Hilfe leistet oder leisten will.    Diese Hilfspflicht müsste zum Tatzeitpunkt für den Täter erforderlich und zumutbar gewesen sein. Erforderlich ist sie, wenn aus der Sicht eines objektiven Beobachters die Hilfeleistung geeignet und notwendig ist, um drohende Schäden abzuwenden.    In Ihrem Fall hat der Urologe eine andere Ursache für wahrscheinlicher gehalten und wollte dem Patienten eine erfolgsversprechendere Behandlung zuteil werden lassen. Diese Behandlung durch den Chirurgen war auch im Krankenhaus ohne Zeitverzögerung möglich, ohne dass dadurch mit weiteren Schäden gerechnet werden musste.     Ein vorsätzliches Unterlassen liegt hier nicht vor.  Der Straftatbestand kann nur vorsätzlich erfüllt werden.    2. Verstoß gegen Berufspflicht    Handelt es sich um einen Patienten, der sich in einem akuten Zustand befindet, also einen Notfall darstellt, darf der Arzt ihn nicht abweisen.    Doch keine Regel ohne Ausnahme:    Sollte die notwendige Behandlung nicht dem Fachgebiet des Mediziners entsprechen, sprich er verfügt nicht oder nicht ausreichend über die jeweilige Fähigkeiten oder medizinischen Kenntnisse, dürfen Arztpraxen den jeweiligen Patienten ablehnen und an einen Fachmann verweisen.    Genau das hat der Urologe getan.  Es gab Streit über die Ursachen und die erforderlichen Kenntnisse, aber es ist auch hier kein vorsätzlicher Verstoß vor. Der Patient wurde ja schließlich auch vom Urologen behandelt.  Konsequenzen von der Ärztekammer sehe ich hier nicht.    Allerdings hat sich der Urologe nicht einwandfrei verhalten und das sollte auch intern besprochen werden. Denn er kann den Patienten nicht einfach ohne Untersuchung "weiterschicken".  Denn auf die Diagnosen der Hausärzte, die eine Einweisung für ihre Patienten erreichen wollen, kann er sich nicht so einfach verlassen. Er hätte schon abklären müssen, dass es nicht in sein Fachgebiet fällt, so wie es ja auch letztendlich gekommen ist.    Wäre durch die Verzögerung ein Schaden entstanden, hätte er dies zu vertreten.    Er hat also Glück gehabt, dass nichts schlimmeres passiert ist.    Aber der Chirurg hat hier - meines Erachtens - auch überreagiert.  Es hätte genügt, diesen Vorfall als Präzedenz zu nehmen, um abzuklären, wie man sich bei fächerübergreifenden Sachverhalten/Einweisungen in Zukunft verhalten soll, damit solche Verzögerungen vermieden werden können.    Aber ich denke, der Urologe hat seine Lektion gelernt.    Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.    Mit freundlichen Grüßen  RA Richter

Unterlassene Hilfeleistung? Verletzung der Berufspflicht?

Medizinrecht

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