Sehr geehrte Fragestelle,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1.
Das ambulante betreute Wohnen unterfällt der Eingliederungshilfe nach §§ 53
ff. SGB XII. Zwar ist es dort nicht ausdrücklich genannt, jedoch ergibt sich schon aus § 98 Abs. 5 SGB XII
, dass auch diese Hilfe darunter zu fassen ist. Der betreute Mensch soll mit dieser Hilfe so weit wie möglich befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter erreichen zu können. Die Formen des betreuten Wohnens können sehr vielfältig sein. Sie reichen vom Orientierungstraining über die Begleitung in die nähere Umgebung bis zu einzelnen, durch fachlich geschulte Personen vorgenommene Betreuungsleistungen bis zum Wohnen in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen, als Einzelperson bzw. Paar oder in Wohngemeinschaften.
Die Hilfeleistungen werden in §§ 53
ff. SGB XII nicht abschließend beschrieben. Es kommen grundsätzlich alle Leistungen in Betracht, um das Ziel zu erreichen. Insbesondere gibt es auch die Möglichkeit des persönlichen Budgets nach § 57 SGB XII
: Die Leistungsberechtigte kann dann anstelle von Dienst- oder Sachleistungen zur Teilhabe ein Geldbudget wählen, aus dem sie eigenverantwortlich die Aufwendungen bezahlt, die zur Deckung ihres persönlichen Hilfebedarfs erforderlich sind. Sie kann so selbständig und selbstbestimmt regeln, welche Leistungen welches Leistungserbringers sie wann in Anspruch nimmt. Dazu gibt es nach § 11 Abs. 2 Satz 4 SGB XII
eine Budgetberatung des Sozialhilfeträgers, wenn es geboten ist.
Als Regelbedarf (Hilfe zum Lebensunterhalt) würde Ihre Tochter daneben aktuell 416 € monatlich erhalten (= Regelbedarfsstufe 1).
2.
Siehe 1. Das betreute Wohnen müsste zunächst eine geeignete Hilfe sein, die der seelischen Behinderung Ihrer Tochter entspricht. Zu beachten ist dann das Wunsch- und Wahlrecht des Hilfesuchenden gemäß § 9 Abs. 2 SGB XII
.
3.
Obdachlosigkeit ist selbstverständlich vom Sozialhilfeträger zu vermeiden. Sie sind auch nicht verpflichtet, ein volljähriges Kind weiter bei sich wohnen zu lassen. Das hat der Sozialhilfeträger zu berücksichtigen.
4.
Verbleibt Ihre Tochter in Ihrem Haushalt, so hätte sie weiterhin dem Grunde nach Anspruch auf bedarfsbezogene Sozialhilfe.
5. und 6.
Ihre Tochter ist volljährig. Deshalb bilden Sie mit ihr keine Einsatzgemeinschaft, wenn Sie weiter zusammen in einer Wohnung oder einem Haus leben würden (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII
).
Nach § 94 Abs. 2 SGB XII
geht aber ein pauschalierter Unterhaltsanspruch Ihrer Tochter gegen Sie auf die Behörde in Höhe von maximal 20 Euro für die Hilfe zum Lebensunterhalt (Regelbedarf) und in Höhe von 26 Euro (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) monatlich über, wobei dieser Betrag entsprechend der Anpassung des Kindergeldes ebenfalls prozentual angepasst wird. Derzeit sind das 25,19 Euro und 32,75 Euro, zusammen also 57,94 Euro. Bei einer unbilligen Härte ist der Anspruchsübergang ausgeschlossen – dafür haben Sie aber nichts vorgetragen.
Wenn Sie diesen Gesamtbetrag nicht freiwillig zahlen wollen, müssen Sie gegenüber dem Sozialhilfeträger freilich Ihre Einkommens- und Vermögenssituation offenlegen, wobei der Sozialhilfeträger nur prüft, ob mindestens ein Anspruch in Höhe der beiden Einzelbeträge begründet ist.
7.
Da Sie mit Ihrer Tochter keine Einsatzgemeinschaft bilden (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII
), gelten die Vorschriften des SGB XII über einzusetzendes Einkommen und Vermögen nur für Ihre Tochter. Das bedeutet, dass Ihr Einkommen und Vermögen erst einmal nicht einzusetzen ist – Ausnahme: die Pauschale zu § 94 Abs. 2 SGB XII
, siehe Fragen 5 und 6.
8.
Nein. Siehe 7.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 06.11.2018 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Gero Geißlreiter
Bertha-von-Suttner-Straße 9
37085 Göttingen
Tel: 0551 707280
Web: http://rkm-goettingen.de/gero-geisslreiter-verwaltungsrecht
E-Mail:
Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Vielen Dank für die detaillierten Antworten Herr Geißlreiter , wir hätten aber noch eine Frage:
Unter 5. und 6. schrieben Sie:
"Wenn Sie diesen Gesamtbetrag nicht freiwillig zahlen wollen, müssen Sie gegenüber dem Sozialhilfeträger freilich Ihre Einkommens- und Vermögenssituation offenlegen .......
Wir wären natürlich bereit die Unterhaltspauschalen zu bezahlen. In dem erwähnten Antrag auf Sozialhilfe (https://www.kreis-stormarn.de/lvw/forms/3/32/Sozialhilfeantrag.pdf) den meine Tochter ausfüllen soll, müssen aber die Einkommensverhältnisse und Vermögenserklärungen der Antragstellerin und der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen angegeben werden.
Sind wir denn nicht verpflichtet diese Angaben zu machen, damit der Antrag bearbeitet werden kann ?
Vielen Dank im Voraus.
Das Antragsformular möchte alle erdenklichen Konstellationen eines Sozialhilfeanspruchs erfassen und fragt deshalb alles ab, was bei irgendeiner Anspruchsgrundlage des SGB XII relevant sein könnte.
Das bedeutet, dass Sie keine Angaben zu Ihrer Einkommens- und Vermögenssituation machen müssen, weil diese Daten nicht erforderlich sind, um über den Anspruch Ihrer Tochter entscheiden zu können (Folge: Sie haben den o.g. pauschalierten Monatsbetrag als Unterhaltsleistung zu zahlen).
Das gilt allerdings nicht für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Ihrer Tochter. Diese Daten werden benötigt, wobei sie kein Einkommen hat und die Vermögensfreibeträge auch nicht erreicht werden - die Angaben müssen aber trotzdem gemacht werden.
Beste Grüße!