Sehr geehrter Anfragender,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Eine unbillige Härte wird in diesem Fall wohl nicht vorliegen. So wie Sie den Sachverhalt schildern, hat sich die Mutter ja nicht von dem Kind abgewand und es verstoßen. Die Mutter war einfach gesundheitlich nicht in der Lage, sich um das Kind zu kümmern.
Das Problem der Unterhaltspflicht wird jedoch zumindest in den ersten Jahren nicht gravierend sein. Jeder Unterhaltsanspruch wird immer in einer zweistufigen Prüfungsfolge geprüft:
1. Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten
2. Leistungsfähigkeit des Verpfichteten
Die Unterhaltsbedürftigkeit wird hier unterstellt.
Bei der Leistungsfähigkeit verbleibt dem Pflichtigen Ein Selbstbehalt. In den ersten Jahren der Berufstätigkeit wird somit vermutlich überhaupt keine Zahlungsverpflichtung bestehen. Der Mindestselbstbehalt beträgt in den alten Bundesländern derzeit EUR 1.250. Erst wenn das Netto-Einkommen über diesem Betrag liegt, braucht man sich über die Unterhaltspflicht Gedanken zu machen.
Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weiter geholfen zu haben. Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Breuning
- Rechtsanwalt -
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Antwort auf die Nachfrage vom Anwalt
31.01.2005 | 13:38
Sehr geehrter Anfragender,
die von Ihnen benannte Entscheidung XII ZR 326/01
betrifft einen ganz anderen Sachverhalt. Dort ging es um die Frage, in wieweit der Unterhaltspflichtige sein Vermögen verwerten musste. Die aus § 1601 BGB folgende Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber seiner Mutter stand dem Grunde nach nicht im Streit.
Ich gehe davon aus, dass Sie das Urteil XII ZR 251/01
meinen. Der dort entschiedene Sachverhält ähnelt in der Tat Ihrem Sachverhalt. Es gibt jedoch auch eine wichtige Abweichung. Dort hatte der Berechtigte seine Krankheit durch die Kriegsfolgen erlitten.
Der BGH sah die Inanspruchnahme der Unterhaltspflichtigen Tochter als unbillig
an, weil diese über die Belastungen des Krieges hinaus auch noch auf die Liebe und den Unterhalt des Vaters verzichten musste. Es wurde in dem Urteil ausdrücklich klar gestellt, dass die Unterhaltsansprüche nicht gem. § 1611 BGB verwirkt sind. Nur die Überleitung auf das Sozialamt und die Durchsetzung durch das Sozialamt waren unbillig.
Das Sozialamt hatte noch versucht in der Revisionsinstanz klarzustellen, dass der Berechtigte Vater unverschuldet seinen Pflichten nicht nachgekommen war. Der BGH hatte dieses Argument aufgrund des Verfahrensstandes nicht mehr angenommen. Und im übrigen war der BGH vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Mehrfachbelastung der Auffassung, dass es in diesem Fall darauf nicht ankam.
Weil insoweit die beiden Sachverhalte nicht identisch sind, kann ich Ihnen nicht garantieren, dass die Wertung in Ihrem Fall genauso gezogen werden würde. Die nachfolgende Argumentation sollte - wenn es denn dazu käme - ggf. verwendet werden:
Die Tochter musste aufgrund der Erkrankung der Mutter deren emotionale und materielle Zuwendung entbehren und hat in ihrem gesamten Leben nicht die unter normalen Umständen zu erwartende mütterliche Zuwendung erfahren hat.
Aufgrund dieser Umstände war die Tochter bereits in den Jahren ihrer Kindheit in starkem Maße belastet. Im weiteren Verlauf haben zwischen der Tochter und der Mutter offensichtlich keine Beziehungen mehr bestanden, so daß die Familienbande zumindest stark gelockert waren, falls insoweit nicht sogar eine völlige Entfremdung eingetreten ist.
Wenn die Tochter gleichwohl von dem Träger der Sozialhilfe auf Unterhalt für ihre Mutter in Anspruch genommen werden
könnte, würden dadurch soziale Belange vernachlässigt. Angesichts der Einbußen, die die Tochter aufgrund der Krankheit, von der ihre Mutter betroffen war, zu tragen hatte und der weiteren Entwicklung der Beziehungen zu dieser kann von ihr nicht erwartet werden, im Hinblick auf dessen Unterhaltsanspruch von der öffentlichen Hand in die Pflicht genommen zu werden.
Deshalb würde der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Träger der Sozialhilfe eine unbillige Härte bedeuten (ebenso Schaefer/Wolf aaO § 91 Rdn. 42; vgl. auch Münder aaO § 91 Rdn. 41; BVerwG NDV 1973, 139, 140 für den Fall der Inanspruchnahme eines Großvaters für den Unterhalt eines Enkelkindes, zu dessen Mutter dieser jahrelang keine Verbindung mehr hatte).
Mit freundlichen Grüßen
Kai Breuning