Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Grundsätzlich kann bei einem eigenmächtigen Verlassen des Arbeitsplatzes ( also ohne Abmeldung beim Arbeitgeber) die fristlose Kündigung begründet sein, ohne das es einer vorherigen Abmahnung bedarf (LAG Rheinland- Pfalz, 24.10.07, 7 Sa 385/07
). Nun hat genanntes Urteil aber als Hintergrund, dass der Arbeitnehmer, einfach nur frei machte ohne ersichtlichen Grund. In ihrem Fall haben wir aber leider eine Krankschreibung beider Arbeitnehmer , so dass der erste Anschein dafür spricht, dass eine Artbehandlung während der Arbeitszeit notwendig war.
In der Regel ist bei einem Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten zunächst eine Abmahnung notwendig ( Arbeitsgericht Cottbus in einem Urteil vom 6.10.2009 (Az. 6 Ca 652/09
). Diese ist hier auch auf jeden Fall gerechtfertigt, denn ohne Abmeldung ist ein Verlassen des Arbeitsplatzes ein schwerer Vertrauensbruch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.
Die sichere Variante wäre beide Arbeitnehmer schriftlich abzumahnen und bei Verstoß die fristlose Kündigung anzudrohen und diese bei nochmaligem Verstoß auch auszusprechen. In der Regel zeigt sich, dass Arbeitnehmer, die zu solchen Mitteln greifen, dies wiederholt tun und der nächste Verstoß nicht einmal lange auf sich warten lässt. Sie sollten in die Abmahnung das unerlaubte Verlassen des Arbeitsplatzes sowie auch die Vermutung dass eine Krankheit nicht vorliegt, sondern lediglich eine Freistellung erzielt werden sollte, ansprechen. Dann haben sie nämlich 2 Abmahngründe, die zu bei erneutem Verstoß die Kündigung rechtfertigen.
Eine fristlose Kündigung ist durch die Krankschreibung des Arztes ( und damit einem leider durchaus vorhandenen und zunächst nicht zu entkräftenden Grund) durchaus Risiko behaftet. Hier müsste aufgezeigt werden, dass die Mitarbeiter das Vertrauen des Arbeitgebers missbrauchen, in dem sie Zahnarzttermine einer 16-Jährigen vorschieben. Da ein Zahnarzttermin in der Regel kein Notfall ist und auch nicht wöchentlich wahrzunehmen ist, kann man hier in Frage stellen, ob sich nicht nur eine Freistellung erschlichen werden sollte, zumal der Arztbesuch einer 16-Jährigen nicht zur Freistellung berechtigt. Des Weiteren sollte zwingend aufgezeigt werden, dass sich nach Verneinung der Freistellung eine Freistellung "einfach" besorgt wurde, und zwar unter Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten, in dem ohne Abmeldung der Arbeitsplatz verlassen wurde. Dies sollten sie zwingend in der Personalakte als Notiz aufnehmen. Hier muss dann betont werden, dass die Arbeitszeiten ihrer Kontrolle mangels Abmeldung komplett entzogen sind und das Vertrauen zutiefst erschüttert ist. Dies wiederum können sie damit unterfüttern, dass ihre Arbeitnehmer selbständig Termine bei Kunden wahrnehmen, und sie eine Anwesenheit am Arbeitsplatz somit nur Stichprobenartig realisieren können. Ein gesundes Vertrauen ist also Basis des Arbeitsverhältnisses. Gerade diese Vertrauensbasis ist aber zutiefst gestört, so dass ein Festhalten am Arbeitsvertrag unzumutbar ist (gängige Rechtsprechung, vgl nur LAG Rheinland- Pfalz, 24.10.07, 7 Sa 385/07
). Dies kann Erfolgsaussichten bieten. Im Kern kommt es darauf an, darzustellen, das sie den Arbeitnehmern durch deren Verhalten nicht vertrauen (können), weil der unabgesprochene Arztbesuch nur eine Umgehung der versagten Freistellung darstellt. Das Motto "Wenn ich kein frei bekomme, nehme ich es mir" muss klar herausgearbeitet werden. Als Argument können sie auch anführen, dass sie ein junges Unternehmen sind, und das das unerlaubte Entfernen vom Arbeitsplatz beim Kunden ruf- und geschäftsschädigend und damit wieder unzumutbar ist.
Eine eineindeutige Erfolgsprognose kann ich ihnen leider trotzdem nicht geben, da man dann schauen müsste, was ein Arbeitnehmer entgegen zu setzen hätte. Unterm Strich kommt es hier dann darauf an, wem der Richter eher glaubt.
Fazit
Eine fristlose Kündigung wegen unerlaubten Verlassens des Arbeitsplatzes ist generell möglich. Allerdings besteht ein Anspruch auf Freistellung bei akuter Erkrankung, sprich in einer Notsituation. Damit könnte eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig sein, wenn beide Arbeitnehmer nachweisen können, dass sie plötzlich so schwer erkrankt sind, dass sie zwingend zum Arzt mussten. Dieses Risiko ist in ihrem Fall aufgrund der Krankschreibungen nicht unbeträchtlich, auch wenn eine fristlose Kündigung durchaus nicht von vornherein erfolglos scheint.
Der sichere Weg für sie ist jedoch eine schriftliche Abmahnung unverzüglich an beide Arbeitnehmer per EINWURFeinschreiben zu versenden und im Wiederholungsfall die Kündigung umgehend auszusprechen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 07.11.2017 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Herzlichen Dank für Ihre sehr ausführliche Antwort.
Sie bestätigen mir, was ich schon vermutet hatte.
Das Risiko einer fristlosen Kündigung möchte ich dann nicht eingehen.
Kann ich dann aufgrund dieses Vorfalles (und weiterer Vorfälle) eine fristgerechte Kündigung aussprechen?
(Ich bin Kleinbetrieb mit weniger als 10 Mitarbeitern).
Vorab danke für Ihre Bemühungen.
Mit freundlichen Grüsse
VS
Lieber Fragesteller, gern beantworte ich ihre Nachfrage.
Als Kleinbetrieb dürfte eine fristgerechte Kündigung problemfrei durchgehen. Die Argumentation ist die gleiche wie oben. Auch die übrigen Vorfälle sollten in die Begründung aufgenommen werden. Auch hier muss eine Erschütterung des Vertrauens dargestellt werden.
Ich sehe hier allerdings noch einen weiteren Weg:
Versuchen sie einen Aufhebungsvertrag (unter Unterschreitung der Kündigungsfrist) zu vereinbaren und stellen sie den Arbeitnehmern in Aussicht, dass es bei Nichtunterzeichnung eine Verhaltensbedingte Kündigung (als Folge kann eine Sperre beim Arbeitsamt drohen) sowie eine ausführliche Schilderung im Zeugnis ( Achtung: Wahrheitspflicht, nur dass was sie belegen können) gibt. Vielleicht sind sie die Arbeitnehmer dann auch etwas früher los.
mit freundlichen Grüßen
Doreen Prochnow