Sehr geehrter Ratsuchender,
für ihre Anfrage möchte ich Ihnen danken und diese unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes summarisch wie folgt beantworten:
1a.
Gemäß § 2a Absatz 1 Ziffer 4
Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) sind die Gerichte für Arbeitssachen im sog. Beschlussverfahren zuständig für die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung (z.B. Gewerkschaft). Des Weiteren wird gemäß § 97 Abs. 1 ArbGG
das Verfahren nur auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern (Gewerkschaften) oder Arbeitgebern (Arbeitgeberverbände) oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Landes, auf dessen Gebiet sich die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt, eingeleitet.
Im Klartext heißt dieses, dass auf Arbeitnehmerseite nur Gewerkschaften und nicht einzelnen Arbeitnehmer dieses Verfahren einleiten können.
Es sei der Hinweis erlaubt, dass nach ständiger Rechtsprechung des zuständigen Senates beim Bundesarbeitsgericht (z.B. in der Grundsatzentscheidung vom 14.12.2004 – Az. 1 ABR 51/03
) eine Arbeitnehmervereinigung bestimmte Bedingungen erfüllen muss, um tariffähig und damit eine Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne zu sein. Sie muss als satzungsgemäße Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen Ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt haben und willens sein, Tarifverträge abzuschließen. Sie muss frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Arbeitnehmervereinigung ihre Aufgaben als Tarifpartnerin sinnvoll erfüllen kann. Dazu gehört eine gewisse Leistungsfähigkeit der Organisation.
1b.
Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich aus der obigen Antwort.
1c.
Sollte eine Arbeitnehmervereinigung nicht tariffähig sein, so ist der vereinbarte Tarifvertrag unwirksam. Sollte keine andere vertragliche Regelung im Arbeitsvertrag vorliegen oder keine anderen wirksamen Tarifverträge (z.B. vorherige wirksam geschlossene Tarifverträge) wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden sein, so gilt gemäß § 612 Abs. 2 BGB
die übliche Vergütung als vereinbart. Die übliche Vergütung ist hierbei die für gleiche oder ähnliche Arbeiten an dem betreffenden Ort mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse gewöhnlich gewährte Vergütung. Gleiches gilt für die weiteren Arbeitsbedingungen.
2a.
Grundsätzlich gilt ein Tarifvertrag für die einzelnen Arbeitsvertragsparteien ganz oder in Teilen nur, wenn der Arbeitgeber Mitglied des entsprechenden Arbeitgeberverbandes oder der Arbeitnehmer Mitglied der entsprechenden Gewerkschaft ist.
Tarifverträge können aber auch durch Regelungen im Arbeitsvertrag wirksam in den Arbeitsvertrag des einzelnen Arbeitnehmers mit einbezogen werden, jedoch muss eine solche vertragliche Inbezugnahme bestimmt und eindeutig sein. Ob dieses in Ihrem Fall wirksam geschehen ist, müsste anhand der konkreten Formulierung in Ihrem Arbeitsvertrag geprüft werden.
2b.
Die vor Ihnen zitierte Formulierung im Tarifvertrag soll für beide Vertragsparteien und deren Mitgliedsunternehmen bzw. Gewerkschaftsmitgliedern klarstellen, dass der Tarifvertrag für alle dort genannten Betriebsteile unmittelbare Wirkung hat.
Ich hoffe, Ihnen mit vorstehender Beantwortung einen ersten Überblick verschafft zu haben und wünsche Ihnen für die Klärung der Angelegenheit viel Erfolg.
Ich weise Sie darauf hin, dass das Hinzufügen- oder Weglassen von Sachverhaltsdetails zu einer völlig anderen rechtlichen Bewertung führen kann.
Gern können Sie die Nachfragefunktion nutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Lattreuter
- Rechtsanwalt -
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Diese Antwort ist vom 29.08.2008 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Zu 1: Gut und erschöpfend.
Zu 2:
Der Arbeitgeber ist Mitglied im tarifschließenden Arbeitgeberverband. Es ist anzunehmen, das die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag hinreichend bestimmt und eindeutig ist.
Die Frage ist, ob das obige Zitat zum fachlichen Geltungsbereich geeignet ist die Anwendbarkeit des Tarifes auszuschließen, wenn keine Arbeitnehmerüberlassung im konkreten Fall vorliegt. Führt der fachliche Geltungsbereich eines Tarifvertrages zu einer Beschränkung des zulässigen Bereiches, in dem er arbeitsvertraglich vereinbart werden kann? Anderes, anschaulicheres (möglicherweise überzogenes) Beispiel: Darf eine Bank für ihren Bankkaufmann am Schalter arbeitsvertraglich die Anwendung eines Tarifes vereinbaren, der laut Aussage des Tarifvertrages den fachlichen Geltungsbereich "Gebäudereinigerhandwerk" hat, sofern die Vereinbarung im Gesamtergebnis nicht sittenwidrig wird? (Zugegeben, in diesem Beispiel dürfte die Entlohnung für den Banker wohl sittenwidrig sein, wenn er nur Putzmanntarif bekommt. Es ist nur ein Beispiel.)
Mit freundlichen Grüßen
Fragesteller
P.S. Bewertung kommt...
Sehr geehrter Ratsuchender,
für ihre Nachfrage möchte ich Ihnen danken und diese wie folgt beantworten:
Grundsätzlich kann vertraglich auch auf einen branchenfremden Tarifvertrag verwiesen werden (Bundesarbeitsgericht vom 25.10.2000 – 4 AZR 506/99
). Jedoch ist die Verweisung auf ihre Eindeutigkeit und Bestimmtheit sowie auf eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB
hin zu prüfen. Diese unangemessene Benachteiligung liegt gemäß § 307 Abs. 2 BGB
dann vor, wenn die entsprechende Klausel mit wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Eine solche unangemessene Benachteiligung dürfte in Ihrem Fall vermutlich aber nicht vorliegen.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Lattreuter
- Rechtsanwalt -