Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
Da hier der Hausfrieden ganz erheblich gestört ist und es darüber hinaus zu Tätlichkeiten gekommen ist, haben Sie gegenüber dem untätigen Vermieter naturgemäß auch Rechte.
Hier kommt insoweit zunächst das Mietminderungsrecht in Betracht, dass anlässlich dieser Art von Störungen u.a. Beleidigung zwischen 10-20 % der Bruttokaltmiete betreffen kann.
Ob die eskalierte Tätlichkeit eine fristlose Kündigung ohne Einhaltung der gesetzlichen Frist, sprich ohne 3 monatige Kündigungsfrist zulässig ist, ist schwierig zu sagen.
Hintergrund ist, dass die Tätlichkeit zunächst zwar unter Angehörigen aber auch unter Nichtmietern stattgefunden hat. Bei allem Verständnis ist diese Sachlage nicht unbedeutend, wenngleich auch zuvor Beleidigungen und Bedrohungen gegenüber Ihnen vom Sohn der Nachbarin geltend gemacht wurden.
Gem. §543 I kann jede Partei des Mietvertrages diesen aus fristlos kündigen, sofern ein wichtiger Grund besteht. Dies ist der Fall, sofern die Fortsetzung des Mietverhältnisses unter Abwägung der berechtigten Interessen im Wege der würdigenden Gesamtbetrachtung für die kündigende Partei unzumutbar erscheint.
Hausbewohner, welche wiederholt in einem solch groben Maße gegen die Hausordnung verstoßen, dass ein Wohnen nicht mehr möglich ist, stellen für sich genommen einen Mangel der Mietsache dar. Dies einerseits durch Lärmbelästigung, ebenso Sachbeschädigung, bei Beleidigungen und Bedrohungen sowie Tätlichkeiten. Der Mieter verpflichtet beim Vertragsschluss zur Einhaltung der Hausordnung. Entsprechend kann er bei Bestehen einer Hausordnung davon ausgehen, dass die anderen Hausbewohner diese einhalten. Ist dies nicht gegeben, so weicht dieser Zustand von dem vertraglich vereinbarten Zustand ab. Es ist die Pflicht des Vermieters gegenüber anderen Hausbewohnern die Hausordnung durchzusetzen, notfalls, wenn er mit diesem im Vertragsverhältnisse steht durch Gebrauchmachen und gerichtlicher Durchsetzung einer fristlosen Kündigung gegenüber den Mietern, welche gegen die Hausordnung verstoßen.
Dies kann zur Unzumutbarkeit der fortsetzung des Vertragsverhältnisses führen, insbesondere wenn der Vermieter Kenntnis hat und dennoch untätig bleibt und darüber hinaus der Hausfrieden fortgesetzt gestört ist und eine andere Abhilfe nicht möglich ist.
In diesem Zusammenhang aber ist es problematisch, dass Mieter grundsätzlich nicht für das Verhalten ihrer Gäste geradestehen müssen. Eine fristlose Kündigung kann nach der Ansicht des LG Berlin (Az.: 65 C 494/12) dann nicht gerechtfertigt sein. In diesem Fall hat ein Gast des Mieters den Vermieter geschlagen. So entschied das Landgericht: Die Ohrfeige stelle zwar zweifelsohne eine Körperverletzung der Vermieterin dar. Diese sei aber eben von einem Besucher – nicht aber vom Mieter begangen worden. Grundsätzlich müssten sich Mieter das nur das Verhalten eines Mit- oder Untermieters zurechnen lassen, nicht aber das eines Besuchers. Demnach kann auch ein fremdes – nicht zurechenbares Verhalten – keine fristlose Kündigung begründen. Anders wäre der Fall zu entscheiden, wenn der Besucher als faktischer Mitbewohnern anzusehen sei. In dieser Konstellation bleibt es dabei. Die Kündigung ist unwirksam und das Mietverhältnis muss fortgeführt werden.
Dies gilt für die Konstellation Vermieter - Mieter und kann daher indirekt auch auf Ihren Sachverhalt angewandt werden. Wenn der Vermieter insoweit der Mieterin, Ihrer Nachbarin, wegen der Tätlichkeit des Sohnes kündigen kann. Dann können auch Sie m.E. nicht fristlos kündigen, insbesondere dann nicht, wenn auch ein Gast von Ihnen und damit Sie direkt selbst nicht betroffen sind.
Demzufolge sehe ich anlässlich einer fristlosen Eigenkündigung erhebliche Risiken. Gleichwohl dennoch können Sie zumindest eine fristlose Kündigung aussprechen und hilfsweise dazu die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses mit der 3 monatigen Kündigungsfrist. Jedoch laufen Sie bei Einstellung der Mietzahlung Gefahr, dass Sie vom Vermieter in Anspruch genommen werden.
Daher wäre es ratsam, mit dem Vermieter soweit überhaupt möglich über einen Aufhebungsvertrag und damit eine vorzeitige Entlassung aus dem Mietvertrag zu diskutieren und darüber hinaus die Mietminderung, welche soweit belegbar, statthaft wäre als Druckmittel zu benutzen.
Zwar können auch die Gesamtumstände eine fristlose Kündigung begründen, jedoch besteht ein nicht unerhebliches Risiko, dass diese Kündigung unwirksam erscheinen können, angesichts der Tatsache, dass die Eskalation hier zwischen "Gästen" stattgefunden hatte und ausschlaggebend für den gewichtigen Grund wäre, welches zumindest das Landgericht mit seiner Haftungsfreizeichnung gegenüber Gästen nicht zu begründen vermag.
Ich hoffe dennoch, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Sascha Lembcke
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