Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Zunächst einmal weise darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in der Regel nicht ersetzen kann.
Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann möglicherweise eine andere rechtliche Beurteilung zur Folge haben. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.
Wie Sie bereits durch Ihre offenbar umfangreichen Recherchen herausgefunden haben, gab und gibt es zur Auslegung des Begriffs „Teile der Bevölkerung unterschiedliche Auffassung, die sich meines Erachtens auch alle gut begründen lassen.
Meiner Auffassung nach, bestraft § 130 StGB sehr wohl auch die Hetze gegen Homosexuelle, da es sich hierbei eben um eine inländische Personenmehrheit handelt, die individuell nicht mehr überschaubar ist und sich von der Gesamtheit der Bevölkerung auf Grund bestimmter Merkmale unterscheidet, welche äußerer oder innerer Art sein können (Schönke/Schröder, StGB, § 130 Rn. 3).
Diese Auffassung lässt sich auch mit der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung unterstützen, in dem es lautet:
„Die Aufnahme von Einzelpersonen in den Wortlaut des § 130 Absatz 1 StGB soll nicht auf die im Rahmenbeschluss genannten Gruppen beschränkt werden. Sie erfasst vielmehr alle Personenmehrheiten, die sich durch irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal als erkenn- bare Einheit herausheben, und daher als Teile der Bevölkerung schon nach der bisherigen Rechtslage von § 130 StGB geschützt werden. Damit gilt für Angriffe auf Einzelne z. B. wegen ihrer Homosexualität oder wegen ihrer Behinderung die gleiche Rechtslage wie für Angriffe auf Einzelne wegen ihrer Religion oder wegen ihrer Nationalität." (http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/031/1703124.pdf)
Die Tatsache, dass die Homosexualität hier ausdrücklich genannt wird, spricht meines Erachtens sehr dafür, dass diese in den Schutzbereich des § 130 StGB fallen soll.
Gerichtsurteile sind mir diesbezüglich nicht bekannt.
Auf europäischer Ebene wird der Schutz vor allem durch die RICHTLINIE 2000/78/EG DES RATES
vom 27. November 2000 gewährleistet.
Insgesamt bin ich daher der Auffassung, dass auch die Hetze gegen Homosexuelle durch § 130 StGB unter Strafe gestellt wird.
Ob sich diese Auffassung halten kann (was ich für sehr wahrscheinlich halte) wird sich erst zeigen, wenn sich einmal der Bundesgerichtshof oder ggf. Oberlandesgerichte mit dieser Frage befassen müssen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Bade, Rechtsanwalt