Sehr geehrter Fragensteller!
Die Erblasserin (Oma) muss sich schon überlegen, was Sie will. Entweder soll die Eigentumswohnung erst mit dem Erbfall auf Tochter und Enkel übergehen. Dann ist der Pflichtteil des enterbten (also nicht als Erbe eingesetzten) anderen Kindes jedoch wertmäßig höher, weil die Eigentumswohnung zum Zeitpunkt des Erbfalls noch zum Nachlass gehörte.
Will die Erblasserin dieses Ergebnis vermeiden, so darf Ihr die Eigentumswohnung im Sinne des Erbrechts nicht zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr zugerechnet werden. Als zusätzliche Besonderheit wird trotz Wegfall aus dem Vermögen der Erblasserin der Wert der Eigentumswohnung (nach dem Niederstwertprinzip regelmäßig im Zeitpunkt der Schenkung) fiktiv dem Nachlass zugerechnet, wenn der Erbfall innerhalb von zehn Jahren nach Vollzug der Schenkung (Umschreibung im Grundbuch) eintritt. Hierbei mindert sich der Wert für jedes voll abgelaufene Jahr um 1/10-tel. Dieses ist die so genannte Abschmelzung nach § 2325 BGB
. Wären im Erbfall also mehr als zehn Jahre vergangen, berechnet sich der Pflichtteilsanspruch des anderen Kinds nur noch nach dem um die Eigentumswohnung geminderten, sonstigen Nachlasswert.
Entscheiden, ob überhaupt eine Schenkung vorliegt und somit die Zehnjahresfrist zu laufen beginnt, ist, dass es sich tatsächlich um eine Schenkung handelt. Hierfür ist erforderlich, dass der Vermögensstand endgültig die Sphäre der Erblasserin verlässt. Es muss eine dauerhafte Entreicherung bei der Oma eingetreten sein. Nach der „Genuss-Theorie" des Bundesgerichtshofs wird eine Schenkung daher bei Schenkungen unter Nießbrauchvorbehalt oder Vorbehalt eines Wohnungsrechts wohl eher zu verneinen sein. Die Rechtsprechung ist in diesem Punkt noch nicht komplett gefestigt, so dass Unsicherheiten bei der Gestaltung bestehen. Ferner ist das 42-monatige Rückforderungsrecht der Erblasserin aus meiner Sicht mit Vorsicht zu genießen. Auch hierdurch gefährden Sie die Einstufung als vollzogene Schenkung und riskieren, dass die die Schenkung erst zum Todeszeitpunkt als vollzogen gilt und damit zu einer Pflichtteilserhöhung führt.
Die Möglichkeit eines separaten Mietvertrags halte ich grundsätzlich für gangbar. Allerdings ist zu beachten, dass die Konditionen des Mietverhältnisses auch einem Drittvergleich standhalten. Die Miete muss also ortsüblich sein. Auch ist der Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit des Vermieters nicht üblich. Ist die Miete niedriger oder der Vertrag aus anderen Gründen nicht vergleichbar mit einem Dritten geschlossenen Mietvertrag, wird die ganze Gestaltung als Missbrauchsgestaltung verworfen. Die von Ihnen geschilderte Konstruktion halte ich für sehr bedenklich. Letztendlich entspricht das Konstrukt genau dem, was üblicherweise bei einem Wohnrecht vereinbart wird.
Ich persönlich halte bereits die Variante der Mietzahlung einerseits, andererseits die Zahlung von Versorgungsleistungen an die Oma für bedenklich. Zwar spricht ein anerkennenswertes Bedürfnis dafür, die Oma versorgt zu sehen. Andererseits drängt sich ja schon fast auf, dass das Geld bloß hin- und wieder hergezahlt wird. Auf jeden Fall wäre penibelst darauf zu achten, dass sich an solche Vereinbarungen auch tatsächlich und immer pünktlich gehalten wird. Steht das nur auf dem Papier, wird aber nicht tatsächlich Geld gezahlt, ist das ganze Konstrukt wiederrum als Missbrauchsgestaltung unwirksam.
Zusammenfassend: Ihre Eigenkonstruktionen (auch mit Miete oder Leihe der ETW) sind gefährlich. Es besteht keine 100% gesicherte Rechtsprechung hierzu. Sie riskieren jedoch stark, dass bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung kein Vollzug der Schenkung vor dem Todesfall festgestellt wird (und damit höheren Pflichtteilsansprüchen führt)!
Abschließend zu Frage 5:
Hierzu sollten Sie zunächst Ihren Notar fragen. Grundsätzlich hätte er Ihnen alle vorstehenden Fragen bereits beantworten müssen. Aus Klarstellungsgründen empfiehlt es sich, die andere Tochter zunächst ausdrücklich zu enterben. Wenn ihr ein Vermächtnis zugewendet werden soll, ist die Bestimmung, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll, zu empfehlen. Zwar ist dieses grundsätzlich nicht notwendig, da die andere Tochter nur Pflichtteilsansprüche hätte, wenn diese das Vermächtnis ausschlägt bzw. bei Annahme eines Vermächtnisses (das betragsmäßig kleiner als ihr Pflichtteilsanspruch wäre) nur einen Zusatzpflichtteil verlangen kann, um die Differenz aufzufüllen. Aber klarstellende Worte sind im Erbrecht immer angebracht. Dann gibt es später weniger reinzudeuten!