Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf dem Portal "frag-einen-anwalt.de".
Ihre Fragen möchte ich unter Berücksichtigung des vorgegebenen Sachverhaltes im Rahmen einer ersten Einschätzung wie folgt beantworten:
Ich unterstelle hierbei, dass Sie die Reise bei einem deutschen Reiseveranstalter gebucht haben. Sollte die Buchung über einen ausländischen Veranstalter durchgeführt worden sein, so gelten die nachfolgenden Ausführungen nicht.
Dem Reisenden steht grundsätzlich das Recht zu, vor Antritt der Reise vom Vertrag zurückzutreten, § 651 i BGB
. Im Falle des Rücktritts verliert der Reiseveranstalter den Anspruch auf den Reisepreis, kann jedoch eine angemessene Entschädigung, die sich am Reisepreis und am Abzug des Wertes der vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen orientiert, verlangen.
Alternativ kann der Reiseveranstalter im Vertrag Stornopauschalen vereinbaren, wobei er hinsichtlich der Höhe der Stornopauschalen nicht uneingeschränkt frei ist. 25 % Stornopauschale kann unangemessen hoch sein, soweit der Rücktritt mehr als 30 Tage vor Reisebeginn erklärt wird.
Ihrer Sachverhaltsschilderung fehlen Angaben zum Beginn der Reise sowie dazu, ob die Reisebedingungen wirksam in den Vertrag einbezogen wurden. Demzufolge lässt sich derzeit die Frage ob 25 % als Stornopauschale wirksam vereinbart wurde, nicht mit hinreichender Sicherheit klären.
Frei von Stornokosten kann ein Reisender den Reisevertrag kündigen, soweit die Reise mit einem Mangel behaftet ist, der zu einer erheblichen Beeinträchtigung führt, § 651 c BGB
.
Grundsätzlich kann die Kündigung auch bereits vor Reiseantritt ausgesprochen werden. Allerdings setzt das Entstehen des Kündigungsrechts eine "erhebliche Beeinträchtigung" der Reiseleistung voraus, die nach allgemeiner Rechtsprechung erst bei der Minderung des Gesamtreisepreises in Höhe von 50 % angenommen werden kann. Hier liegt die Schwierigkeit in Ihrem Fall. Sie müssten darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass Mängel der Reiseleistung vorliegen, die die Minderung des Reisepreises in Höhe von 50 % oder mehr nach sich ziehen. Da Sie die Reiseleistung nach ausgesprochene Kündigung vor Antritt der Reise allerdings nicht zu Gesicht bekommen, bestehen erhebliche Schwierigkeiten den Mangel darzulegen. Das bloße Berufen auf Hotelbewertungen von Dritten im Internet reicht nach meiner Einschätzung auf gar keinen Fall aus. In vielen Fällen haben verschiedene Veranstalter in ein und demselben Hotel unterschiedliche Zimmerkategorien, so dass für Sie derzeit nicht ersichtlich ist, ob die beschriebenen Reisemängel die für Sie vorgesehenen Zimmer betreffen.
In formaler Hinsicht ist der Reisende vor Ausspruch der Kündigung verpflichtet, dem Reiseveranstalter eine Frist zur Abhilfe zu setzen.
Wie Sie sehen, ist die Durchsetzung Ihrer Ansprüche mit erheblichen Schwierigkeiten versehen. In Fällen wie Ihrem empfehle ich grundsätzlich, die Reise anzutreten, bei Vorliegen von Mängeln Abhilfe zu verlangen und gegebenenfalls auf Minderung des Reisepreises zu bestehen. Nur so lässt sich das Risiko, dass in einer voreiligen Kündigung des Reisevertrages steckt, umgehen.
Ihre Reiserücktrittsversicherung ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verpflichtet, die Stornokosten zu übernehmen. Reiserücktrittskostenversicherer übernehmen lediglich dann die Stornokosten, wenn der Reisende aufgrund persönlicher Hindernisse (Gesundheit, Arbeitslosigkeit, Trauerfall) an der Teilnahme an der Reise gehindert ist.
Der Standard einer Reise orientiert sich in erster Linie an der Ausschreibung. Natürlich darf von einem 5-Sterne-Hotel erwartet werden, dass die Zimmer nicht feucht sind. Allerdings ist bei der Beurteilung, ob ein Reisemangel vorliegt, immer von der individuell zugewiesenen Reiseleistung auszugehen. Es ist zu erwarten, dass der Reiseveranstalter in einem möglichen Prozess behauptet, die von ihm reservierten Zimmer seien beanstandungsfrei. Ihre Vermutung, dass es besser ist, den Urlaub anzutreten, um dann die Reiseleistung zu beurteilen, ist zutreffend.
Derzeit sehe ich keine Möglichkeit, dass Sie die an die Fluggesellschaft gezahlten Gebühren für XL-Sitze zurückerhalten.
Sollte es bei den Stornogebühren bleiben, so kann ich Ihnen lediglich empfehlen über ein Reisebüro überprüfen zu lassen, ob die Reise nicht anderweitig verkauft wurde. Sollte dies der Fall sein, so muss der Reiseveranstalter sie von Stornokosten befreien.
Zudem sollte versucht werden, die pauschalen Stornokosten wegen der unangemessenen Höhe (Voraussetzung: Stornierung länger als 30 Tage vor Antritt der Reise) anzugreifen. Eine genaue Beurteilung und Beratung hierüber lässt sich allerdings nicht im Rahmen der von Ihnen gestellten Frage erteilen. Sollten Sie Rückfragen haben, so nutzen Sie bitte die Nachfragefunktion.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Ausführungen eine verwertbare Einschätzung erteilt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Hopperdietzel
- Rechtsanwalt-
Diese Antwort ist vom 29.12.2011 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Holger Hopperdietzel
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Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Hopperdietzel,
erst einmal vielen Dank für Ihre schnelle Einschätzung meiner Anfrage.
Als erstes möchte ich Ihnen gerne noch die fehlenden Angaben nachreichen, es handelt sich um einen deutschen Reiseveranstalter im Direktvertrieb.
Unser Reisebeginn wäre der 16.02.2012, also wäre die Stornierung/Rücktritt mehr als 30 vor Reisebeginn.
Die Reisebedingungen sind auf der Rückseite der Rechnung und der Reisebestätigung gedruckt (auf der Vorderseite fehlt ein Vermerk dazu), danach sind für normale Reisen 20% bei Rücktritt bis zum 30. Tag vor Reisebeginn fällig, für Seereisen jedoch bei Rücktritt bis zum 30. Tag vor Reisebeginn 25% des Reisepreises. Bei unserer Reise handelt es sich allerdings um eine Kombination aus Hotel- und Schiffsreise, dies ist dort nicht separat geregelt.
Der Reisepreissicherungsschein ist ebenfalls auf der Rückseite der Rechnung/Reisebestätigung gedruckt, dazu befindet sich allerdings ein Vermerk auf der Vorderseite, so dass man automatisch auch auf die Rückseite sieht.
Wir hatten bereits im Sommer großen Ärger mit Sauberkeit und Ausstattung eines Hotels und mussten ziemlich um einen entsprechenden Ausgleich kämpfen, trotz Fotos und Zeugen, auch dies war kein Billigurlaub. Was uns aber niemand zurück geben konnte, waren die entgangenen Urlaubsfreuden, wir haben uns nur geärgert und haben unseren Urlaub alles andere als genossen. Wir wollen diesem jetzt mit einem vorzeitigen Rücktritt entgehen. Dazu kommt, dass wir so "nur" 1.200 € + Versicherung und Gebühren in den Sand setzen und nicht mehr als 5.000 €, für die Differenz läßt sich sicher noch ein Urlaub finden, bei dem es nicht schon im voraus Probleme gibt.
Außerdem kommt hinzu, dass unser Reiseveranstalter so garnicht bestrebt ist uns wenigstens die Info zu geben, dass sie nichts für uns tun könnnen. Es wird einfach garnichts getan und dies ist für mich bei einem Reisepreis in dieser Höhe nicht akzeptabel, da weiß man doch schon jetzt, dass man seinem Geld auch nach laufen muss, wenn ein Reisemangel eintritt. Ich finde ein gewisser Kundenservice sollte einfach gegeben sein. Wir haben bei unserem ersten Anruf auch angeboten, uns gegen Aufpreis in ein anderes Hotel umzubuchen oder uns gegen Aufpreis auf die 14-tägige Kreuzfahrt umzubuchen. Man wollte dies prüfen und uns zurück rufen, was ja aber nie passiert ist.
Da es sich um einen Direktvertrieb handelt, kann ein Reisebüro vermutlich nicht herausfinden ob die Reise weiter verkauft wurde. Gibt es hier noch andere Möglichkeiten dies herauszufinden?
Welche Höhe der Stornokosten wäre angemessen? Kann man so etwas irgendwo nachlesen, damit man für das Rücktrittschreiben eine Quelle angeben kann?
Warum kann keine Erstattung der Gebühren für die XL-Sitze erfolgen? Die Sitze können doch bei einer Stornierung weiter verkauft werden. Kann die Fluggesellschaft denn da doppelt kassieren, zumal diese Sitze immer Mangelware sind?
Vielen Dank für Ihre erneute Rückinfo und viele Grüße
Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Nachfrage möchte ich wie folgt beantworten:
Stornokosten sind bis zum 30. Tag vor Antritt der Reise maximal in Höhe von 20 % des Reisepreises angemessen. Zur Höhe der pauschalierten Stornokosten gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung, so dass auf verschiedene Urteile von Amts-bzw. Landgerichten Bezug genommen werden muss.
Soweit Ihr Reiseveranstalter seine Reisen lediglich im Direktvertrieb veräußert, kann natürlich ein Reisebüro nicht die Verfügbarkeit von Plätzen auf der von Ihnen gebuchten Reise überprüfen. Hier bleibt lediglich die eigene Überprüfung übrig.
Die Gebühren für die XL Sitze verstehe ich als Bestandteil des Reisepreises, so dass eine separate Rückvergütung der Mehrkosten nach meiner Einschätzung nicht verlangt werden kann. Allerdings gilt auch hier, dass bei Weiterveräußerung dieser touristischen Leistung Ihre Stornokosten um diesen Umsatz des Reiseveranstalters gekürzt werden müssen. Auch hier kann man letztendlich nur empfehlen, den Versuch zu unternehmen, in Erfahrung zu bringen, ob diese Plätze anderweitig veräußert wurden.
Soweit Sie 1200 € nicht so ohne weiteres "in den Sand setzen" möchten, kann ich nur empfehlen, den Reiseveranstalter durch weiteres Nachfragen und Bestehen auf Umbuchung zu einer Änderung des Reisevertrages zu bewegen. Im Falle, dass Sie vom Reisevertrag zurücktreten, sehe ich wirklich die Gefahr, dass Sie die Stornokosten nicht zurückerhalten werden. Wenn Ihnen allerdings die Beseitigung der Gefahr, dass Sie im Urlaub wieder einmal "herein fallen", die verlangten Stornokosten wert ist, so sollten Sie Ihr Vorhaben umsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Holger Hopperdietzel
-Rechtsanwalt-