Sehr geehrte Ratsuchende,
Ihre Stiefmutter muss Ihnen als Pflichtteilsberechtigte und auch in Bezug auf Ihre Pflichtteilsergänzungsansprüche umfassend Auskunft erteilen gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB
. Sie muss Ihnen nicht nur im From eines detaillierten Nachlassverzeichnisses alle Informationen über den aktiven und passiven Bestand des Nachlasses geben, sondern sich diese erforderlichenfalls auch beschaffen (BGHZ 89, 24
).
Daneben haben Sie einen sogenannten Wertermittlungsanspruch aus § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB
, aufgrund dessen Sie z.B. durch ein unabhängiges Sachverständigengutachten die Werte der einzelnen Nachlassgegenstände klären lassen können.
Darüber hinaus haben Sie aus der eben genannten Vorschrift auch einen Anspruch auf Anwesenheit bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses und können auch Fragen stellen, um etwa die Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit der Auskunft bzw. des Verzeichnisses ans Licht zu bringen. Nachdem Sie dem Notar nicht vertrauen, sollten Sie diese Möglichkeiten nutzen. Die Beauftragung des Notars zur Feststellung des Nachlasswertes ist allerdings schon zulässig.
Sie haben außerdem die Möglichkeit, die Erbin zu einer eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben gemäß § 260 Abs. 2 BGB
zu zwingen. Ist die eidesstattliche Versicherung nämlich falsch und hat die Erbin insoweit mit Vorsatz gehandelt, macht sie sich strafbar gemäß § 156 Abs. 2 StGB
.
Auch wenn Ihnen derzeit nur bruchstückhafte Informationen vorliegen, können Sie also aufgrund der Tatsache, dass Ihnen jedenfalls Nachlasswerte bekannt sind, die Ihnen verschwiegen bzw. vorenthalten werden, durchaus mit juristischen Mitteln Druck auf Ihre Stiefmutter ausüben.
Sie sollten daher noch einmal schriftlich die Erteilung der Auskünfte, die Sie zur Ermittlung Ihrer Pflichtteils- und auch Pflichtteilsergänzungsansprüche (also auch über den Wert von Schenkungen Ihres Vaters an seine Ehefrau) mit Fristsetzung einfordern und eindringlich darauf hinweisen, dass Ihre Stiefmutter sich im Falle unwahrer oder unvollständiger Angaben strafbar machen kann. Lassen Sie aber noch nicht durchblicken, welche Vermögenspositionen Ihnen im Einzelnen bekannt sind.
Nach fruchtlosem Ablauf der Frist oder bei unwahren oder unvollständigen Angaben können Sie einen Anwalt mit der weiteren Vertretung beauftragen. Da Ihre Stiefmutter sich dann in Verzug befindet, müssen Sie die Anwaltsgebühren zwar vorschießen, können diese aber gegebenenfalls als Verzugsschaden mit geltend machen (§§ 280 Abs. 1, Abs. 2
, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB
).
Die übrigen Kosten des Nachlassverzeichnisses, der Wertermittlung und der amtlichen Aufnahme fallen dem Nachlass zur Last (§ 2314 Abs. 2 BGB
), die Kosten einer eidesstattlichen Versicherung müssen dagegen Sie tragen, gemäß § 261 Abs. 3 BGB
.
Zur gegebenen Zeit können Sie auch von Ihrer Stiefmutter verlangen, den Steuerberater von seiner Schweigepflicht zu entbinden.
Wenn das Wohnrecht nicht im Grundbuch steht, so ist es lediglich schuldrechtlich vereinbart. Sie können aber gegenüber Ihrer Stiefmutter verlangen, dass Ihnen die vertraglichen Grundlagen vorgelegt werden.
Dies sind grundsätzlich Ihre rechtlichen Möglichkeiten, dritte Personen müssen Ihnen keine Auskünfte erteilen.
Sowohl der Pflichtteilsanspruch (§ 2303 Abs. 1 BGB
) als auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 Abs. 1 BGB
) sind auf Zahlung einer Geldsumme durch den Erben gerichtet, soweit der Nachlass zur Befriedigung ausreicht, auch wenn kein Barvermögen vorliegt. Notfalls müssen Nachlassgegenstände veräußert werden.
Allerdings gibt Ihnen das Gesetz keinen Anspruch auf einen „Vorschuss“.
Für eine etwa erforderliche gerichtliche Geltendmachung können Sie Prozesskostenhilfe beantragen, wenn Sie nur über ein geringes Einkommen verfügen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine hilfreiche erste rechtliche Orientierung an die Hand geben. Bei Unklarheiten können Sie gerne Rückfragen stellen.
Die oben zitierten Vorschriften können Sie hier nachlesen:
http://bundesrecht.juris.de/bgb/index.html
http://bundesrecht.juris.de/stgb/index.html
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
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Diese Antwort ist vom 15.06.2008 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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