Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre steuerrechtliche Frage wie folgt:
Es ist nach Ihren Angaben von einer durchgehenden Eigennutzung der Eigentumswohnung auszugehen, so dass gem. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3 EStG
eine eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns (sogenannte Spekulationssteuer) nicht anfällt.
Allerdings teilen Sie nicht konkret mit, ob die Eigentümerin zwischen dem 14. Januar 2019 und der Unterzeichnung des notariellen Kaufvertrages am 25. Mai 2019 in der Wohnung verblieben ist. Ich verstehe Ihre Angaben aber so, das es zwar zwischen dem 15. Januar und der Unterzeichnung des Kaufvertrages eine Zeit gab, in der ein Zimmer dieser Wohnung an den erwachsenen Sohn der Eigentümerin (unter)vermietet wurde, dass die Eigentümerin aber aber auch noch in der Wohnung verblieben ist.
Abgesehen davon wäre sehe ich sogenannte Vermietung an den Sohn nicht als echte Vermietung an. Ich verstehe Sie so, dass die Eigentümerin finanziell etwas knapp war und deshalb von Ihrem Sohn eine finanzielle Entschädigung für das Bewohnen des Zimmers erhalten hat. Da ich weiter nicht davon ausgehe, dass es zu einem förmlichen Mietvertrag zwischen Mutter und Sohn gekommen ist, kann diese Tatsache unberücksichtigt bleiben. Mit der sogenannten Spekulationssteuer soll ja eigentlich nur verhindert werden, dass Wohnraum zu Spekulationszwecken erworben und innerhalb von 10 Jahren wieder veräußert wird.
Zu Ihren Fragen im einzelnen:
"1. Gehe ich zurecht davon aus, dass der Verkauf steuerfrei ist, da die Verkäuferin mind. ab 31.12.2017, durchgehend in 2018 sowie bis einschl. 14.01.2019 die Wohnung selbst bzw. mit den mietfrei mitwohnenden Kindern selbst genutzt hat?"
Ja, das ist korrekt. Es genügt eine Eigennutzung in den letzten drei Jahren vor dem Verkauf, wobei nur das mittlere Jahr vollständig sein muss.
"2. Wenn auch der Mietvertrag vom 15.01.2019 bis zum notariellen Kaufdatum bestand, danach jedoch (Juni bis September) bis zum Auszug der Verkäuferin nicht mehr, verhindert das die Steuerbefreiung?"
Der BFH hat mit Urteil vom 3. September 2019 (IX R 10/19
) festgestellt, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und im zweiten Jahr vor der Veräußerung nicht während des gesamten Kalenderjahres vorgelegen haben muss. Vielmehr genügt ein zusammenhängender Zeitraum der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, der sich über 3 Kalenderjahre erstreckt, ohne sie - mit Ausnahme des ersten Jahres vor der Veräußerung ("mittleres Kalenderjahr") - voll auszufüllen.
Danach ist für die Anwendung der Ausnahmevorschrift eine zusammenhängende Nutzung von einem Jahr und zwei Tagen ausreichend, wobei sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das gesamte mittlere Kalenderjahr erstrecken muss, während die eigene Wohnnutzung im zweiten Jahr vor der Veräußerung und im Veräußerungsjahr nur jeweils einen Tag zu umfassen braucht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist eine kurzzeitige Zwischenvermietung im Jahr der Veräußerung für die Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 3
(2. Alternative) EStG unschädlich. Selbst wenn man also von einer echten Vermietung an den Sohn ausginge, wäre dies unschädlich im Hinblick auf die sogenannte Spekulationssteuer.
"4. Ausschlaggebend müsste das Datum der Vertragsunterzeichnung, nicht jedoch der wirtschaftliche Übergang sein. Ist das korrekt?"
Ja, das ist korrekt. Entscheidend ist das Datum des notariellen Kaufvertrages.
"5. Der Verkauf erfolgte nicht aus beruflichen Gründen, wie im BFH Urteil (https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202010060/), sondern aus privaten/finanziellen Gründen. Würde das eine Steuerfreiheit gefährden?"
Nein, das spielt hier keine Rolle.
Wenn noch etwas unklar geblieben oder nicht ausreichend erörtert worden ist, so fragen Sie gerne nach. Vorerst verbleibe ich mit freundlichen Grüßen!
Elisabeth v. Dorrien
Rechtsanwältin
Sehr geehrte Frau von Dorrien,
vielen Dank für Ihre Antwort, zu welcher ich ein paar Anmerkungen und Verständnisfragen habe.
1. Die Eigentümerin hat die Wohnung durchgängig seit dem Erwerb, auch während der Zeit der Zimmervermietung an den Sohn, bis zur wirtschaftlichen Übergabe ca. 4 Monate nach dem Kaufdatum, selbst bewohnt.
2. Es besteht ein schriftlicher Mietvertrag mit dem Sohn, gültig ab 15.01.2019 bis zum „Verkauf der Wohnung, spätestens jedoch zum 31.12.2019". Bei Verkauf ist der „vom Mieter genutzte Raum innerhalb von einem Kalendermonat zu räumen".
3. Zudem wurde die Miete per Banküberweisung an die Verkäuferin gezahlt.
In meiner ursprünglichen Frage habe ich nicht erwähnt, dass der Sohn in der Wohnung der Verkäuferin seinen Zweitwohnsitz hatte und mit seiner Lebensgefährtin gewohnt hat. Das Zimmer, sein altes „Kinderzimmer", hat er zur Einlagerung seiner „alten Sachen" und gelegentlich zum Übernachten genutzt, wenn er seine Mutter besucht hat. Ich vermute aber, dass dies keine Rolle spielt?
Ich glaube aber, dass die o.g. Punkte die Steuerfreiheit nicht beeinträchtigen sollte, da im Verkaufsjahr bis 14.01.20219 sowie in den beiden Vorjahren keine Vermietung stattfand, sondern erst ab dem 15.01. vertraglich bis zum Verkauf der Wohnung.
Dass die erwachsenen Söhne davor mietfrei die Wohnung ebenfalls bewohnt haben, sollte wohl auch kein Problem darstellen, ist das richtig?
Nochmals vielen Dank für die Auskunft.
Sehr geehrter Fragesteller
vielen Dank für Ihre freundliche Nachfrage!
Sie haben völlig Recht: Das alles spielt tatsächlich keine Rolle, da die Eigennutzung durchgehend nachgewiesen ist. Vor allem gibt es seit dem BFH-Urteil vom 3. September 2019 auch grundsätzlich keine Miet-Problematik mehr, wenn die Vermietung kurz vor dem Verkauf stattgefunden hat und vorher die dreijährige Eigennutzung vollständig gegeben war. Das alles ist hier der Fall, und deshalb ist kein Veräußerungsgewinn zu versteuern.
Nochmals freundliche Grüße!
EvD