Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Das Urteil des EuGH vom 04.10.2001 - Aktenzeichen: C 109/00
befasst sich mit der Frage, ob einer Arbeitnehmerin, die in Kenntnis ihrer Schwangerschaft ein befristetes Arbeitsverhältnis eingegangen ist, obwohl sie wusste, dass sie auf Grund dessen während eines großen Zeitraums des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht würde arbeiten können und dies dem Arbeitgeber bei der Einstellung nicht mitteilte, vor Ablauf der Befristung gekündigt werden kann.
Dies verneinte der EuGH in der besagten Entscheidung.
Der EuGH hat in diesem Urteil aber nicht entschieden, dass eine schwangere Arbeitnehmerin nach Ablauf der Befristung allein deshalb einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung hat, weil sie schwanger ist.
Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses auf bis zu zwei Jahre ist möglich, ohne dass der Arbeitgeber die Befristung sachlich begründen muss (§ 14 Abs. 2 TzBfG
). Er ist deshalb grundsätzlich auch nicht verpflichtet, eine Arbeitnehmerin nach Ablauf der Befristung weiter zu beschäftigen, weil sie schwanger ist.
Allerdings liegt eine geschlechtsspezifische Diskriminierung im Sinne der §§ 3 Abs. 1
, 7 Abs. 1 AGG
(Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) vor, wenn eine befristet eingestellte Schwangere nach Ablauf der Befristung auf Grund ihrer Schwangerschaft nicht weiter beschäftigt wird (ArbG Cottbus, Urteil vom 11.04.2008 - 5 Ca 1859/07
).
Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Nichtverlängerung des Arbeitsvertrages Kenntnis von der Schwangerschaft hat. Ferner muss die Arbeitnehmerin den Beweis erbringen, dass die Nichtverlängerung ihren Grund in der Schwangerschaft hat.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG
hat der Arbeitgeber den Schaden zu ersetzen, der durch eine Diskriminierung entstanden ist. Allerdings ist ein solcher Anspruch nur auf eine Entschädigung in Geld - etwa Schadenersatz für entgangenen Lohn bis zu drei Monatsgehältern - gerichtet. Nach § 15 Abs. 6 AGG
wird ein Anspruch auf Einstellung wegen einer Diskriminierung gerade nicht begründet. Ein Anspruch auf Geldentschädigung muss innerhalb von zwei Monaten nach der diskriminierenden Maßnahme gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden, sonst verfällt er (§ 15 Abs. 4 AGG
).
Der Umstand, dass bisher alle befristeten Arbeitsverhältnisse verlängert wurden, kann in Ihrem Fall indizieren, dass eine Nichtverlängerung ihren Grund in der Schwangerschaft hat. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (§ 22 AGG
). Allerdings beweist dies noch nicht zwingend eine Diskriminierung. Wenn der Arbeitgeber sachliche Gründe für eine Nichtverlängerung, die nicht in der Schwangerschaft begründet, vorbringen und auch beweisen kann, und diese Gründe nicht nur vorgeschoben sind, liegt keine Diskriminierung vor. In diesem Fall besteht auch kein Anspruch auf Schadenersatz.
Sie müssen also beweisen, dass alle anderen Arbeitnehmer vor Ihnen nach Ablauf der Befristung weiter beschäftigt wurden. Dann muss der Arbeitgeber beweisen, dass die unterbliebene Weiterbeschäftigung in Ihrem Fall gleichwohl sachlich gerechtfertigt und ihren Grund nicht in Ihrer Schwangerschaft hatte.
Welche konkreten Gründe Ihr Arbeitgeber für eine unterbleibende Verlängerung anführt, und wie eine Beweisaufnahme ausgehen würde, lässt sich im Vorhinein seriös nicht prognostizieren.
Gerichtlich erzwingen können Sie - wie gesagt - Ihre Weiterbeschäftigung aber nicht. Sie haben allenfalls einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 27.04.2017 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Hallo Herr Neumann,
vielen Dank für Ihre kompetente Antwort. Folgende Frage stellt sich mir noch:
Szenario:
Ich reiche nun die Kündigung ein, unterzeichne einen unbefristeten Arbeistvertrag bei einem neuen Arbeitgeber und erst bei Beginn meiner tätigkeit (also nach Ablauf meiner Kündigugfrist) verkünde ich die Schwangerschaft.
Mir ist bewusst, dass ich das Recht auf "Lüge" im Bewerbungsprozess habe, also bei Zeitpunkt der Unterschrift nicht meldepflichtig bin und zudem ein besonderer Kündigungschutz in der Probezeit bis 4 Monate nach Entbindung gilt.
Gelten für mich als junge Mutter nach Ablauf dieser 4 Monate nach Entbindung dann wieder der "reguläre Kündigungsschutz" und könnte der neue Arbeitgeber vor Arbeitsantritt (also in der Zeit, in der noch die Kündigungsfrist gilt) von einem Widerrufsrecht des Vertrages Gebrauch machen und wenn ja, mit welcher Begründung? (er weiß ja zu dem Zeitpunkt noch nichts von der Schwangerschaft)
Es wäre toll, wenn Sie mir hierzu noch eine finale Antowrt geben würden.
Herzlichen Dank für Ihre Mühen
Sehr geehrte Fragestellerin,
ein Widerrufsrecht des Arbeitgebers gibt es beim Arbeitsvertrag nicht.
Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird (§ 9 Abs. 1
Mutterschutzgesetz).
Der besondere Kündigungsschutz nach § 9 MuSchG
besteht ab dem Beginn der Schwangerschaft, wobei es ausreicht, dass dies dem Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach der Kündigung mitgeteilt wird.
Da eine Arbeitnehmerin nicht verpflichtet ist, eine Schwangerschaft bei ihrer Einstellung zu offenbaren, gibt dies dem Arbeitgeber weder ein Kündigungsrecht (sofern das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist), noch einen Grund für eine Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung. Dies gilt auch nach Ende des Mutterschutzes.
Wenn der besondere Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz oder dem BEEG wegfällt, gelten die allgemeinen Regelungen zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses.
Besteht das Arbeitsverhältnis nach Ende des besonderen Kündigungsschutzes noch nicht sechs Monate (die Zeit des Mutterschutzes wird hier eingerechnet), oder werden im Betrieb des Arbeitgebers im Schnitt zehn oder weniger Vollzeitkräfte (ausschließlich der Auszubildenden) beschäftigt, dann ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar. In diesem Fall kann der Arbeitgeber jederzeit mit gesetzlicher Frist ohne Angabe von Gründen ein Arbeitsverhältnis kündigen, (Eine Kündigung wegen einer früheren Schwangerschaft oder deren Nichtangabe bei der Einstellung wäre zwar auch in diesem Fall ein Verstoß gegen das AGG, aber wenn der Arbeitgeber schlau ist, gibt er seinen wahren Kündigungsgrund nicht an oder schiebt einen Grund vor.)
Ist das Kündigungsschutzgesetz hingegen anwendbar, dann muss eine Kündigung durch den Arbeitgeber sozial gerechtfertigt sein. Eine in der Vergangenheit liegende Schwangerschaft oder deren unterlassene Angabe bei der Einstellung rechtfertigen dann eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht.
Ich hoffe, Ihre Nachfrage erschöpfend und verständlich beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen,
Carsten Neumann
Rechtsanwalt
info@advoc-neumann.de