Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
1. und 2.
Die Vorschriften über die Schulpflicht gelten für alle, die im Ihrem Bundesland ihre Wohnung oder, bei mehreren Wohnungen, ihre Hauptwohnung oder ihre Ausbildungsstätte haben.
Bei einer Hauptwohnung im Ausland gilt das also nicht mehr.
Allerdings ist wegen der sehr begrenzten Dauer von einem Jahr das doch am besten mit der Schule zu klären, was jedenfalls die Wiederaufnahmen nach Ablauf des Jahres betrifft.
Nach § 1631 Abs. 1 BGB
- Inhalt und Grenzen der Personensorge - ist bestimmt:
"(1) Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen."
Das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfasst die Festlegung von Wohnort und Wohnung des minderjährigen Kindes.
Allerdings darf nicht die elterliche Sorgeplfich und das Kindeswohl verletzt werden, sonst kann das Familiengericht einschreiten, vgl. § 1666 BGB
- Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls.
D.h., dass muss auch im Ausland durch die Großeltern sichergestellt sein.
Denn wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind - § 1666 BGB
.
Zu den gerichtlichen Maßnahmen danach gehören nach § 1666 Abs. 3 u. a. insbesondere Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen (Nr. 2), also nur etwa bei unzureichender schulischen und sprachlichen Förderung, was eben auch im Ausland sichergestellt werden muss.
Unterliegen die Kinder aber allein durch eine Verlegung ihres Wohnsitzes nicht mehr der deutschen Schulpflicht, ist eine Einschränkung der elterlichen Rechte unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt, so jedenfalls das OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15.08.2014 - 6 UF 30/14
in Bezug auf das EU-Land Frankreich.
Das es nicht um einen Umzug innerhalb der EU geht, rate ich jedenfalls doch dazu, dass Schulamt und Jugendamt zu informieren.
Eine Beschulung im Ausland soll ja jedenfalls erfolgen, was dann auch so in Ordnung sein dürfte. Da sehe ich keine Gefahr.
3.
Demnach ist grundsätzliche KEINE Befreiung und KEINE familienrechtliche Entscheidung notwendig.
Vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 2.12.2014 – 4 UF 97/13
, wonach durchaus ein Umzug ins Ausland in Betracht kommen darf, solange man sich nicht der Schulpflicht und einer Beschulung im Ausland vollständig entziehen will.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Daniel Hesterberg
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Rechtsanwalt Daniel Hesterberg
Sehr geehrter Herr Hesterberg,
vielen Dank schon einmal vorab für Ihre Beantwortung meiner Frage. Ich denke jedoch, Sie haben mich teilweise missverstanden.
Sie schreiben, die Schulpflicht gilt nicht mehr bei einer Verlegung des Wohnsitzes ins Ausland bzw. einer Hauptwohnung im Ausland.
Ich möchte jedoch noch einmal darauf hinweisen,dass ich schrieb, dass die Kinder (und nur die Kinder) im Ausland einen weiteren Wohnsitz begründen sollen. Der inländische Wohnsitz soll nach Möglichkeit nicht aufgegeben werden. Sie hätten somit 2 Wohnsitze. Dies ist auch gängige Praxis schaut man sich die vielen Urteile (zB. BFH Urteil vom 25.9.14 -III R 10/14
) an, in denen klargestellt wird, dass auch ein mehrjähriger Auslandsaufenthalt zu Schul- und Ausbildungszwecken, schon gar nicht ein 1jähriger Auslandsaufenthalt zur Aufgabe des inländischen Wohnsitzes führen muss.
Bei einem einjährigen Aufenthalt der Kinder, wie bei uns geplant, ist eine Verlegung des Wohnsitzes, wie Sie schrieben demnach gar nicht möglich, weil Minderjährige grundsätzlich den Wohnsitz der Eltern teilen und bei voraussichtlicher Rückkehr innerhalb eines Jahres regelmäßig nicht ihren Wohnsitz aufgegeben.Oder verstehe ich das falsch?
Zu Ihrer anderen Möglichkeit - Das Schulgesetz versteht unter Wohnung ja nicht den lediglich melderechtlichen Begriff, sondern den Wohnsitz nach §11BGB und somit einen Schwerpunkt der Lebensverhältnisse. Wann läge in unserem Fall denn eine sogenannte Hauptwohnung der Kinder im Ausland vor. Eine rein melderechtliche Bestimmung als Hauptwohnung ist ja keinesfalls ausreichend.
Vielen herzlichen Dank
Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Nachfrage möchte ich Ihnen gerne wie folgt beantworten:
Richtig, zwei Wohnsitze wären dann vorhanden - im Ausland und in Deutschland - aber entscheidend für die Hauptwohnung und damit die Schulpflicht ist der Lebensmittelpunkt und der ist im Ausland.
Darauf verweisen Sie ebenfalls. Das ist zutreffend.
Zwar haben das VG Aachen, Aktenzeichen 9 K 1917/10
, 15.04.2011 und das OVG Münster, Entsch. v. 27.08.2015, Aktenzeichen 19 B 923/15
, auf § 11 und SchulG NRW verwiesen, wonach Wohnsitz der Kinder grundsätzlich bei den Eltern ist.
Gleichwohl hat aber gerade das OVG Münster auf die Möglichkeit der Verlegung ins Ausland hingewiesen, wenn man das entsprechend detailliert und schlüssig nachweist:
"Wer im Übrigen geltend macht, seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt zu haben [den des Kindes], muss substantiierte und verifizierbare Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Bundesgebiet sowie zu den beruflichen und persönlichen Bindungen machen, die er an dem behaupteten Auslandswohnsitz unterhält.
[...]
Diesen Anforderungen genügt nicht die pauschale und nicht weiter belegte Behauptung der Antragsteller in der Antragsschrift, I. halte sich „nun eindeutig in Jordanien auf", lebe „dort bei ihrer Tante" und führe „dort den Schulbesuch weiter".
Der Wohnsitz des Kindes dauert nach § 11 S. 3 BGB
aber nur fort, bis er rechtsgültig aufgehoben wird. Notwendig sind Aufgabewille und tatsächliche Aufhebung der Niederlassung entweder, wenn das Kind volljährig geworden ist, durch dieses selbst, oder durch den Personensorgeberechtigten.
Das würde hier geschehen.
Der Wohnsitz bei den Eltern ist nur der Regelfall, der vermutet wird.
Ansonsten gilt § 7 BGB
- Wohnsitz; Begründung und Aufhebung
"(1) Wer sich an einem Orte ständig niederlässt, begründet an diesem Orte seinen Wohnsitz.
(2) Der Wohnsitz kann gleichzeitig an mehreren Orten bestehen.
(3) Der Wohnsitz wird aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben."
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Daniel Hesterberg