Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Angaben wie folgt beantworten möchte.
Die entstandenen Kosten gehen selbstverständlich weit über das für ein erstes Beratungsgespräch zu Veranschlagende hinaus. Zutreffend ist, dass durch das Tätigwerden des Anwalts eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG für das Vorgehen in der Vermögensauseinandersetzung entstanden ist.
Allerdings stimme ich Ihnen zu, dass der gewählte Satz von 2,3 sehr hoch erscheint. Der Anwalt hat jedoch grundsätzlich die Wahl innerhalb des vorgegebenen Rahmens von 0,5 – 2,5, wobei es sich bei 1,3 um die so genannte Mittelgebühr handelt, die regelmäßig bei einem Fall mittlerer Art und Umfangs angemessen sein wird. Dem Anwalt steht ein Ermessenspielraum zu; dieses Ermessen muss er indes ordnungsgemäß ausüben.
Kriterien für die Bestimmung des Gebührensatzes durch den Anwalt sind unter anderem die Bedeutung der Angelegenheit, der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie etwaige Haftungsrisiken. Aber auch die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers sind zu berücksichtigen. Überdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse rechtfertigen demnach einen höheren Gebührensatz (Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, S. 736).
Wenn auf der anderen Seite der Aufwand relativ niedrig ist(wovon hier bei einem dreiseitige Schreiben und einer Aufstellung mit unstrittigen Werten auszugehen sein dürfte), erscheint eine derartige Erhöhung nicht ohne Weiteres gerechtfertigt.
Der Satz von 1,5 bei den genannten Einigungsgebühren ist korrekt, denn dieser ist nach Nr. 1000 VV RVG fest und unveränderlich. Voraussetzung für deren Anfall ist jedoch, dass die Parteien einen Vertrag geschlossen haben, durch den ein Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.
Die Einigungsgebühr entsteht erst und nur dann, wenn zwischen den Parteien ein solcher gegenseitiger Vertrag abgeschlossen wird (Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, S. 753). Einen solchen Abschluss vermag ich in dem von Ihnen mitgeteilten Sachverhalt nicht zu erkennen, so dass diese Kosten bisher (noch) nicht angefallen sind und der Anwalt sie folglich auch noch nicht einfordern darf.
Die Terminsgebühren sind ebenfalls noch nicht fällig, sondern könnten allenfalls als Vorschuss eingefordert werden. Für die Scheidung selber wird der Streitwert nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute berechnet. Dabei wird zunächst das dreifache Nettoeinkommen beider Ehegatten zusammengerechnet. Abgezogen werden Unterhaltspflichten und Darlehensraten für gemeinsame Schulden.
Der Gegenstandswert für den Unterhalt richtet sich im Übrigen nach dem Betrag an Unterhalt, der für 12 Monate geltend gemacht wird.
Nach alledem sollten Sie dem Anwalt mitteilen, dass Sie prinzipiell bereit sind, für entstandene Kosten aufzukommen, Sie ihn jedoch gleichzeitig auffordern, seine Kriterien für die am oberen Ende angesiedelten Sätze für die Geschäftsgebühren (2,3 und 2,0) offen zu legen. Zudem sollten Sie ihn darauf hinweisen, dass er Einigungsgebühren nicht vor einer erfolgreichen Einigung verlangen kann, da dies noch von Ihrem Verhalten abhängig ist. Des Weiteren erscheint der errechnete Gegenstandswert (über 1 Mio €) aufgrund Ihrer Schilderungen der Vermögensverhältnis zu hoch. Auch diesbezüglich sollten Sie den Anwalt auffordern, seine Berechnung offen zu legen.
Abschließend bitte ich zu beachten, dass diese Antwort zwar alle wesentlichen Aspekte des von Ihnen geschilderten Falles umfasst, jedoch daneben Tatsachen relevant sein könnten, die möglicherweise zu einem anderen Ergebnis führen würden. Verbindliche Auskünfte sind daher nur im Rahmen einer Mandatserteilung möglich.
Ich hoffe, Ihnen eine erste rechtliche Orientierung ermöglicht zu haben. Für eventuelle Rückfragen stehe ich gern im Rahmen der Nachfragefunktion zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Kraft
Rechtsanwalt