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Sehr geehrte Fragestellerin/sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Frage
Scheidung verzögern durch Nichterscheinen zu Verhandlungen
01.12.2013 12:21 | Preis: 58,00 € |
Familienrecht
beantworte ich unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes und nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:
I. Zu Fr. „Ist eine Scheidung überhaupt möglich, solange Unterhaltsfragen nicht endgültig geklärt werden können?":
Eine Abtrennung nach § 140 Abs. 1 FamFG dürfte hier ausschedien,da hier (wohl)nicht
„ in einer Unterhaltsfolgesache oder Güterrechtsfolgesache außer den Ehegatten eine weitere Person Beteiligter des Verfahrens wird(...)" (Bedeutsam ist diese Bestimmung in erster Linie nur, wenn im Verbund Unterhalt für ein minderjähriges Kind verlangt und im Verlauf des Verbundverfahrens dieses Kind volljährig wird. (vgl. Horndasch/Viefhues, FamFG - Kommentar zum Familienverfahrensrecht, 2. Auflage 2011, § 140 FamFG, Rn 8).
Da auch die übrigen Fälle des § 140 Abs.2 Nr 1-4 FamFG nicht einschlägig sind, verbleibt lediglich § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG. Ich möchte diesbezl. aus Horndasch/Viefhues, FamFG - Kommentar zum Familienverfahrensrecht, 2. Auflage 2011, § 140 FamFG, Rn 21-30 zitieren. Daraus ist ersichtlich, dass die Abforderungen relativ hoch sind:
„5. Härtefälle, § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5
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Der Scheidungsverbund kann einzelne Folgesachen enthalten, die sehr umfangreich und deshalb langwierig sind. Dennoch kann eine Scheidung grds. erst erfolgen, wenn alle Folgesachen entscheidungsreif sind, es sei denn, eine Abtrennung nach § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 ist möglich. Dies setzt eine außergewöhnliche Verzögerung des Scheidungsausspruchs und eine sich daraus ergebende unzumutbare Härte voraus. Die Regelung gilt für alle Folgesachen und muss bei mehreren Folgesachen jeweils gesondert geprüft werden.
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Durch das bei dieser Vorschrift erforderliche Antragserfordernis wird eine Abtrennung von Amts wegen ausgeschlossen.
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Für die Ermittlung der Verfahrensdauer ist die Vorschrift des Abs. 4 heranzuziehen.
a) Außergewöhnliche Verzögerung
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AntragsEine außergewöhnliche Verzögerung i.S.v. § 140 Abs. 2 Nr. 5 ist zu bejahen, wenn die bei Durchführung der Folgesachen üblicherweise auftretende Verfahrensdauer weit reichend überschritten wird (OLG Hamm, FamRZ 1992, 1086). Die Verzögerung muss nicht durch die Erledigung der betreffenden Folgesache im Verbund bedingt sein, es reichen, wenn i.Ü. das Kriterium der unzumutbaren Härte zu bejahen ist, auch andere Verzögerungsgründe, wie etwa eine Überlastung des Gerichts, aus.
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Die Beurteilung der (voraussichtlichen) Verzögerung setzt – wie sich aus dem Wortlaut ergibt („[...] verzögern würde") eine Prognose voraus; sie muss nicht bereits eingetreten, jedoch mit hinreichender Sicherheit zu erwarten sein. Die Rechtsprechung (z.B. BGH, FamRZ 1988, 312; OLG Koblenz, FamRZ 2008, 166, 167) sieht eine Verfahrensdauer von zwei Jahren als normal für ein Scheidungsverfahren an, d.h. erst nach Ablauf von zwei Jahren ist eine außergewöhnliche Verzögerung vertretbar. Eine außergewöhnliche Verzögerung kann etwa im Versorgungsausgleichsverfahren durch die Einholung von Auskünften bei einem ausländischen Versorgungsträger eintreten; im Güterrecht kann die Verzögerung auf die Einholung von Sachverständigengutachten (z.B. wegen der Bewertung einer Gesellschaft oder eines Gesellschaftsanteils) oder bei mehrfachen gerichtlichen Maßnahmen zur Auskunftserlangung (§§ 1379, 1580, 1605) zurückzuführen sein (Musielak/Borth, FamFG, § 140 Rn. 9).
b) Unzumutbare Härte
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Allein das Vorliegen einer außergewöhnlichen Verzögerung reicht nicht aus, um eine Abtrennung einer Folgesache nach § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 zu rechtfertigen (OLG Düsseldorf, FamRZ 2008, 1266); erforderlich ist vielmehr darüber hinaus eine für den Antragsteller unzumutbare Härte. Die Feststellung der unzumutbaren Härte erfolgt mittels einer Abwägung des Interesses des Antragstellers (entsprechend des Antragsgegners, wenn dieser den Abtrennungsantrag gestellt hat) an einer alsbaldigen Scheidung und des Interesses des Antragsgegners an einer Beibehaltung des Entscheidungsverbunds, d.h. einer gleichzeitigen Regelung der abzutrennenden Folgesachen (OLG Koblenz, NJW 2008, 2929 [OLG Koblenz 29.05.2008 - 7 UF 812/07]).
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Ein überwiegendes Interesse des Antragstellers ist zu bejahen bei begrenzter Lebenserwartung des antragstellenden Ehegatten, der eine Wiederheirat beabsichtigt (OLG Hamm, FamRZ 2007, 651). Ähnlich liegt es bei bevorstehender Geburt eines Kindes aus einer neuen Beziehung, insbes. wenn gleichzeitig die wirtschaftliche Lage des anderen Ehegatten abgesichert ist und für das Beibehalten des Verbunds nur formale Gesichtspunkte vorgebracht werden (BGH, NJW 1987, 1772, 1773).
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Mitunter wird das Scheidungsverfahren auch aus wirtschaftlichen Erwägungen verzögert, insbes. weil Trennungsunterhalt gezahlt wird, der nacheheliche Unterhalt aber dem Grund und der Höhe nach unsicher ist. Dies ist gerade durch die Unterhaltsreform 2008 ein nicht zu unterschätzender Aspekt, der freilich nicht hingenommen werden darf (vgl. auch BGH, FamRZ 1991, 2491, 2492).
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Umgekehrt sind i.R.d. Interessenabwägung auch die Belange des Antragsgegners, der sich der Abtrennung widersetzt, angemessen zu berücksichtigen. Ist eine Folgesache für den Antragsgegner angesichts dessen konkreter Lebenssituation besonders bedeutsam (z.B. die Sicherung des nachehelichen Unterhalts), muss das Interesse des Antragstellers an einer Aufhebung des Verbunds zurücktreten (OLG Köln, FamRZ 2010, 659). Ist die Folgesache hingegen weniger wichtig (Zugewinnausgleich oder Versorgungsausgleich), können die Interessen des Antragsgegners an der Beibehaltung des Verbunds wohl zurücktreten. Letztlich ist der Einzelfall ausschlaggebend, denn auch der Versorgungsausgleich kann für einen bereits Rente beziehenden Ehegatten ähnliche Bedeutung wie eine Unterhaltsregelung haben.
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Die Zustimmung eines Ehegatten zur Abtrennung kann darauf hinweisen, dass die Folgesache für ihn nur geringe Bedeutung hat. Allerdings ist Vorsicht geboten, da die Abtrennung nicht zur Disposition der Beteiligten steht. Die im gerichtlichen Verfahren getroffene Absprache, die Abtrennung nicht zu beanstanden, ist nicht bindend, d.h. das Beschwerdegericht ist gehalten, die Voraussetzungen der Abtrennung zu überprüfen (BGH, FamRZ 1991, 1043, 1044)."
Der Rechtsanwalt Ihres Partners muss also neben einem Antrag auch eine außergewöhnliche Verzögerung und eine unzumutbare Härte darlegen. Letzters bedeutet also in einer Abwägung ein überwiegenes Interesse Ihres Partners an einer alsbaldigen Scheidung.
II. Zu Frage 2: „(kann) die Noch-Ehefrau jede Aufforderung zum persönlichen Erscheinen mittels "gelbem Schein" ablehnen(...)? Nach meiner Kenntnis ist die persönliche Anwesenheit bei der Scheidung Pflicht. Welche Möglichkeiten hat man in diesem Fall?"
In der Scheidungssache ist eine Säumnisentscheidung nach § 130 Abs. 2 FamFG nicht zulässig.
Wenn der Antragsgegner nicht zum Termin erscheint, ist allerdings eine Scheidung möglich. Wie aus geführt darf zwar kein Versäumnisbeschluss erlassen werden. Erscheint der Antragsgegner nicht, dh ist er säumig, ist das Antragsteller -Vorbringen als streitig zu behandeln. Nach§ 127 I ZPO ist darüber dann Beweis zu erheben (zB indem der Antragsteller- also Ihr Partner) angehört wird. E wird dann und durch Endbeschluss () zu entschieden. Dagegen kann dann Beschwerde, nicht jedoch Einspruch eingelegt werden. Ein solcher Beschluss wird dann ergehen, d.h. eine streitige Scheidung erfolgen, wenn der Richter nach Anhörung des Antragstellers von der Zerrüttung der Ehe überzeugt ist (vgl. Horndasch/Viefhues, FamFG - Kommentar zum Familienverfahrensrecht, 2. Auflage 2011, § 130 FamFG, Rn 4+5; vgl. auch Zimmermann, Zivilprozessordnung, 9. Auflage 2011, § 130 FamFG, Rn 3)
Ich weise darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen kann. Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben sowie die Aussagen von Zeugen und die Wertung anderer Beweismittel und weiterer Informationen können möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.
Letztlich weise ich darauf hin, dass der Umfang meiner Beratung ebenfalls durch die zwingenden gesetzlichen Vorgaben des § 4 RVG begrenzt ist.
Mit freundlichen Grüßen
Aljoscha Winkelmann (Rechtsanwalt)