Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund der von Ihnen gemachten Angaben und unter Berücksichtigung Ihres Einsatzes nunmehr wie folgt beantworten möchte:
Aufgrund Ihrer Angaben gehe ich davon aus, dass Sie eine sog. Gesamtverzichtsvereinbarung unterzeichnet haben, die letztlich grundsätzlich dazu führt, dass Sie keinerlei Ansprüche auf Unterhalt, Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich gegenüber Ihrem Ehemann geltend machen können. Derartige Gesamtverzichtsvereinbarungen sind nicht generell sittenwidrig und führen auch nicht generell zu einer unzulässigen Rechtsausübung, mit der weiteren Folge der Unwirksamkeit.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) hat jedoch eine richterliche Inhaltskontrolle der Vereinbarungen stattzufinden. Insbesondere darf es nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung eines der Ehegatten kommen. Eine unangemessene Benachteiligung eines der Ehepartner liegt insbesondere dann vor, wenn ein krasses Ungleichgewicht besteht und der Vertrag nicht Ausdruck und Ergebnis gleichberechtigter Lebenspartnerschaft ist, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt.
Eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB
ist nach Rechtsprechung des BGH regelmäßig nur dann anzunehmen, wenn Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts (z.B. Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, Aufstockungs – und Ausbildungsunterhalt) ganz oder zu erheblichen Teilen ausgeschlossen werden, ohne dass dieser Nachteil durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten gerechtfertigt sind.
Wird festgestellt, dass die ehevertraglichen Regelungen sittenwidrig und damit unwirksam sind, treten an dessen Stelle die gesetzlichen Regelungen. Ist eine Sittenwidrikeit abzulehnen, kann eine Überprüfung nach § 242 BGB
(unzulässige Rechtsausübung) stattfinden. In diesem Fall würde das Gericht die Rechtsfolge anordnen, die den berechtigten Belangen beider Parteien in ausgewogener Weise Rechnung trägt.
Da der Inhalt des Vertrages nicht bekannt ist, kann ich lediglich eine erste Einschätzung abgeben, die auf Ihren Angaben beruht:
In Ihren Ausführungen sprechen Sie selbst von einer Zwangslage, in der Sie sich bei Unterzeichnung des Vertrages befunden haben. Auch objektiv dürfte man wohl von einer solchen Zwangslage ausgehen, da Sie offensichtlich ohne die eingegangene Ehe, die wiederum an den Vertrag gebunden war, Ihren Beruf nicht hätten ausüben dürfen. Des Weiteren ist wohl auch davon auszugehen, dass ein krasses Ungleichgewicht bestand. Sie übten die Tätigkeit letztlich in der Praxis Ihres Ehemannes aus, waren also in doppelter Hinsicht von ihm abhängig. Ebenso scheint er Ihnen von Beginn an die Einkommens- und Vermögensverhältnisse unrichtig dargestellt zu haben. Er hatte also quasi einen Wissensvorsprung.
Durch die Ehe wurde es Ihnen möglich, Ihre Berufstätigkeit auszuüben. Ob dies jedoch als einziger Vorteil die weitreichenden Nachteile aufwiegt, erscheint fraglich.
Dementsprechend würde ich Ihnen anraten, sich auch im Scheidungsverfahren anwaltlich vertreten und den Ehevertrag im Einzelnen überprüfen zu lassen. Sollten die oben ausgeführten Kriterien erfüllt sein, könnte entsprechender Vortrag im Rahmen des Scheidungsverfahrens erfolgen.
Durch die unrichtigen Angaben im Rahmen der Steuererklärung könnte Ihr Mann eine Straftat im Sinne der Abgabenordnung (§ 370 AO
– Steuerhinterziehung) begangen haben. Allerdings kann dies aus der Ferne nicht beurteilt werden. Bevor Sie jedoch diesbezüglich weitere Schritte ergreifen, möchte ich Ihnen dringend anraten, sich auch diesbezüglich anwaltlichen Rat einzuholen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen eine erste rechtliche Orientierung geben konnte. Im Rahmen dieses Forums kann stets nur eine erste Einschätzung des Sachverhalts erfolgen.
Abschliessend möchte ich Sie noch darauf hinweisen, dass durch das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts anders ausfallen kann. Im Falle von Unklarheiten machen Sie bitte von der kostenlosen Nachfragefunktion Gebrauch.
Im Übrigen wünsche ich Ihnen für die weiteren Schritte und das bevorstehende Verfahren alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Miriam Helmerich
Rechtsanwältin
Diese Antwort ist vom 20.06.2008 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrte Frau Helmerich,
wegen der Angaben zur Steuererklärung habe ich noch eine Frage.
Mein Mann hatte die Steuererklärungen immer fast zwischen Tür und Angel schnell von mir unterschreiben lassen ohne, dass ich die Möglichkeit bekam zu überprüfen. Immer heilte es. So habe ich die meinsten Zeit mit unterschrieben.Ich habe ihn blind vertraut, in jeder Hinsicht. Aber er hat mein Vertrauen maßlos mißbraucht. Er ist 24 Jahre älter als ich und ich wäre nie auf die Idee gekommen ihn zu mißtrauen.
Was kann ich nun tun?
Danke für ihre Antwort
Sehr geehrte Fragestellerin,
offensichtlich haben Sie die Steuererklärung gemeinsam abgegeben, wurden also bislang steuerrechtlich gemeinsam veranlagt. Ebenso haben Sie, entsprechend Ihren Angaben, ebenfalls unbewusst und ungewollt unrichtige Angaben gemacht, da Sie Ihrem Ehemann vertrauten.
Ihre Angaben deuten ebenfalls darauf hin, dass ein Steuerberater nicht mit dem Sachverhalt und der Abgabe der Erklärungen betraut wurde, was ich ungewöhnlich finde.
Nach alledem würde ich Ihnen umso mehr anraten, sich vor der Einleitung weiterer Schritte vor Ort anwaltlich beraten und unter Umständen vertreten zu lassen. Wie Sie ausführten, hatten Sie eine Kollegin mit der Geltendmachung von Trennungsunterhalt beauftragt. Unter Umständen kann Ihnen die Kollegin auch weiterhin behilflich sein bzw. Ihnen auch einen mit dem Steuerrecht vertrauten Kollegen benennen.
Weitergehende Ratschläge kann ich Ihnen bedauerlicherweise nicht erteilen, da der steuerrechtliche Sachverhalt ohne Kenntnis der getätigten Angaben sowie angegebenen Zahlen und Unterlagen nicht in Gänze beurteilt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Miriam Helmerich
Rechtsanwältin