Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Diese möchte ich auf Grundlage Ihrer Angaben wie folgt beantworten:
Die Frage nach der internationalen Zuständigkeit ist sehr wichtig. Eine entsprechend falsche Zuweisung ist mitunter nicht nur mit unnötigem Zeitverlust, sondern gar mit Verfahrensnachteilen verbunden. Reichen Sie in Deutschland eine Scheidungsklage ein und es stellt sich heraus, dass das deutsche Gericht nicht zuständig ist, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Eine Verweisung an ein oder die Abgabe an ein ausländisches Gericht ist nicht möglich. Jedes Gericht geht von den Gesetzen des eigenen Landes aus.
Erst muss die Zuständigkeit des Gerichts geklärt werden, dann welches Recht zur Anwendung kommt und dann, wenn ein Urteil gesprochen worden ist, ob es im jeweiligen Ausland anerkannt wird bzw. ob es vollstreckt werden kann.
Für die Europäische Gemeinschaft regelt seit 2001 die sog. Brüssel II Verordnung internationale Zuständigkeiten. § 2 der Verordnung stellt hinsichtlich der Zuständigkeit auf den gewöhnlichen Aufenthalt ab. So sind demnach diejenigen Gerichte des Mitgliedsstaats zuständig, in dessen Gebiet beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Verordnung gilt nur für die Mitgliedsstaaten, zu denen Polen ja neuerdings gehört. Die Scheidung müsste also in Polen durchgeführt werden.
Haben die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, so ist das Recht des Staates maßgebend, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder während der Ehe zuletzt gehabt haben, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das bedeutet, dass bei Ihrer Ehe deutsches Recht angewandt würde, wenn die Familie zuletzt in Deutschland zusammengelebt hätte.
Eine Ehe zwischen einer deutschen Frau und einem polnischen Mann richtet sich daher nach deutschem Recht, wenn das Paar in Deutschland lebt! Das bedeutet aber auch, dass zum Beispiel auf eine deutsch/polnische Ehe, die in Polen geführt wurde, polnisches Recht angewendet wird, auch dann, wenn die deutsche Frau nach Deutschland zurückkehrt.
Haben die Ehegatten keine gemeinsame Staatsangehörigkeit und keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt (so sieht es nach Ihrer Fragestellung aus), so gilt das Recht des Staates, dem die Ehegatten auf andere Weise gemeinsam am engsten verbunden sind oder waren. Im Einzelfall ist es aber schwierig dies festzustellen (vermutlich ist dies auch Polen).
In Polen ist vor dem Ausspruch der Scheidung ein Sühnverfahren notwendig. Ferner ist über das Verschulden der Parteien eine Entscheidung zu treffen. Letzteres ist insbesondere auch im Hinblick auf den Unterhalt zu klären, da die Unterhaltsberechtigung von der Feststellung des Verschuldens im Scheidungsurteil abhängt.
Für die Anerkennung des Urteils in Deutschland gilt die Verordnung Nr. 1347/2000. Entscheidungen in Ehesachen, die in einem der EU-Staaten in Verfahren ab dem 01.03.2001 ergangen sind, werden in den anderen Mitgliedstaaten von den Standesämtern und anderen Behörden ohne weiteren Nachweis anerkannt. Die Anerkennung wird nur bei schweren Verfahrensfehlern abgelehnt. Hat jemand Zweifel an der Anerkennungsfähigkeit des Urteils, so kann dies durch ein Anerkennungsverfahren vor dem Oberlandesgericht überprüft werden. Mit Anerkennung der ausländischen Ehescheidung gilt die Ehe auch für den deutschen Rechtsbereich - rückwirkend auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der ausländischen Entscheidung - als geschieden.
Die Durchführung des Versogungsausgleichs (VA) ist nicht zwingend. Hinsichtlich der Durchführung des VA ist das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages für die allgemeinen Ehewirkungen galt, also hier Polen. Da die Ehe nach ausländischem Recht geschlossen wurde, gilt dies grundsätzlich auch bei der Scheidung für den VA. Der VA hat sich aber im Ausland kaum durchgesetzt. Bisher kennen nur einige Staaten (z.B. Irland, die Niederlande und die Schweiz) den VA.
Mit freundlichen Grüßen
Hayo Wiebersiek