Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne nehme ich zu Ihrer Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Angaben und Ihres Einsatzes wie folgt Stellung:
1.
Sie gehen zutreffend davon aus, dass es sich bei einem Vertrag zur individuellen Herstellung eines Softwareprogramms (Software-Vertrag) um einen Werkvertrag handelt. Es gelten somit die §§ 631 ff. BGB
.
Dass es keinen schriftlichen Vertrag gibt, ist zunächst unbeachtlich, denn Werkverträge können auch mündlich geschlossen werden. Die Zahlung auf von Ihnen ausgestellte Rechnungen über erbrachte oder zu erbringende Werkleistungen würde auf einen entsprechenden Vertragsschluss schließen lassen.
2.
Liegt somit ein Vertrag vor, steht Ihnen nach § 631 Abs. 1 BGB
grundsätzlich auch eine Vergütung zu. Können Sie eine Vergütung in der vereinbarten Höhe nicht beweisen, gilt eine übliche Vergütung als vereinbart und ist vom Auftraggeber geschuldet, § 632 Abs. 2 BGB
.
Insgesamt ist Ihr Vergütungsanspruch – sofern nichts anderes vereinbart wurde bzw. eine abweichende von demjenigen, der sich darauf beruft, nicht bewiesen werden kann – aber erst dann fällig, wenn Ihr Auftraggeber das Werk abgenommen hat, § 641 Abs. 1 BGB
. Eine Abnahme ist eine Willenserklärung, mit der der Erklärende erklärt, dass Werk im Wesentlichen vertragsgemäß sei. Die Abnahme muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden. Ihr Vertragspartner kann die Abnahme allerdings nicht ohne Grund verweigern, sondern es müsste schon ein Mangel vorliegen. Der Mangel dürfte auch nicht unwesentlich sein, § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB
. Hat der Auftraggeber keinen berechtigten Grund, die Abnahme zu verweigern, müssten Sie ihm eine angemessene Frist zur Abnahme setzen: Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist, § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB
. Erst nach fruchtlosem Verstreichen dieser Frist könnten Sie Ihre noch ausstehende Vergütung einklagen.
3.
Zu Ihrer Frage, ob Sie zurücktreten können: Sie geben an, dass Ihre letzte Rechnung unter Fristsetzung nicht bezahlt worden sei. Wenn Sie auch den Zugang der Rechnung/Zahlungsaufforderung beweisen können, können Sie unter den Voraussetzungen des § 323 BGB
den Rücktritt vom Werkvertrag erklären. Hat Ihr Vertragspartner beispielsweise auf diese Zahlungsaufforderung nachweisbar erwidert und darauf Bezug genommen, könnten Sie im Fall der Fälle auch den Zugangsbeweis erbringen, andernfalls sollten Sie ihn erneut mahnen (per Fax und/oder Einschreiben/Rückschein) und erst nach Verstreichen der neuen Frist zurücktreten. Eine Frist müssten Sie nicht setzen, wenn Ihnen Ihr Vertragspartner bereits ernsthaft und endgültig mitgeteilt hat, dass er nicht zahlen werde (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
).
Im Falle des Rücktritts würde sich der Werkvertrag per Gesetz in ein sog. Rückgewährschuldverhälntis umwandeln; es gelten die §§ 346 ff. BGB
. Jeder muss die empfangenen Leistungen und gezogene Nutzungen an deren anderen herausgeben. Hier gilt bei Software-Produkten allerdings die Besonderheit, dass die Herausgabe „nach der Natur des Erlangten" gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB
ausgeschlossen ist. Denn die individuelle Herstellung einer Software ist im Wesentlichen eine geistige Leistung. Diese kann Ihnen Ihr Vertragspartner der Natur der Sache nach nicht zurückgeben, sondern muss Ihnen dafür den Wert ersetzen, § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB
. Hier müsste also ermittelt werden, welchen objektiven Wert die bislang gelieferten Software-Bestandteile haben, wobei die vertragliche Vergütung bei der Berechnung des Wertersatzes zugrundezulegen ist, § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB
. Diesen müsste Ihnen Ihr Vertragspartner ersetzen. Von diesem Betrag wäre die Vergütung abzuziehen, die Sie bereits von Ihrem Vertragspartner erhalten zu haben.
4.
Sie schreiben, dass Ihr Vertragspartner Ihnen vorwirft, dass Sie sich im Verzug mit der Herstellung der Software befinden würden, und daher Schadensersatz verlangen würde. Hier müsste geprüft werden, ob die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs überhaupt vorliegen. Grundsätzlich gilt hier: Ihr Vertragspartner müsste Ihnen eine ANGEMESSENE Frist zur Erfüllung des Softwarevertrages gesetzt haben und diese müsste ohne Ihr Verschulden fruchtlos verstrichen sein. Eine Fristsetzung wäre z. B. entbehrlich, wenn bei Vertragsschluss ein bestimmter Fertigstellungstermin vereinbart wurde, was aber Ihr Vertragspartner zu beweisen hätte. Sie schreiben, dass eine solche Frist zur Fertigstellung der Software gerade nicht vereinbart wurde. Dann stehen Ihrem Vertragspartner aber aus Verzugsgesichtspunkten keine Schadensersatzansprüche zu.
Ich hoffe, Ihnen hiermit einen ersten Überblick über die Rechtslage verschafft zu haben, und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Felix M. Safadi
Rechtsanwalt
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Diese Antwort ist vom 24.09.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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