Sehr geehrter Fragesteller,
soweit die Schenkung unter eine Auflage erfolgte, kann der Schenker das Geschenk insoweit zurück fordern, als es zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen (§ 527 BGB
).
Eine Schenkung kann vom Schenker nach § 528 BGB
zurück gefordert werden, wenn dieser finanziell nicht mehr in der Lage ist, seinen eigenen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nachzukommen. Nach § 530 BGB
kann eine Schenkung wegen groben Undanks widerrufen werden, wenn der Beschenkte eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder eines nahen Angehörigen des Schenkers begangen hat. Der Erbe des Schenkers kann allerdings die Schenkung nur widerrufen, wenn der Beschenkte den Schenker vorsätzlich und rechtswidrig getötet oder am Widerruf gehindert hat.
Tritt der Erbfall ein und wurde Ihr Bruder zum Alleinerben eingesetzt, kann dieser die Schenkung ansonsten nicht direkt rückgängig machen. Richtig ist jedoch, dass die Schenkung bei der Berechnung der Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche berücksichtigt wird. Ob Ihr Bruder die Schenkung dann indirekt teilweise noch rückgängig machen kann, hängt vom Verhältnis zwischen dem Wert der Schenkung und des Nachlasses ab und wieviel Zeit seit der Schenkung verstrichen ist.
Nach der jetzigen Rechtslage ist die Schenkung bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen in vollem Umfang zu berücksichtigen, wenn zwischen der Leistung der Schenkung und dem Erbfall keine zehn Jahre liegen. Es ist allerdings geplant, das Gesetz so zu ändern, dass mit jedem Jahr, das seit der Schenkung vergangen ist, diese anteilig immer weniger berücksichtigt wird. Bei der Berechnung des ergänzten Pflichtteils wird der Wert der Schenkung dann (fiktiv) dem Nachlass hinzugerechnet.
Wurde Ihr Bruder in dem neuen Testament als Alleinerbe eingesetzt, erreicht der Wert des Erbes aber nicht die Höhe seines ergänzten Pflichtteils, so hat er einen Anspruch gegen Sie auf Herausgabe der Schenkung, soweit Sie noch bereichert sind (§ 2329 BGB
, ich gehe hierbei davon aus, dass nicht noch andere Beschenkte zu berücksichtigten sind). Sie können die Herausgabe dann durch Zahlung des fehlenden Betrages abwenden. Ihr eigener ergänzter Pflichtteil muss Ihnen aber auch verbleiben. Sind Sie beide als Erben eingesetzt, wäre die Schenkung insoweit im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen.
Soweit Sie selbst in dem neuen Testament enterbt wurden und einen Pflichtteilsanspruch gegen den Erben geltend machen, so ist die von Ihnen erhaltene Schenkung bei der Berechnung der Höhe Ihres Pflichtteils eventuell ausgleichs- oder anrechnungspflichtig. Handelt es sich bei der Schenkung rechtlich weder um eine Ausstattung oder um (wiederkehrende) Einkünfte, noch um Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf, so ist die Schenkung aber nur dann ausgleichspflichtig, wenn Ihre Mutter die Ausgleichung bereits bei der Schenkung angeordnet hatte (§ 2050 BGB
).
Auch müssten Sie sich die Schenkung nach § 2315 BGB
nur dann (ganz oder hälftig) auf Ihren Pflichtteil anrechnen lassen, wenn bereits bei der Schenkung von Ihrer Mutter bestimmt wurde, dass es auf Ihren Pflichtteil anzurechnen ist.
Ich hoffe, dies hilft Ihnen als erste rechtliche Orientierung in Ihrer Angelegenheit weiter.
Bei Unklarheiten nutzen Sie bitte die kostenlose Nachfragefunktion. Sie können die genannten Vorschriften unter http://tinyurl.com/2ulce6 nachlesen.
Soweit ansonsten aus dem Bereich frag-einen-anwalt.de heraus eine Kontaktaufnahme an mich gewünscht ist, bitte ich zunächst ausschließlich um Kontakt per E-Mail.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Haeske
Rechtsanwältin
Antwort
vonRechtsanwältin Gabriele Haeske
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Tel: 05407-8575168
Web: http://www.scheidung-ohne-rosenkrieg.de
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Sehr geehrte Frau Haeske,
ich danke Ihnen für Ihre ausführliche Antwort. So ganz beantwortet sie meine Frage, die ich möglicherweise aus Mangel an juristischen Kenntnissen nicht präzise genug gestellt habe, nicht vollständig. Ich gebe Ihnen zum besseren Verständnis den Text der Schenkung zur Kenntnis:
„Die Mutter schenkt ihrem Sohn hiermit einen Geldbetrag von € xxx, den er sich aufgrund der zu seinen Gunsten bestehenden Bankvollmacht selbst abheben und sich zuführen darf. Dieser Schenkungsbetrag ist nicht auf Erb-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche des Sohnes nach der Mutter anzurechnen.“
Es folgen noch Hinweise auf die §§528
bis 532
sowie 2325 BGB.
Meine Mutter verfügt zwar über weiteres, mir nicht bekanntes Vermögen, von dem aber angenommen werden soll, dass es zum Zeitpunkt ihres Todes nicht mehr vorhanden ist. Ich stelle meine Frage in anderer Form. Sind folgende Szenarien möglich:
- Ich bin Haupterbe, mein Bruder erhält den Pflichtteil (das ist die Situation nach dem ersten Testament)
- Das Testament wurde geändert. Mein Bruder ist Haupterbe, ich erhalte nur den Pflichtteil (das war in meiner Frage mit der indirekten Rücknahme der Schenkung durch Änderung des Testaments gemeint.)
- Eine dritte Person, die in keinem Verwandtschaftverhältnis zu meiner Mutter steht, wird mit einem Geldbetrag im Testament bedacht. Da außer der Schenkung kein weiteres Vermögen vorhanden ist, müsste ich die dritte Person aus der Schenkung bezahlen.
Ich danke für Ihre Bemühungen.
Sehr geehrter Fragesteller,
1. Szenario: Tritt der Erbfall innerhalb von zehn Jahren seit der Schenkung ein, so wird diese bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs Ihres Bruders berücksichtigt.
2. Szenario: Auf Ihr Pflichtteil ist die Schenkung lt. der Vereinbarung nicht anzurechnen. Die Schenkung wird berücksichtigt, sofern zwischen Erbfall und Schenkung keine zehn Jahre liegen. Erreicht das Erbe Ihres Bruders nicht den Wert seines ergänzten Pflichtteils, so kann er gegen Sie einen Anspruch auf § 2329 BGB
auf Herausgabe des Geschenkes haben, soweit Sie noch bereichert sind. Diesen Anspruch können Sie durch Zahlung des fehlenden Betrages abwenden.
3. Szenario:
Beruht die Überschuldung des Nachlasses NUR auf Vermächtnissen und Auflagen, so besteht keine Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags vom Erben zwecks Herbeiführung einer Haftungsbeschränkung. Der Erbe haftet dann nur mit dem Nachlass und kann die Einrede der Überschwerung erheben. Dies gilt aber nicht, wenn Sie als Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten bereits allgemein unbeschränkt mit Ihrem ganzen Vermögen (also auch mit der Schenkung) haften. Z.B. dadurch dass eine vom Nachlassgericht gesetzte Frist für die Errichtung eines Inventars versäumt wurde oder das eingereichte Inventar unrichtig ist.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele Haeske
Rechtsanwältin