Sehr geehrte Ratssuchende,
gerne beantworte ich Ihre Frage aufgrund Ihrer Sachverhaltsschilderung wie folgt:
Soweit Sie mitteilen, Ihre Reise in Deutschland gebucht zu haben, gehe ich zunächst davon aus, dass deutsches Recht Anwendung findet, wobei dies mangels Kenntnis der genauen Vertragsunterlagen nicht abschließend beurteilt werden kann.
1.
Dies vorausgesetzt, könnte ein Kündigungsrecht wegen höherer Gewalt gemäß § 651j Abs. 1 BGB
in Betracht kommen, sofern Ihr Mann aufgrund der Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen zwischen Ägypten und der Türkei kein Visum erhalten sollte.
Nach § 651j Abs. 1 BGB
kann der Reisende den Vertrag kündigen, wenn die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird.
Höhere Gewalt liegt dabei grundsätzlich bei von außen kommenden betriebsfremden Ereignissen vor, wobei das Ereignis weder in den Risikobereich des Reiseveranstalters noch in den privaten Risikobereich des Reisenden fallen darf (Führich, Handbuch Reiserecht Rn 537).
Grundsätzlich zählen auch behördliche Maßnahmen zur höheren Gewalt, sofern diese unvorhersehbar, erheblich und von außen auf die Reise einwirken (Führich, Handbuch Reiserecht Rn 544). Nach der Rechtsprechung berechtigt daher die kurzfristige unangekündigte und unvorhergesehene Verschärfung der Einreisebestimmungen des Zielstaates einer Reise, die zu deren Undurchführbarkeit führt, weil die nun erforderlichen Visa nicht (mehr rechtzeitig) beschafft werden können, zur Kündigung des Reisevertrages wegen höherer Gewalt (OLG Frankfurt, Urteil vom 16.09.2004, Az. 16 U 49/04
).
Bei einer Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen dürfte nichts anderes gelten, da Ihr Mann aufgrund der Beantragung des Visums seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sein dürfte. Bei äußerster vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt dürfte davon auszugehen sein, dass die eingetretene Störung weder im Betriebsrisiko des Reiseveranstalters noch im privaten Verantwortungsbereich des Reisenden liegen dürfte (Führich, Handbuch Reiserecht Rn 544).
Die Nichtausstellung des Visums aufgrund der Einstellung der diplomatischen Beziehungen dürfte zudem bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar gewesen sein und auch zu einer erheblichen Erschwerung bzw. Beeinträchtigung der Reise führen, da die Reise für Ihren Ehemann in das Reiseland nicht durchführbar wäre.
Problematisch könnte jedoch in diesem Zusammenhang sein, dass Sie selbst sowie Ihre Kinder in das Reiseland reisen könnten, da Sie von der Problematik (Visum) nicht betroffen wären. Insoweit könnte sich der Reiseveranstalter daher auf den Standpunkt stellen, dass im Hinblick auf Sie und Ihre Kinder kein Fall der höheren Gewalt vorliegt.
Andererseits könnten Sie dahingehend argumentieren, dass es sich um eine gemeinsame Reise mit der Familie handeln sollte. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass bei Vertragsschluss durch einen Familienangehörigen für sich und seine Angehörige (Ehegatte, Kinder), lediglich der Anmeldende alleiniger Vertragspartner des Reiseveranstalters wird (Führich, Handbuch Reiserecht Rn 117). Daher könnte man den Standpunkt vertreten, dass auch der gesamte Reisevertrag gekündigt werden müsste. Ob sich insoweit Probleme ergeben könnten, kann jedoch von hieraus nicht abschließend beurteilt werden.
Im Falle einer Kündigung wegen höherer Gewalt verliert der Reiseveranstalter gemäß § 651j Abs. 2 S. 1
, 651e Abs. 3 BGB
den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. An die Stelle des Reisepreises tritt jedoch ein Entschädigungsanspruch nach § 638 Abs. 3 BGB
, wobei sich dieser auf die bereits erbrachten und noch bis zur Beendigung der Reise zu erbringenden Reiseleistungen bezieht. Wird der Reisevertrag vor Reisebeginn gekündigt, hat der Veranstalter grundsätzlich noch keine Reiseleistungen für den Reisenden erbracht, die im Reisevertrag „wurzeln", so dass letztlich auch keine Stornokosten anfallen dürften (Führich, Handbuch Reiserecht Rn 559).
2.
Sollte Ihr Mann das Visum erhalten, dürfte Ihnen hingegen kein Anspruch auf Kündigung wegen höherer Gewalt gemäß § 651j BGB
zustehen. Allein das Risiko des Verlustes eines Reisepasses dürfte den Aspekt der höheren Gewalt nicht erfüllen, sondern vielmehr dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sein. Reisestörungen, die dem allgemeinen Lebensrisiko des Reisenden unterfallen, stellen grundsätzlich keine höhere Gewalt i. S. d. § 651j BGB
dar (Führich, Handbuch Reiserecht Rn 541).
Sollten Sie trotz Ausstellung des Visums die Reise dennoch nicht antreten wollen, könnten Sie grundsätzlich nach § 651i Abs. 1 BGB
jederzeit vor Reisebeginn vom Reisevertrag zurücktreten, was jedoch zur Folge hätte, dass die im Reisevertrag vereinbarten Stornokosten anfallen würden.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten Überblick verschafft zu haben.
Ich weise abschließend darauf hin, dass es durch Hinzufügen und Weglassen wesentlicher Umstände im Sachverhalt durchaus zu einer komplett anderen rechtlichen Bewertung kommen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Neubauer
Rechtsanwalt
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Diese Antwort ist vom 26.11.2013 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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