Sehr geehrter Fragesteller,
gerne beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Es handelt sich in Ihrem Fall tatsächlich um 2 Erbfälle. Sie können und sollten daher entsprechende Erbscheine beantragen.
Nach dem ersten Erbfall ist es zu einer Erbengemeinschaft nach § 2032 BGB
zwischen den Kindern und der Mutter gekommen. Diese Erbengemeinschaft ist bis heute nicht auseinandergesetzt, da die Mutter den vollständigen Nachlas in Besitz genommen hatte. Als Miterbe haben Sie gegenüber dem noch nach dem Tode der Mutter verbliebenen Miterben einen Anspruch auf Mitwirkung bei der Auseinandersetzung nach § 2042 Abs. 1 BGB
. Gegenüber Dritten, wie insbesondere Banken und Versicherungen, haben Sie aus Ihrer eigenen Stellung als Miterbe einen Auskunftsanspruch. Um den Nachlass nach Ihrem Vater genau feststellen zu können, sollten Sie mithilfe der Angaben Dritter (Banken etc.) und des noch verbliebenen Miterben aus der Erbengemeinschaft nach Ihrem Vater ein Nachlassverzeichnis zum Zwecke der Auseinandersetzung fertigen. Hierzu besteht eine Mitwirkungspflicht des Miterben. Nachdem Sie einen entsprechenden Erbschein haben, bekommen Sie auch die Auskünfte Dritter.
Was den zweiten Erbfall betrifft, so sehe ich für eine Testamentsanfechtung geringe Erfolgsaussichten. Unabhängig von den Fristen für eine solche Anfechtung ergibt sich aus den Angaben Ihrer Mutter noch keine Angreifbarkeit. Die Aussage, Ihre Mutter könne frei über ihr Vermögen ist so noch nicht unzutreffend. Zu ihrem Vermögen gehört nämlich dasjenige nicht, was noch dem Nachlass des Vater zuzurechnen wäre. Darüber hat sie nicht testiert, wenn sie über ihr Vermögen spricht. Die Frage ist auch, ob es ein Berliner Testament gegeben hat. Die Tatsache dass ein solches nicht bei Gericht hinterlegt war, spielt für die Wirksamkeit keine Rolle. Wenn es nun nicht mehr auffindbar ist, dann hat es zuvor offensichtlich aber existiert. Ob dieses Testament allerdings wirksam gewesen ist, lässt sich nun nicht mehr klären. Doch selbst wenn man dieses Testament außen vor ließe, ergäbe sich hieraus noch keine Unwirksamkeit bzw. Anfechtbarkeit. Eine Anfechtung kommt nach § 2078 BGB
dann in Betracht, wenn der Erblasser bei der Errichtung des Testamentes über dessen Inhalt im Irrtum gewesen ist oder eine solche Erklärung gar nicht abgeben wollte. Es kann ferner dann angefochten werden, wenn der Erblasser bei der Verfassung des Testamentes irrtümlich Umstände angenommen hat, die nicht zutreffen. Dies müsste der Anfechtende aber auch beweisen können, nämlich insbesondere, dass der Erblasser bei Kenntnis der wahren Umstände eine andere Verfügung getroffen hätte. Gerade die führt in der Praxis meist zu unüberwindbaren Hürden.
Allein die fehlende Aufklärung des Notars über Pflichtteilsansprüche macht ein Testament nicht angreifbar. Ansprüche gegen den Notar setzen voraus, dass gerade der Pflichtenverstoß zu einem Schaden geführt hat. Dies ist in der Regel nur schwer beweisbar.
Allerdings kann eine abschließende Aussage über die Wirksamkeit bzw. Anfechtbarkeit des Testaments nur durch Prüfung der vorliegenden Originalunterlagen erfolgen. Sie sollten daher erwägen sich anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Hierfür biete ich mich im Rahmen einer Direktanfrage an.
Sie sollten nun also entsprechende Erbscheine beantragen, Auskünfte einholen und versuchen den ersten Nachlass mittels Verzeichnis festzustellen. Dann sollte die Auseinandersetzung dieses Nachlasses erfolgen um für die zweite Abwicklung eine gesicherte Grundlage zu haben.
Diese Antwort ist vom 29.03.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Guten Tag Herr Meivogel,
vielen Dank für Ihre erste rechtliche Einschätzung.
Was sich mir noch nicht ganz erschließt ist der Umstand, das die Mutter bei hrem notariellen Testament wörtlich erklärt hat:
" in der freien Verfügung über mein Vermögen bin ich in keinster Weise beschränkt, weder durch einen Erbvertrag noch durch ein gemeinschaftliches Testament. Vorsorglich widerrufe ich alle etwa vorhandenen früheren Verfügungen von Todes wegen".
Hier hätte meiner Ansicht nach der Notar nachhaken müssen, wie der erste Erbfall abgewickelt wurde. Da er dieses nicht getan hat, macht er sich angreifbar. Ferner hat er keine Sicherungsklausel eingebaut über eine Belehurng hinsichtlich normaler Erbfolge und Pflichtteilanspruchsrecht.
Und hier ist schon ein Schaden nachweisbar, denn ein Pflichtteilsanspruch, der ja aus dem Testament erwächst ist ja nur halb so hoch wie der Erbteil.
Hinsichtlich der Frsiten zur Anfechtung verbleibt ja 1 Jahr nach Erlanung der Kenntnis.
Freundliche Grüße
Sehr geehrter Fragesteller,
möglicherweise ist diese Formulierung wegen des von Ihrer Mutter seinerzeit vorgelegten Berliner Testaments gewählt worden. Wenn man die Existenz und die Gültigkeit eines Berliner Testaments unterstellt, dann wäre Ihre Mutter alleinige Erbin nach Ihrem Vater geworden. Pflichtteilsansprüche hätten dann seinerzeit geltend gemacht werden müssen.
Im Übrigen wäre aber eine solche Formulierung auch nicht falsch, denn auch mit gesetzlicher Erbfolge war Ihrer Mutter eine freie Verfügung möglich.
Hinsichtlich der unterbliebenen Belehrung bleibt es für die Annahme eines Ersatzanspruches bei der schwierigen SItuation einen Kausalzusammenhang zwischen einem Schaden und einer Pflichtverletzung nachzuweisen.