Sehr geehrte Fragestellerin,
zu Ihrer Anfrage nehme ich wie folgt Stellung:
I.
Beim Berliner Testament setzen sich die Eheleute in Form eines gemeinschaftlichen Testaments gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Sinn dieser Testamentsform ist es, daß die Kinder das Vermögen beider Elternteile erst nach dem Tod des Letztversterbenden erben.
II.
Als Ihre Mutter im Jahr 1990 verstorben ist, ist also Ihr Vater alleiniger Erbe geworden.
Bezüglich des Hausgrundstücks gehe ich davon aus, daß Ihre Eltern je zu 1/2 Miteigentümer gewesen sind. Nach dem Tod der Mutter ist Ihr Vater folglich Alleineigentümer geworden.
Im Jahr 1994 hat der Vater Ihnen und Ihrem Bruder das Grundstück zu Eigentum übertragen. Damit sind Sie und Ihr Bruder je zu 1/2 Miteigentümer geworden.
Ausbedungen hat sich Ihr Vater ein Wohn- und Niebrauchsrecht. Das Nießbrauchsrecht ist im Gesetz (BGB) geregelt und gibt dem Berechtigten, also dem Vater, das Recht, sämtliche Nutzungen aus dem Grundstück zu ziehen und auch das Grundstück in Besitz zu nehmen.
III.
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage gilt Folgendes:
1.
Als Miteigentümerin könnten Sie ohnedies eine Wohnung nur mit Zustimmung des Bruders verkaufen. Auch das Nießbrauchsrecht des Vaters steht einem Verkauf entgegen, da dieser dem Nießbrauch, also dem Recht, die Nutzungen aus dem Haus (Mieteinnahmen) zu ziehen, zuwider laufen würde.
Verkaufen können Sie folglich nur mit Zustimmung des häftigen Miteigentümers, also Ihres Bruders, und Ihres Vaters.
2.
Nutzen dürfen Sie eine der Wohnungen nur mit Zustimmung des Nießbrauchsberechtigten, also Ihres Vaters. Er hat das alleinige Nutzungsrecht.
3.
Auch vor 22 Jahren stand Ihnen kein Recht zur Wohnungsnutzung ohne Zustimmung zu. Folglich gibt es auch keinen Anspruch auf entgangene Mieten.
4.
Davon zu unterscheiden sind eventuelle Pflichtteilsansprüche nach dem Tod der Mutter, die nach dem Sachverhalt aber nicht geltend gemacht worden sind.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Raab, Rechtsanwalt