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Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Es kommt darauf an, ob Ihr Lebenspartner Haushaltsmitglied i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
des Wohngeldgesetzes (WoGG) ist. Das ist der Fall, wenn er mit Ihnen "so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen." Dieses wird nach § 5 Abs. 2 WoGG
gesetzlich vermutet, wenn mindestens eine der Voraussetzungen nach den Nummern 1 bis 4 des § 7 Abs. 3a
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erfüllt ist.
§ 7 Abs. 3a SGB II
lautet:
Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner
1. länger als ein Jahr zusammenleben,
2. mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3. Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4. befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Bei Ihnen sind die Nummern 1 und 2 jedenfalls erfüllt. Sie müssten deshalb gegenüber der Wohngeldstelle den Gegenbeweis führen, dass trotz des Vorliegens dieser Indiztatsachen gleichwohl keine sogenannte Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliegt.
Unabhängig davon spricht z.B. für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, dass etwa die Kosten des Alltags nicht getrennt bestritten werden, sondern aus einer Kasse gewirtschaftet wird. Lebens- und Verbrauchsmittel werden gemeinsam genutzt bzw. konsumiert (keine getrennten Fächer im Kühlschrank z.B.). Es finden gemeinsame Freizeitaktivitäten statt.
Letztlich spricht gerade auch die Verwendung der Bezeichnung "Lebenspartner" sehr für eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft.
Nach dem von Ihnen geschilderten Sachverhalt hätte die Behörde zunächst eine Haushaltsgemeinschaft anzunehmen mit der Folge, dass das Einkommen Ihres Lebenspartners bei der Berechnung eines Wohngeldanspruchs gemäß §§ 13 ff. WoGG
zu berücksichtigen wäre.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben, und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwalt Gero Geißlreiter
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Rückfrage vom Fragesteller
17.08.2019 | 11:49
Sehr geehrter Herr Geißlreiter,
vielen Dank für Ihre schnelle Antwort. Die Indiztatsachen nach SGB II waren mir soweit bekannt.
Da ich allerdings der Ansicht bin, dass aufgrund unserer sehr speziellen Lebenssituation (u.a. getrennte Schlafräume) und der strikten Trennung der Finanzen, eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nicht vorliegt, werde ich in jedem Fall versuchen diese bei der Wohngeldstelle zu wiederlegen.
Welche Argumente kann ich hier gegenüber der Wohngeldstelle anbringen? Es existieren sicher hierzu auch Entscheidungen von Sozialgerichten, die helfen könnten.
Vielen Dank und viele Grüße.
Antwort auf die Rückfrage vom Anwalt
17.08.2019 | 14:17
Sehr geehrte Fragestellerin,
der Gesetzgeber hat mit Wirkung zum 01.08.2006 den Absatz 3a in § 7 SGB II
eingefügt und dadurch auf die bisherige Rechtsprechung der Sozialgerichte zur Thematik reagiert. Ganz bewusst wurde in Korrektur der bisherigen Rechtsprechung die Beweislast für das Nichtvorliegen einer Einstandsgemeinschaft auf den Hilfeempfänger verlagert.
Weitere Voraussetzung für die Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist, dass die Partner in einem gemeinsamen Haushalt zusammen leben und aus einem Topf wirtschaften. Das bedeutet nicht nur die – auch in reinen Wohngemeinschaften übliche – gemeinsame Nutzung von Küche, Bad und Gemeinschaftsräumen sowie den gemeinsamen Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln. Vielmehr muss der Haushalt von beiden Partnern gemeinsam – wenn auch nicht zwingend zu gleichen Anteilen – geführt und finanziert werden (BSG, Urteil vom 23.08.2012 – B 4 AS 34/12 R
–).
Als widerlegt kann die Vermutung gelten, wenn der Leistungsberechtigte Gründe vorträgt, die das Vorliegen eines Tatbestandes anders als durch eine Einstehensgemeinschaft erklären (z.B. wenn die Verfügungsgewalt über das Konto wegen eines Betreuungsverhältnisses vorliegt oder die gemeinsame Betreuung eines Kindes lediglich wegen des z.B. krankheitsbedingten Ausfalls einer Betreuungsperson erfolgt (Estelmann, Kommentar zum SGB II - Grundsicherung für Arbeitsuchende, § 7 SGB II
, Rn. 68). Die Trennung der Finanzen ist schon einmal ein wichtiges Argument.
Abstrakt ist von hier aus mangels Kenntnis sämtlicher Detail Ihres Zusammenlebens eine Gesamtbetrachtung nicht möglich. Schildern Sie der Wohngeldsstelle sämtliche Details des Zusammenlebens und Ihre Motivation, nur eine Wohngemeinschaft mit Ihrem Lebenspartner (in diesem Zusammenhang übrigens ein "schädlicher" Begriff!) zu führen. Es kommt immer auf die Besonderheiten des Sachverhalts an, so dass sich aus der vorliegenden Rechtsprechung nur die o.g. Obersätze extrahieren lassen.
Beste Grüße von Gero Geißlreiter, Rechtsanwalt