Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen wie folgt beantworten:
Grundsätzlich lösen Schenkungen des Erblassers nach § 2325 BGB
Pflichtteilsergänzungsansprüche aus.
Ihre Mutter hat ihre Eigentumswohnung verkauft und Ihnen den Erlös überwiesen. Mit demselben haben Sie den Erwerb einer neuen Immobilie teilfinanziert (Mütterhaus), deren Eigentümer Sie geworden sind und der Mutter hier ein wohl unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt.
Insofern ist von einer sogenannten Teilschenkung bzw. gemischten Schenkung auszugehen. Gemischte Schenkungen, also Zuwendungen des Erblassers, für die er vom Beschenkten zwar eine Gegenleistungen erhält, bei der die Gegenleistung jedoch nicht dem Wert der Leistung entspricht, können in Höhe des unentgeltlichen Anteils der Pflichtteilsergänzung unterliegen.
Dies bedeutet, dass vorliegend der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach Abzug des gewährten Wohnrechts zu ermitteln ist. Maßstab wäre hier durchaus der erzielbare Mietzins, mithin die 400 Euro monatlich, für die Zeit, in der die Mutter die Immobilie zu Wohnzwecken nutzen konnte.
Die Abschmelzungsregelung nach § 2325 Abs. 3 BGB
kommt vorliegend meines Erachtens nicht zum Tragen, da die geschilderte Konstellation rechtlich analog der Übertragung des Eigentums der Eltern an die Kinder bei gleichzeitigem Vorbehalt eines Wohn- oder Nießbrauchsrechtes zu bewerten ist.
Die Zehnjahresfrist sowie die Abschmelzung während dieser zehn Jahre nach der Schenkung beginnen nach der Rechtsprechung des BGH dann nämlich nicht zu laufen, wenn die unentgeltliche Zuwendung nicht endgültig aus dem wirtschaftlichen Verfügungsbereich des Erblassers ausgegliedert wurde und bei diesem keinen sogenannten Genussverzicht begründet hat. Dies ist hier nämlich der Fall, denn die Mutter hat Ihnen zwar den Erlösbetrag überwiesen, aber im Gegenzuge ein Wohnrecht an der damit von Ihnen erworbenen Immobilie erhalten. Die Schenkung ist damit erst mit dem Tod der Mutter entgültig vollzogen, da Sie erst jetzt frei hierüber verfügen können (wie eben anderweitig entgeltlich vermieten).
Zu Ihrer zweiten Frage folgendes:
Nach § 2314 BGB
hat Ihre Schwester als Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Dies begründet sich vorrangig damit, dass der Pflichtteilsanspruch ein Anspruch in Geld ist. Die Anspruchshöhe kann naturgemäß nur anhand des Wertes des Gesamtnachlasses ermittelt werden.
Ebenfalls besteht nach § 2314 BGB
ein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Vornahme einer Wertermittlung, ggf. durch Einholung von Sachverständigengutachten. Die hierfür anfallenden Kosten gehen jedoch zu Lasten des Nachlasses und schmälern damit anteilig den Pflichtteilsanspruch.
Die Pflichtteilsberechtigten können zudem nicht auf die Überlassung von bestimmten Nachlassgegenständen verwiesen werden.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Antwort
vonRechtsanwalt Tobias Rösemeier
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Rechtsanwalt Tobias Rösemeier
Fachanwalt für Familienrecht
Bedeutet das, wenn die Schenkung erst nach den Tod meiner Mutter vollzogen ist, das es keine Abschmelzung mehr gibt.
Oder beginnt sie erst nach dem Tod und kommt zum tragen, wenn z.B. eine Anmeldung des Pflichtteilergänzungsanspruchs erst 2 Jahre nach dem Tod der Mutter kommt?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Fragesteller,
aus den in der ersten Antwort genannten Gründen kommt leider außer der Anrechnung des Wohnrechts leider eine Abschmelzung der Schenkung gemäß § 2325 BGB
nicht in Frage.
Nach dem Ableben kann die Abschmelzung auch nicht mehr greifen, da dies gesetzlich nicht vorgesehen ist. Wann der Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht wird, ist zudem leider ohne Bedeutung.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier
-Rechtsanwalt-