Sehr geehrter Ratsuchender,
1.
An sich ist der Notar schon ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, und von Berufs wegen auch zur Unparteilichkeit verpflichtet. Allerdings kann er sich bei seinen Feststellungen und Auskünften nur auf den ihm vorliegenden bzw. schlüssig vorgetragenen Sachverhalt beziehen. Er hat auch keine Verpflichtung, den Sachverhalt in allen Einzelheiten auf seine Wahrheit hin zu überprüfen.
Deshalb steht Ihnen und den anderen Pflichtteilsberechtigten in dieser Konstellation neben Ihrem Auskunftsanspruch gemäß § 2314
Abs. 1 Satz 2 BGB
auch ein Wertermittlungsanspruch zu. Dies bedeutet, dass Sie schon im Vorfeld der eigentlichen Auskunftserteilung durch unabhängiges Sachverständigengutachten die Werte der einzelnen Nachlassgegenstände klären lassen können.
Darüber hinaus haben Sie aus der eben genannten Vorschrift auch einen Anspruch auf Anwesenheit bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses und können auch Fragen stellen, um etwa die Unvollständigkeit oder Unschlüssigkeit der Auskunft bzw. des Verzeichnisses ans Licht zu bringen.
Sie haben dann die Möglichkeit, den Erben zu einer eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben gemäß § 260
Abs. 2 BGB zu zwingen. Ist die eidesstattliche Versicherung falsch und hat der Erbe insoweit mit Vorsatz gehandelt, macht er sich strafbar gemäß § 156
Abs. 2 StGB
.
2.
Zuwendungen durch den Erben an Dritte, die nicht pflichtteilsberechtigt sind, führen nur zu einem Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn sie innerhalb von zehn Jahren vor dem Erbfall getätigt wurden. Die Zehn-Jahres-Frist des § 2325
Abs. 3 BGB gilt aber nicht zugunsten des selbst beschenkten Pflichtteilsberechtigten. Auch länger zurückliegende Schenkungen müssen hier die Geschwister und der Enkel also untereinander zum Ausgleich bringen, was sich aus §§ 2327
Abs. 1, Abs. 2, 2051
Abs. 1 BGB ergibt (so auch Bundesgerichtshof BGH LM § 2327 Nr. 1; KG NJW 1974, 2131
).
Dafür, dass eine Schenkung, jedenfalls eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, sind die Pflichtteils(ergänzungs)berechtigten beweispflichtig. Aufgrund der Fahrzeugpapiere und der von Ihnen genannten Umstände könnte ein solcher Beweis durchaus geführt werden.
3.
Soweit Sie die Schulden meinen, die für den ältesten Bruder von Ihrer Mutter beglichen wurden, so gilt wiederum die Anrechnungsvorschrift des § 2327 Abs. 1 Satz 1 BGB
, vgl. oben. Dies bedeutet, dass das Eigengeschenk des Pflichtteilsberechtigten nur auf den Ergänzungsanspruch angerechnet wird und in der Regel nicht den ordentlichen Pflichtteil erfasst, selbst wenn das Geschenk die Ergänzung übersteigt.
Nur wenn es infolge einer Anordnung des Erblassers nach § 2315
BGB anrechnungspflichtig ist, wird es gemäß § 2327 Abs. 1 Satz 2 BGB
auch auf den ordentlichen Pflichtteil angerechnet.
Nachdem hier mehrere Beteiligte Zuwendungen erhalten haben, führt dies unter Umständen zu einer komplexen Berechnung.
4.
Grundsätzlich können Sie aber zunächst davon ausgehen, dass sowohl die beiden überlebenden Geschwister als auch der Enkel nebeneinander gleichberechtigt zu einem Zwölftel pflichtteilsberechtigt sind, da Sie alle als Erben erster Ordnung (§ 1924
Abs. 1 BGB) neben dem Ehemann je zu einem Sechstel erbberechtigt wären (§§ 1931
Abs. 1, Abs. 3, 1371
Abs. 1 BGB) und Ihnen hiervon gemäß § 2303
Abs. 1 Satz 2 BGB hiervon wiederum die Hälfte zusteht.
Abweichungen hiervon ergeben sich, wie ausgeführt, aus den verschiedenen Zuwendungen der Erblasserin an die Beteiligten.
5.
Die Auskunftspflicht des Erben aus § 2314 Abs. 1 BGB
besteht in der Tat gegenüber allen Pflichtteilsberechtigten, die nicht selbst Erbe sind.
6.
Das Nachlassverzeichnis ist nicht innerhalb einer bestimmten gesetzlichen Frist zu erteilen. Sie können aber selbst eine Frist setzen und nach dessen Ablauf gegebenenfalls die Auskunft einklagen. Die Frist sollte so bemessen sein, dass sie entsprechenden dem zumutbaren Aufwand für den Verpflichteten noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Umfang der begehrten Auskunft steht, also je nachdem wie aufwendig die Beschaffung der erforderlichen Informationen inklusive Wertermittlung voraussichtlich sein wird.
7.
Auskünfte bei dem Grundbuchamt können Sie schon erhalten, da Sie ein rechtliches Interesse vorweisen können. Banken müssen Ihnen dagegen keine Auskünfte erteilen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 18.03.2008 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Erst einmal herzlichen Dank für die umfassende und schnelle Beantwortung.Punkt 3 bezog sich auf die Restschuld die auf dem Haus liegt,inwieweit wird diese als Passiva dem Nachlass zugerechnet und hat somit auch Einfluss auf die Höhe des Pflichtteils und wie verhält es sich mit den Zuwendungen an die verstorbenen Geschwister?
Vielen Dank für die Antwort auf meine Nachfrage.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Ratsuchender,
der Wert des Nachlasses ist natürlich für die Ermittlung der Höhe des gesetzlichen Erbteils und somit auch des Pflichtteils von maßgeblicher Bedeutung. Nach Ihren Angaben war die Erblasserin zum Todeszeitpunkt noch zu einem Viertel Miteigentümerin der Immobilie, so dass auf der Aktivseite des Nachlasses (neben anderen Vermögenswerten) ein Viertel des Verkehrswertes anzusetzen ist. Nachdem mangels anderslautender Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass Ihre Mutter jedoch weiterhin alleine in voller Höhe für die Restschulden haftbar war, sind diese Schulden auch in voller Höhe (nicht nur zu einem Viertel) als Passiva im Nachlassverzeichnis aufzuführen.
Die Zuwendungen von Miteigentum an der Immobilie werden im Rahmen der Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß den §§ 2325 ff BGB
ausgeglichen, siehe bereits meine Ausführungen in der Erstantwort. Dabei wird der Wert der jeweiligen Zuwendung fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet, um zu ermitteln, wie hoch der Pflichtteil ohne die Zuwendung ausgefallen wäre. Auszugleichen ist dann als Ergänzung die Differenz zum regulären Pflichtteil. Zu beachten ist, dass der Wert der ideellen Grundstücksteile nach dem Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 BGB
zu beurteilen ist, unter Umständen also nach dem Wert zur Zeit der Schenkung, wenn dieser - unter Mitberücksichtigung des Kaufkraftschwundes - niedriger ist als zur Zeit des Erbfalles. Die Schulden sind an dieser Stelle aber nicht zu berücksichtigen, da ich hier von einem lastenfreien Erwerb ausgehe (siehe oben).
Mit freundlichen Grüßen
Wolfram Geyer
Rechtsanwalt