Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegeben Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Ich möchte Ihnen erst einmal mein aufrichtiges Beileid aussprechen.
Vorbehaltlich der abschließenden Prüfung des Testamentes gehe ich aufgrund Ihrer Schilderung davon aus, dass Sie Vorerbin und die leibliche Tochter Ihres verstorbenen Ehemannes (C) Nacherbin in den Nachlass sein sollen.
Damit hat die Tochter (C) bereits jetzt eine indirekte Erbenstellung, nämlich die Stellung des Nacherben.
Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs für den Nacherben ist nur dann möglich, wenn er das Nacherbe ausschlägt.
Ihr Berliner Testament ist damit nicht das klassiche Testament in dem der überlebende Ehegatten zum Alleinerben eingesetzt wird und die Kinder als Schlusserben benannt werden.
Die Vor- und Nacherbschaft unterliegt anderen Regeln. Der Nacherbe erlangt schon mit dem ersten Erbfall, also in Ihrem Fall der Ihres Ehemannes, Erbenstellung.
Um nunmehr einen Pflichtteilsanspruch geltend machen zu können, muss die Nacherbschaft binnen der 6wöchigen Frist des § 1944 BGB
ausgeschlagen werden. Diese Frist ist auch nicht verlängerbar, allerdings ist auch den wenigsten Nacherben bekannt, dass sie ihr Nacherbe ausschlagen müssen, um den Pflichtteil beanspruchen zu können.
Die Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Testamentes, also mit Testamenteröffnung.
Wenn das Testament in Ihrem Fall bereits vor mehr als 6 Wochen eröffnet worden ist, kann die Tochter (C) die Nacherbschaft nicht mehr ausschlagen und damit auch keinen Pflichtteilsanspruch mehr Ihnen gegenüber geltend machen.
Aber selbst dann, wenn ein Pflichtteilsanspruch bejaht werden würde, müsste dieser der Höhe nach erst einmal konkret ermittelt werden. Von dem Verkehrswert der Immobilie müsste dann das Wohnrecht der Schwiegermutter in Abzug gebracht werden. Nach dem statistischen Bundesamt hat die Schwiegermutter noch eine Lebenserwartung von 9 Jahren, so dass der 9jährige Mietzins für die von der Schwiegermutter genutzten Wohnung vom Verkehrswert abzuziehen wäre. Hierneben können noch weitere Nachlassverbindlichkeiten in Abzug gebracht werden, bevor der Pflichtteil ermittelt wird.
Selbst bei einer vorsichtigen Schätzung dürfte das Wohnrecht mindestens mit 30.000 € zu bewerten sein, so dass sich ausgehend von einem Reinnachlass von 100.000 € ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 25.000 € ergeben würde.
Als Erbin haben Sie hier aber die Möglichkeit, gemäß § 2331 a BGB
die Stundung des Pflichtteils zu beantragen. Gerade dann, wenn der Erbe das Familienheim verkaufen müssten, um den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, besteht die Möglichkeit der Stundung.
Ich empfehle Ihnen das Testament von einem Fachanwalt für Erbrecht prüfen zu lassen im Hinblick auf die Vor- und Nacherbschaft. Wenn die Ausschlagungsfrist von 6 Wochen bereits für die Tochter (C) verstrichen ist, können Sie den Pflichtteilsanspruch zurückweisen. Dann muss sich Tochter (C) an die Vorgaben des Testamentes halten.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier, Rechtsanwalt
Diese Antwort ist vom 22.06.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Sehr geehrter Herr Rösemeier,
vielen Dank erst einmal für das schnelle Beantworten meiner Frage. Hier eine NAchfrage:
Ich habe gehört, dass das Familiengericht bei der Ausschlagung des Erbes von Tochter (C) zustimmen muss. Stimmt das ?
Herzlichen Dank für Ihre Mühe.
lila1967
Sehr geehrte Ratsuchende,
gerne nehme ich zu Ihrer Nachfrage wie folgt Stellung.
Das Vormundschaftsgericht würde im vorliegenden Fall für das minderjährige Kind (C) einen Ergänzungspfleger bestellen, der dann prüft, ob die Ausschlagung der Erbschaft im Sinne des Kindes ist.
Alleinige Entscheidungsmacht hat also die Kindesmutter in diesem Fall nicht, es bedarf der Zustimmung des Ergänzungspflegers.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Rösemeier
- Rechtsanwalt -