Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen und des Einsatzes für eine Ersteinschätzung wie folgt beantworten:
Bei den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte handelt es sich grundsätzlich um Werbungskosten. Das gilt für Fahrten mit dem PKW wie mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Voraussetzung für den Ansatz anderer Werbungskosten ist die so gut wie ausschließlich berufliche Veranlassung. Einen nennenswerte Privatnutzung schließt daher den Ansatz als WK in der Regel aus.
Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Kosten für das Bahnticket grundsätzlich Werbungskosten, da Sie das Ticket ausschließlich gekauft haben, um - wie schon in der Vergangenheit - die Arbeitsstätte erreichen zu können.
Der Ansatz dieser Fahrtkosten als Werbungskosten ist durch die gesetzliche Regelung der Pendlerpauschale anscheinend beschränkt worden.
Im Visier des Gesetzgeber waren bei der Beschränkung vor allem die Fahrten zwischen Wohnung und 1. Tätigkeitsstätte mit dem PKW. Das ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber den für PKW üblichen Pauschsatz von 0,30/km, allerdings pro Entfernungskilometer angesetzt hat. Das zeigt auch der Umstand, dass es auf die kürzeste Straßenverbindung ankommt. Dieser Gesichtspunkt scheidet bei anderen Verkehrsmitteln aus.
Flugstrecken sind von der Pendlerpauschale ausgenommen. Diese werden daher mit den tatsächlich entstandenen Kosten angesetzt. Eine andere Regelung hätte dazu geführt, dass der Steuerpflichtige bei Flugreisen wegen der relativ zur Flugstrecke günstigen Tickets mit der Kilometer bezogenen Pendlerpauschale höhere Kosten geltend machen könnte als ihm entstanden sind. Zwar gilt dieser Grundsatz unter Umständen auch für die Bahn. Hier hat der Gesetzgeber dieses mögliche Ergebnis, das auch bei Fahrtgemeinschaften entsteht, in Kauf genommen. Jedenfalls könnte der Flugreisende die Kosten für ein vergeblich gekauftes Ticket als Werbungskosten geltend machen.
Daraus kann man schließen, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Nutzer von öffentlichen Verkehrsmitteln zumindest im Verhältnis zu Flugreisenden nicht benachteiligt werden. Genau diese Situation tritt bei Ihnen ein, wenn Sie Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte tragen, diese aber wegen des Wortlautes des § 9 "Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht" als Werbungskosten nicht geltend machen können. Das ist meines Erachtens mit Sinn und Zweck der Regelung unvereinbar. Sie verstößt auch gegen das verfassungsrechtlich gebotene Netto- und Leistungsfähigkeitsprinzip.
Meines Erachtens kann das Gesetz zwanglos in Ihrem Sinne ausgelegt werden. Nach dem Gesetz gilt die Pendlerpauschale nur für Arbeitstage, an denen die Arbeitsstätte aufgesucht worden ist. Also gilt sie nicht für Arbeitstage, in dem die Arbeitsstätte nicht aufgesucht worden ist. Damit fällt die Beschränkung weg und die Kosten können in vollem Umfang geltend gemacht werden.
Bei dieser Auslegung können Sie das Bahnticket in voller Höhe als Werbungskosten geltend machen.
Ich mache allerdings darauf aufmerksam, dass die vorliegende Problematik bislang weder in Literatur noch Rechtsprechung diskutiert wurde. Hierzu gibt es anscheinend auch keine Äußerung der Finanzverwaltung. Allgemein wird vertreten, dass die Pendlerpauschale nur gewährt werden kann, wenn die Arbeitsstätte aufgesucht wird. Ob daraus der Schluss gezogen werden muss, dass überhaupt keine Kosten angesetzt werden können, wenn die Arbeitsstätte nicht aufgesucht worden ist, erscheint zweifelhaft. Hiervon scheint die herrschende Meinung stillschweigend auszugehen. Zwingend ist das jedoch nicht.
Ich halte meine Auffassung für zutreffend, weil damit auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungssfähigkeit die erforderliche Beachtung geschenkt wird und es sich um eine am Wortlaut des Gesetzes orientierte Auslegung handelt. Es spricht meines Erachtens viel dafür, dass der Bundesfinanzhof ähnlich argumentieren würde.
Wie die Finanzverwaltung die Angelegenheit handhabt, ist ungewiss.
Also würde ich die Tickets als sonstige Werbungskosten ansetzen. Zur Vermeidung einer möglichen Steuerhinterziehung sollte der Sachverhalt so dargestellt werden, wie er sich tatsächlich zugetragen hat.
Sollte das Finanzamt der Meinung sein, dass die obige Auslegung unzutreffend ist, sollte beantragt werden, die Steuer gem. § 163 AO
niedriger festzusetzen, weil der Wortlaut des Gesetzes über das eigentliche von ihm verfolgte Ziel deutlich hinausgeht und den Abzug von Werbungskosten vorliegend gänzlich verhindert, was nicht Sinn und Zweck der Regelung war. Die Anwendung des § 163 AO
darf aber nicht dazu führen, dass Sie besser stehen, als wenn Sie gefahren wären. Daher ist jetzt eine Beschränkung der anzusetzenden Fahrtkosten so vorzunehmen, als ob Sie die Fahrten - wie üblich - unternommen hätten.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich über den Fortgang der Angelegenheit unterrichten könnten.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen. Für eine 5-Sterne Bewertung wäre ich dankbar.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Meyer
Rechtsanwalt
Steuerrecht Steuerstrafrecht
Sehr geehrter Herr Meyer,
vielen Dank für Ihre ausführliche Beantwortung meiner Frage.
Ich würde mich Ihren Ausführungen soweit gern anschließen.
Der Anlage N würde ich ein separates Schreiben beifügen,
mit der kurzen Schilderung Krankheit, REHA, Zukunft Arbeit,
Kündigung Abo....
In die Anlage N - Einkünfte aus Nichtselbständiger Arbeit - Weitere Werbungskosten, soweit nicht steuerfrei ersetzt - trage ich in Zeile 46 - 48, "Sonstiges (z. B. Bewerbungskosten,Kontoführungsgebühren)"
die tatsächlichen Kosten - ÖPNV, DB Abo Jahresticket/ICE) - ein
Soweit o.k.?
Ich bin auch auf den Steuerbescheid gespannt und werde Sie gern über das Resultat informieren.
Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
Ein schönes Wochenende!
Sehr geehrter Fragesteller,
genauso würde ich es machen.
Viel Glück!
Ich wünsche Ihnen ebenfalls ein schönes Wochenende und mir eine 5-Sterne-Bewertung.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Meyer