Sehr geehrter Fragesteller,
ich bedanke mich für Ihre online-Anfrage, zu der ich aufgrund Ihrer Angaben wie folgt Stellung nehmen möchte:
Dem von Ihnen zitierten Urteil des OLG Nürnberg lag die Fallgestaltung zugrunde, dass die Insolvenzschuldnerin mit Ihrem Ehemann und ihrem Sohn ein zur Insolvenzmasse gehörendes Haus bewohnte. Das Gericht vertrat die Auffssung, dass die Insolvenzschuldnerin an die Insolvenzmasse eine Nutzungsentschädigung zu zahlen habe, die Angehörigen des Insolvenzschuldners jedoch nur dann, wenn dies besonders vereinbart ist oder sie dem Insolvenzschuldner zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sind.
Diese Entscheidung wäre nur dann vollumfänglich auf die von Ihnen geschilderte Fallgestaltung anwendbar, wenn das Haus zu 100 % in die Insolvenzmasse fiele. Hinsichtich der Hälfte des Hauses ist die Insolvenzschuldnerin „nur“ Miteigentümerin mit ihren beiden Kindern. Bei der insofern bestehenden Gesamthandsgemeinschaft gibt es keinen rechtlich abgrenzbaren Anteil an den einzelnen Gegenständen des Vermögens. Vielmehr fällt in die Masse nur der ideelle Anteil am Gesamthandsvermögen, wobei der Insolvenzverwalter den Miterbenanteil veräußern kann ( §§ 2033 Abs. 1 BGB
, 859 Abs. 2 ZPO ) oder nach § 84 InsO
die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ( § 2042 BGB
) betreiben kann. Auf Kosten der Insolvenzmasse nutzt die Insolvenzschuldnerin ohne rechtlichen Grund im Sinne von § 812 BGB
zunächst 50 % des Hauses sowie ihren Miteigentumsanteil an der anderen Hälfte des Hauses. Die von dem Insolvenzverwalter angesetzte Nutzungsentschädigung berechnet auf die Gesamtfläche des Hauses halte ich daher für falsch. Einschlägige Entscheidungen hierzu liegen – soweit ersichtlich – nicht vor. Vielmehr dürfte eine Nutzungsentschädigung in Höhe von rund 67 % gerechtfertigt sein. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, wenn Ihrer Partnerin von ihrem Einkommen der Anteil bis zur Pfändungsfreigrenze nach § 850 ff. ZPO
abgezogen wird.
Würde das Haus von der Insolvenzschuldnerin und den Kindern nicht mehr genutzt werden, könnte der Insolvenzverwalter auch keine entsprechende Entschädigung verlangen. Denn dann ist der seitens des Insolvenzverwalters bestehende Herausgabeanspruch erfüllt und die Insolvenzschuldnerin nicht mehr auf Kosten der Masse bereichert. Der Insolvenzverwalter kann sodann die Verwertung betreiben, hinsichtlich der einen Hälfte jedoch nur in Höhe des Miteigentumsanteils der Insolvenzschuldnerin.
Eine Rechtsmittelbelehrung enthalten die Beschlüsse des Insolvenzgerichts nur dann, wenn gesetzlich die Beschwerdemöglichkeit besteht. Weiterhin dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird. Insofern nimmt der Insolvenzverwalter in erster Linie die Rechte der Gläubiger wahr. Der Insolvenzverwalter steht jedoch gem. § 58 InsO
unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung von ihm verlangen. Erfüllt der Verwalter seine Pflichten nicht, so kann das Gericht nach vorheriger Androhung Zwangsgeld gegen ihn festsetzen. Die in § 58 Abs. 1 InsO
normierte Aufsichtspflicht des Gerichtes dient gerade auch dem Schutz der Belange des Schuldners bei einem drohenden Rechtsverlust durch das Insolvenzverfahren. Soweit Anhaltspunkte für eventuelle Pflichtverletzungen des Insolvenzverwalters bestehen, sollte die Insolvenzschuldnerin diese daher dem Insolvenzgericht unverzüglich anzeigen. Darüber hinaus ist die berufsständische Aufsicht durch die jeweilige Anwaltskammer und Anwaltsgerichtsbarkeit gegeben.
Ich hoffe, Ihnen eine hilfreiche erste Orientierung gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Petry-Berger
Rechtsanwältin
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Diese Antwort ist vom 04.07.2006 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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