Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre gestellte Frage beantworte ich wie folgt:
Sie sollten hier zunächst den örtlichen Bebauungsplan einsehen. Dieser regelt häufig die Zulässigkeit von Nebenanlagen. Ein Kinderspielhaus auf Stelzen ist idR. eine solche Nebenanlage. Je nach Planinhalt kann den im Bebauungsplan enthaltenen Festsetzung u.U. nachbarschützende Wirkung zu Ihren Gunsten zukommen.
In diesem Zusammenhang ist weiter abzuwägen, ob das Vorhaben des Nachbarn ggf. gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtsnahme verstösst. Nach seinem objektivrechtlichen Gehalt schützt das Gebot der Rücksichtnahme die Nachbarschaft vor unzumutbaren Einwirkungen, die von einem Vorhaben ausgehen. Drittschützende Wirkung kommt dem Rücksichtnahmegebot zu, soweit in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines Personenkreises Rücksicht zu nehmen ist, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ist dann anzunehmen, wenn sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Bauvorhabens dem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann; vgl. Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr., Urteil vom 17.04.2008, Az.: 4 K 25/08
.NW.
Hier müssen ggf. die konkreten Einzelheiten abgewogen werden, wobei bereits anzumerken, dass der Lärm spielender Kinder und die vermutliche Einsehbarkeit des Grundstücks voraussichtlich zu dulden sein werden. Es müssten schon zusätzliche Umstände zu Ihren Lasten gehen.
In bauordnungsrechtlicher Hinsicht ist die Einhaltung der Abstandsflächen des § 6 LBauO NW zu prüfen. Diese betragen drei Meter. Dann müsste das Spielhaus aber überhaupt ein Gebäude darstellen. Daran fehlt es u.a., wenn ein erwachsener Mensch normaler Größe nicht in natürlicher, aufrechter Haltung hineingehen kann. Keine Gebäude sind danach bauliche Anlagen, die für erwachsene Menschen keine normalen Eintritts- oder Aufenthaltsmöglichkeiten bieten, wie Silos, ein Kleinzelt, eine Hundehütte oder ein Spielhaus für Kinder; vgl. Urteil VG Neustadt/Wstr., s.o..
Gem. § 6 X LBauO NW entsprechend für bauliche Anlagen, die nicht Gebäude sind,
1. soweit sie höher als 2 m über der Geländeoberfläche sind und von ihnen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen oder
2. soweit sie höher als 1 m über der Geländeoberfläche sind und dazu geeignet sind, von Menschen betreten zu werden.
Nähere Einzelheiten können hier nicht abgewogen werden. Wenn Sie mit der Errichtung des Spielhauses nicht einverstanden sind, sollten Sie im weiteren die zuständige Bauaufsichtsbehörde informieren. Es muss dann insbesondere abgewogen werden, ob von dem Haus in seiner konkreten Gestaltung eine gebäudegleiche Wirkung ausgeht.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten hilfreichen Überblick in der Sache verschafft zu haben. Ich weise darauf hin, dass die Beantwortung Ihrer Frage ausschließlich auf Grundlage Ihrer Schilderung erfolgt. Die Antwort dient lediglich einer ersten rechtlichen Einschätzung, die eine persönliche und ausführliche Beratung durch einen Rechtsanwalt in den seltensten Fällen ersetzen kann. Das Weglassen oder Hinzufügen weiterer Sachverhaltsangaben kann möglicherweise zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen. Eine endgültige Einschätzung der Rechtslage ist nur nach umfassender Sachverhaltsermittlung möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Matthes
Rechtsanwalt
Antwort
vonRechtsanwalt Guido Matthes
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Guten Abend Herr Matthes,
herzlichen Dank für Ihre interessanten Informationen.
Wir sind überhaupt nicht gegen den Spielturm. Wir haben selbst Kinder und wissen wie viel Spaß so ein Türmchen macht.
Laut örtlichem Bebauungsplan sind Nebenanlagen nur außerhalb der Vorgartenbereiche zulässig. Also ist der Bau des Türmchens in diesem hinteren Bereich auch völlig okay.
Wir empfinden es lediglich äußerst frech, den Turm einfach direkt an die Grundstücksgrenze zu setzen. Ein "Vorbereitungsgespräch" mit uns Nachbarn hätten wir als selbstverständlich gesehen. Nun ja ...
Muss unser Nachbar mit dem Bau des Spielturms einen Abstand zur Grundstücksgrenze einhalten oder nicht?
Freuen uns auf Ihre Nachricht.
Freundliche Grüße aus Münster
Sehr geehrte Fragestellerin,
der Nachbar muss einen Abstand von drei Metern einhalten, wenn dem Spielhaus eine gebäudegleiche Wirkung zukommt. Dies ist anhand der konkreten Gestaltung des Spielhauses und zusätzlich nach Lage und baulicher Umgebung zu beurteilen.
Schutzzweck der Abstandsvorschrift liegt darin, dass durch Mindestabstände die Gefahr der Brandübertragung, der Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung, der unangemessenen optischen Beengung oder der Störung des Wohnfriedens vorgebeugt werden und ganz allgemein vermeiden werden soll, dass die Lebensäußerungen der in der Nachbarschaft wohnenden und arbeitenden Menschen zu intensiv aufeinander einwirken.
Es handelt sich bei der gebäudegleichen Wirkung einer baulichen Anlage damit nicht um ein festes Merkmal. Tatsächlich ist hier Raum zur Abwägung der gegenseitigen und öffentlichen Interessen. Sprechen Sie zu diesem Punkt zumindest nachträglich einmal mit dem Nachbarn, um ggf. einen gemeinsamen Konsens durch eine einvernehmliche Gestaltung des Spielhauses finden zu können.
Wenn kein Einvernehmen möglich ist, bleibt nur die Alternative, die Bauaufsichtsbehörden einzuschalten und die Überprüfung vornehmen zu lassen, ob aufgrund der konkreten Umstände vor Ort ein Grenzabstand nötig ist oder nicht. Aus der Ferne lässt sich dies leider aber nicht bewerten.
Mit freundlichen Grüßen aus Wuppertal
Matthes
Rechtsanwalt