Sehr geehrte Fragestellerin,
Ihre Frage möchte ich aufgrund der von Ihnen gemachten Angaben verbindlich wie folgt beantworten:
Gegen fehlerhafte Betriebskostenabrechnungen können Sie selbstverständlich fristgerecht Widerspruch einlegen, Belegeinsicht verlangen, konkrete Einwände erheben und Berichtigung der Abrechnung verlangen.
Ob Sie außerdem bis zur Berichtigung die Betriebskosten bzw. die entsprechende Nachzahlung einbehalten dürfen, also von einem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen können, hängt insbesondere auch davon ab, ob die Abrechnung formell oder nur materiell (inhaltlich) fehlerhaft war. Die von Ihnen gelisteten Punkte lassen zunächst eher an eine inhaltliche Unrichtigkeit denken. Die Anforderungen an formelle Fehler sind relativ hoch. Besonders kommen dabei Fehler in Frage wie: keine schriftliche, verständliche, nachvollziehbare Abrechnung, fehlende Angabe der Gesamtkosten und deren Zusammensetzung, etc. Die Abgrenzung ist mitunter nicht ganz einfach und hat stets im konkreten Einzelfall zu erfolgen. Ein Zurückbehaltungsrecht kann außerdem vorliegen, wenn der Vermieter unberechtigterweise dem Mieter die Einsicht in die Belege der Nebenkosten versagt.
Im Zweifel sollte man bei der Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes auf eigene Faust Vorsicht walten lassen, um keine Kündigung zu riskieren, falls sich im Nachhinein herausstellt, dass die Voraussetzungen im konkreten Fall doch nicht vorlagen. Eine Alternative hierzu wäre die Zahlung unter Vorbehalt.
In jedem Falle sollten Sie Ihren Vermieter noch einmal schriftlich unter Fristsetzung dazu auffordern, Ihnen 1. Einsicht in die entsprechenden Belege zu gewähren und 2. die Abrechnungen entsprechend Ihrer konkreten Einwände zu berichtigen. Dies sollte aus Nachweisgründen beispielsweise mittels Einwurfeinschreiben oder durch Einwurf des Schreibens in den Briefkasten des Vermieters im Beisein eines Zeugen geschehen. Für den Fall des fruchtlosen Ablaufs der Frist können Sie androhen, Ihren Anspruch auf Abrechnung klageweise geltend zu machen.
Ebenso sollten Sie vorgehen, wenn Ihr Vermieter nach dem Auszug die Kaution nicht vollständig zurückzahlt (wobei die Rechtsprechung Vermietern hier nach dem Auszug Überlegungs- und Prüfungsfristen von mehreren Monaten zuspricht).
Erwähnt sei in diesem Zusammenhang noch die Rechtsfolge der Verjährung - für Ansprüche aus Nebenkostenabrechnungen gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren. Die Frist Beginnt mit Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Wenn Sie die erste fehlerhafte Abrechnung und damit die Nachforderung bereits 2018 erhalten haben, dürfte damit mit Ende des Jahres 2021 die Verjährung eintreten. Rechtsfolge der Verjährung ist, dass sich der Schuldner auf die Verjährung berufen und die Erfüllung des Anspruchs verweigern kann. Der Gläubiger kann seinen Anspruch dann nicht mehr erfolgreich einklagen. Im Falle von Betriebskosten (als sogenannte "wiederkehrende Leistungen") darf der Vermieter dann auch nicht mehr gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters aufrechnen.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie gerne nachfragen.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin Melanie K. Fritz
Antwort
vonRechtsanwältin Melanie Fritz
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Sehr geehrte Frau Fritz,
vielen Dank für die verständliche und hilfreiche Antwort!
Ich habe noch eine Rückfrage zum Thema "Zurückbehaltungsrecht": Wir haben uns mit unserem Vermieter zur Belegeinsicht getroffen und ihn mit dem exorbitanten Anstieg der Reinigungskosten konfrontiert. Er meinte, dass die Abrechnung der Reinigungsleistung auf Vertrauensbasis erfolgen würde. Da uns dies nicht ausreichte, sagte er uns zu (es waren weitere Mieter anwesend), dass er uns eine genaue Erläuterung für den Kostenanstieg liefern würde. Diese haben wir jedoch nie erhalten. Steht uns wegen der fehlenden Erläuterung ein Zurückbehaltungsrecht zu?
Darüber hinaus wollte uns unser Vermieter weitere Belege zukommen lassen, die er bei unserem Gespräch nicht finden konnten. Womöglich könnten wir diese inzwischen einsehen, wenn wir erneut einen Termin zur Belegeinsicht vereinbaren würden. Allerdings hatte er uns zugesagt, er würde uns die Belege mailen (Bringschuld). Steht uns hier ein Zurückbehaltungsrecht zu?
Freundliche Grüße
Sehr geehrte Fragestellerin,
danke für Ihre Nachfrage und Ihr positives Feedback.
Die Information, dass eine Abrechnung der Reinigungsleistung auf Vertrauensbasis erfolgt, ist natürlich nicht ausreichend. Insoweit hätte der Vermieter die Kosten auf Ihren Wunsch hin genauer darlegen müssen. Auch hätte er Ihnen längst Einsicht in die Belege gewähren sollen.
Problematisch ist in diesem Zusammenhang dennoch, ob in Ihren Fällen ein "Verweigern" der Einsicht vorliegt, wie es die Rechtsprechung fordert. So hat das Landgericht Berlin kürzlich (Urteil vom 14.06.2019; AZ – 63 S 255/18) entschieden, dass z.B. in dem Schweigen des Vermieters auf eine Terminsanfrage des Mieters zu einer Belegeinsicht noch keine Verweigerung der Belegeinsicht zu sehen ist. Nach diesem Urteil hätten die Mieter für ein Zurückbehaltungsrecht den Vermieter nicht nur schriftlich in Verzug setzen müssen, sondern bei Schweigen des Vermieters bzw. der Verwaltung selbst dort auch ohne Terminvereinbarung eine Einsichtnahme versuchen müssen.
So wie Sie die Situation geschildert haben, halte ich Ihre beiden Fälle für vergleichbar. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts halte ich daher im konkreten Fall für nicht ohne Risiko.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Rückfrage zufriedenstellend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Rechtsanwältin Melanie K. Fritz