Sehr geehrte Fragestellerin,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass dieses Forum lediglich die Funktion hat, Ihnen einen ersten Überblick über die Rechtslage zu geben. Eine persönliche Beratung/Vertretung kann und soll hierdurch nicht ersetzt werden. Hinzufügen oder Weglassen wesentlicher Tatsachen kann zu einer anderen Beurteilung des Falles führen. Unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsangaben und des von Ihnen gebotenen Einsatzes beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Bei der Beantwortung Ihrer Frage gehe ich davon aus, dass sämtliche beschädigten bzw. zerstörten Pflanzen und andere Sachen allein auf Ihrem Grundstück standen und sich somit in Ihrem Alleineigentum befanden (etwas anderes würde nach § 923 BGB
nämlich gelten, wenn ein Baum genau auf der Grenze gestanden hätte). Dann stellt das Verhalten des Nachbarn eine Eigentumsverletzung zu Ihrem Nachteil dar, so dass Ihnen gem. § 823 I BGB
ein Schadensersatzanspruch zusteht. Schadensersatz in diesem Sinne bedeutet, dass Sie gem. § 249 II BGB
den Geldbetrag verlangen können, der aufgewendet werden muss, um den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Sie können also den Wiederbeschaffungswert für gleichwertige Sachen verlangen. Ob es sich hierbei um 8.973,78 € oder um 4.500 € handelt, kann im Rahmen der hier vorzunehmenden Erstberatung nicht abschließend beantwortet werden. Zutreffend ist, dass grundsätzlich nur der Zeit- nicht der Neuwert einer Sache geschuldet wird (offenkundig wird dies bei einem Verkehrsunfall: Würde ein gebrauchtes Fahrzeug zerstört werden, müsste der Schädiger kein Neufahrzeug bezahlen sondern lediglich den Betrag, der für die Beschaffung eines gleichwertigen Gebrauchtfahrzeugs aufzuwenden wäre).
Sollten Sie gegen Ihren Nachbarn einen Prozess anstrengen, hätten Sie die volle Beweislast zu tragen. Das bedeutet, dass Sie zum einen beweisen müssten, dass Ihr Nachbar die entstandenen Schäden vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat. Dieser Beweis dürfte Ihnen bereits dadurch gelingen, dass Ihr Nachbar dies schriftlich zugestanden hat. Problematisch ist jedoch, dass Sie auch die Schadenshöhe beweisen müssten. Sollte Ihr Nachbar dann die von Ihnen angegebene Schadenshöhe bestreiten, müsste hierüber Beweis durch ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Das von Ihnen bereits eingeholte Gutachten würde nicht ausreichen, da es sich bei einem Gutachten nur dann um ein förmliches Beweismittel handelt, wenn es vom Gericht in Auftrag gegeben wurde. Hier besteht nun das Risiko, dass der gerichtlich bestellte Gutachter zu einer geringeren Schadenshöhe gelangt. Dann würden Sie lediglich einen geringeren Betrag erhalten, würden den Prozess anteilig verlieren und müssten dementsprechend auch anteilig die Verfahrenskosten tragen. Würde der gerichtliche Gutachter auch zu dem Ergebnis gelangen, dass Ihnen lediglich 4.500 € zustehen, müssten Sie in etwa die Hälfte der Prozesskosten tragen. Bei dem vorleigenden Streitwert würden sich die Verfahrenskosten auf 3.262,16 € belaufen(hierbei habe ich zwei Anwälte und die Gerichtskosten berücksichtigt, die Kosten des gerichtlichen Gutachters wären noch hinzuzurechnen). Im Ergebnis erscheint es daher sehr zweifelhaft, ob ein Prozess wirtschaftlich sinnvoll ist, wenn Ihnen die gegnerische Versicherung ohnehin bereits 4.500 € anbietet. Ohne alle Details des Falles zu kennen, bin ich aufgrund der mir bekannten Informationen dazu geneigt, Ihnen zu empfehlen, sich mit der Versicherung zu einigen und die Sache schnell zu einem außergerichtlichen Abschluss zu bringen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Prozess, der ggf. mehrere Instanzen umfasst, mehrere Jahre dauern kann und sich das nachbarschaftliche Verhältnis weiter verschärfen kann. Demgegenüber kann es vorzugswürdig sein, zwar finanzielle Abstriche zu machen, dann aber Ruhe und Frieden zu haben.
Sollten Sie gleichwohl einen Anwalt beauftragen wollen, um außergerichtlich oder gerichtlich gegen den Nachbarn vorzugehen, können Sie sich gern an mich wenden.
Ich hoffe, Ihnen einen ersten Überblick über die Rechtslage gegeben zu haben.
Diese Antwort ist vom 30.12.2010 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
Jetzt eine neue Frage stellen
Sehr geehrter Herr Liedtke,
vielen Dank für Ihre Antwort. Leider hat sie meine Frage nicht ganz beantwortet, was u.U, daran liegen mag, dass ich diese nicht ‚konkret’ genug gestellt habe. Mein Nachbar schrieb mir folgendes : „Von meiner Seite aus benötige ich keinen Sichtschutz oder Zaun an unserer gemeinsamen Grundstücksgrenze, stelle Ihnen jedoch frei, einen Sichtschutz selbst nach Ihren Vorstellungen zu errichten, da dieser von der Versicherung bezahlt wird." Ersehen Sie daraus, dass ich eventuell doch noch weitere Ansprüche gegen den Nachbarn habe ? (Einerseits hat der Nachbar mir mündlich und schriftlich einen Zaun zugesichert, andererseits dann aber die Abwicklung auf die Versicherung geschoben, die bereit wäre mehr zu zahlen, wenn ich die Rechnung der ehemaligen Anschaffungskosten hätte, die es ja aber nicht geben kann, weil es den Zaun bislang ja gar nicht gab…. Letztendlich ist es wohl Versicherungs''betrug'', was er da versucht…) Bzw. die Frage : habe ich dadurch, dass ich der Versicherung meine Forderungen genannt habe, keine weiteren finanziellen Ansprüche an den Nachbarn ?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Fragestellerin,
gern möchte ich Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:
Wie bereits ausgeführt hat die Versicherung nur Schadensersatz, also eine Wiedergutmachung, zu leisten. Sie hat nicht für die Neuanschaffung eines Sichtschutzes aufzukommen, der vorher nie existiert hat. Sollte sie hierfür gleich wohl eine Zahlung leisten, dann nur, weil sie darüber getäuscht wurde. Wie Sie bereits erkannt haben, bedeutet das einen Betrug durch Ihren Nachbarn. Hieran sollten Sie keinesfalls mitwirken. Denn auch Sie können sich hierdurch wegen Beihilfe zum Betrug strafbar machen.
Um auf Ihre eigentliche Nachfrage zurückzukommen: Sie selbst haben keinerlei unmittelbaren Ansprüche gegen die Versicherung sondern nur gegen Ihren Nachbarn. Es steht also lediglich im Raum, dass Sie die Leistung der Versicherung als Leistung Ihres Nachbarn annehmen. Erfolgt nur eine Teilleistung, erlöschen Ihre übrigen Ansprüche nicht. Nichts anderes gilt, wenn Sie der Versicherung Ihre Ansprüche genannt haben. Dies stellt keinen Verzicht bezüglich der Ansprüche gegen Ihren Nachbarn dar. Letztendlich kann Ihnen das Versicherungsverhältnis genau genommen sogar egal sein: Sie haben Schadensersatzansprüche gegen Ihren Nachbarn, und zwar unabhängig davon, ob oder in welcher Höhe der Nachbar Ausgleich von seiner Versicherung hierfür erlangt.
Ich hoffe, Ihre Nachfrage hinreichend beantwortet zu haben, und wünsche Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr und alles Gute für 2011.
Mit freundlichen Grüßen
Lars Liedtke
Rechtsanwalt