Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Leider kann ich ihnen an dieser Stelle nicht weiter zur Selbstverteidigung raten. Hiersollte zwingend ein Anwalt eingeschalten werden, der zuvor von ihnen sämtliche Schriftstücke bekommt oder Akteneinsicht nimmt und um eine Fristverlängerung bittet.
Ich möchte den Fall kurz zusammenfassen, um zu klären ob ich ihn soweit richtig verstanden habe. Sie waren angestellt und haben auf Bitte des Geschäftsführers ihre Anstellung gekündigt, wobei sie einen Fahrtweg von 40 km auf sich genommen haben. Sie haben mit ihm einen Vertrag über die freiberufliche Tätigkeit auf Provisionsbasis geschlossen. Er versprach ihnen mündlich zunächst ein Gehalt für 6 Monate und zog sich dann auf 3 Monate zurück. Sie sollten Häuser/Grundstücke vermitteln. Nach dem abgeschlossenen Vertrag sind sie allerdings nicht zur Vermittlung von Objekten befugt, obwohl ihr Gegener behauptet, dass sie genau hierfür die Provision erhalten sollten. Nach der Auszahlung ihres ersten Gehaltes (1500 €) auf ein A-Konto haben sie die Firma verlassen und arbeiten nun wieder bei ihrem alten Arbeitgeber.
Etwa 1 Jahr nach ihrem Ausscheiden tauchte eine Provisionsabrechnung auf dem A-Konto auf, allerdings decken die Provisionen ( von 6000 € Vermittlungsvolumen) nicht das erste Gehalt, sondern es besteht ein Überschuss zu 940 €, die ihr ehemaliger Chef nun zurückfordert.
Es ist über dieses Geld bereits ein Gerichtsverfahren anhängig und die erste Hauptverhandlung fand bereits statt. In dieser befand der Richter das Provisionskonto für ausschlaggebend, um einen Vorschuss und damit eine Rückzahlung zu bejahen.
Ihr Fahrtenbuch reichte nicht aus.
Sie trugen vor, dass Nebenabreden - wie der angebliche Vorschuss- nicht schriftlich fixiert wurden und dass sie neben der Provisionstätigkeit "reguläre" Arbeitstätigkeiten, wie die Betreuung der Geschäftsräume, damit diese dem Kundenverkehr zugänglich sind.
Ich hoffe ich habe den Sachverhalt richtig zusammengefasst, und bitte um Korrektur über die Nachfragefunktion , wenn dies nicht der Fall ist.
Ihre Chancen das Ergebnis der Hauptverhandlung noch zu revidieren sind nicht gut, hier wird vermutlich ein Klage stattgebendes Urteil ergehen, so dass sich ein Anwalt bereits jetzt um die Berufung kümmern sollte. Da sie aber selbst mit der Berufung ein erhebliches Risiko eingehen, da der erste Prozess dann schon verloren gegangen ist, rate ich ihnen sofort zum Anwalt zu gehen.
Also:
Gehen sie sofort zu einem Anwalt, der sich ihres Sachverhaltes annimmt. Bitte vertreten sie sich hier nicht selbständig weiter. Wenn ihr Geld für einen Anwalt nicht ausreicht , können sie beim Amtsgericht einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellen, dass geht auch weährend eines laufenden Verfahrens. Er könnte nach Durchsicht der Unterlagen, folgende Argumente in Erwägung ziehen.
1. Stellen sie den Antrag, festzustellen, dass sie Arbeitnehmer und nicht (selbständiger) Freiberufler waren. Diesen begründen sie damit, dass sie sowohl in ihrer Anwesenheitsdauer, als auch dem Arbeitsort sowie der Zeiteinteilung für Aufgaben weisungsgebunden gehandelt haben. Auch die Aufgabenzuteilung und -erledigung erfolgte weisungsgebunden. Berufen sie sich hierfür auf die stetige Rechtsprechung, dass es nicht auf den Vertragsnamen sondern die tatsächlichen Umstände ankommt, um festzustellen ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt.
Für die Weisungsgebundenheit, also dass "ihr Chef" alles bestimmte, führen sie den Mitarbeiter, der das Büro zusammen mit ihnen betreute, als Zeugen an.
2. Hören sie sich in ihrem ehemaligen Kollegenkreis um, ob es jemanden so wie ihnen ging, also ob noch jemand mit einem Gehalt gelockt wurde. Wenn dies der Fall ist benennen sie ihn als Zeugen.
3. Berufen sie sich auf den Passus im Vertrag, der ihnen die Befugnis Häuser zu vermitteln, untersagt. Argumentieren sie, das durch diese Klausel der Vertragszweck- Hausvermittlung durch sie gegen Provision- vereitelt wird. Der Vertragszweck ist also nicht erreichbar, so dass der Vertrag keinen Bestand haben kann.
4. Teilen sie dem Gericht die Ansicht mit, dass im Grundsatz derjenige der ein Recht geltend machen möchte ( hier die Rückforderung) alle Voraussetzungen beweisen muss. Demnach müssen nicht sie beweisen, dass es sich nicht um einen Vorschuss gehandelt hat, sondern der Geschäftsführer muss nachweisen, dass es ein Vorschuss war.
5. Prüfen sie ihren Vertrag und die im Konto genannten Provisionssätze. Erklären sie dem Richter ganz genau, gut verständlich und vor allem für jedes Geschäft einzeln, warum das Provisionskonto nicht stimmt. Falls sie noch Unterlagen zu nicht aufgeführten Aufträgen haben, legen sie diese vor, um zu beweisen, dass das A-Konto nicht ordentlich bebucht wurde, und ihre Provisionsansprüche höher waren.
6. Der Mitarbeiter, der mit ihnen "Stellung im Büro" hielt kann er noch etwas dazu sagen?
Das Fahrtenbuch wird nicht als Beweis anerkannt werden, da es nichts darüber aussagt, ob sie verpflichtet waren im Büro zu erscheinen. Auch die dort anwesende Zeit sagt nichts darüber aus, ob diese im Auftrag des Geschäftsführers dort verbracht wurde. Das Fahrtenbuch sagt also nur aus, dass sie zur Arbeitsstelle gefahren sind, aber gerade nicht, dass sie dies auch "mussten". Hierzu brauchen sie Zeugen, also Leute die die Anweisungen ihres Chefs an Sie mitbekommen haben oder Leute, denen es genauso wie ihnen erging.
Auch das Nachweispflichtgesetz hilft ihnen nicht weiter. Dieses gilt nur für Arbeitnehmer. Sie haben aber wahrscheinlich vorgetragen, Freiberufler zu sein und einen Vertrag mit dieser Bezeichnung unterschrieben. Als Freiberufler sind sie selbständig. Dies steht der Annahme eines Gehalts entgegen. Da Selbständige oft für ihre Leistung bezahlt werden und gerade nicht nur für die Anwesenheit, fällt es dem Richter schwer, ihnen trotz ihrer Selbständigkeit ein Gehalt zuzusprechen. Die Vermutung des Richters, dass es sich tatsächlich um eine freiberufliche Tätigkeit (also eine Selbständigkeit) handelte sollte entkräftet werden. Dies gelingt, in dem sie den Nachweis erbringen , dass sie komplett weisungsgebunden handelten, sowohl was Aufgaben, wie auch Zeitumfang, Arbeitsmittel und Arbeitsort betraf. Dass sie also keinerlei Entscheidung zu ihrer Tätigkeit selbständig getroffen haben. Somit wird das Gehalt wahrscheinlicher und ihr Geschäftsführer müsste beweisen, dass das Geld ein Vorschuss war.
Dies ist mein erster Eindruck nach dem Lesen ihrer Sachverhaltsdarstellung, dieser und auch die rechtliche Einschätzung mag sich ändern, wenn man die Akte liest.
Um wirklich alle in der Akte versteckten Angriffspunkte zu analysieren und einzusetzen, sollten sie wirklich zu einem Anwalt gehen. Und zwar schnellst möglich. Die Kosten für ihn werden sich bei einem Streitwert von 940 € für das Gerichtsverfahren auf ca. 270 € belaufen, was sich bei einem Vergleich erhöhen kann. Die Partei die den Rechtsstreit verliert, wird die gesamten Kosten des Rechtsstreits ( also 2 Anwälte und Gerichtskosten ( ca. 160€)) zu tragen haben. Sollte ihr Vermögen nicht reichen beantragen sie bitte PKH. Sollte diese gewährt werden, wären die Kosten des eigenen Anwalts gedeckt. Bitte überlassen sie auch den PKH-Antrag dem Anwalt, da die Gewährung der Prozesskostenhilfe auch stark von den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Verteidigung abhängt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Bei Unklarheiten können Sie die kostenlose Nachfragefunktion benutzen.
Mit freundlichen Grüßen