Sehr geehrter Fragesteller,
Ihre Anfrage möchte ich Ihnen auf Grundlage der angegebenen Informationen verbindlich wie folgt beantworten:
Als Eigentümer (des Netzanschlusses) haben Sie grundsätzlich die Befugniss mit Ihren Sachen nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, § 903 BGB. Ihr Nachbar hat sich grundsätzlich selbst um seinen Stromanschluss zu kümmern. Da jedoch gemäß Art. 14 Abs. 2 GG Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, haben Sie als Grundstückseigentümer im Rahmen der öffentlichen Versorgungssicherheit unter Umständen Versorgungsleitungen für Strom durch Ihr Grundstück zu dulden. Einzelheiten dazu regelt die Niederspannungsanschlussverordnung, kurz NAV. Die Inanspruchnahme Ihres Grundeigentums zwecks Anschlusses des Nachbargrundstücks an die Stromversorgung ist dem Versorgungsunternehmen jedoch grundsätzlich verwehrt, wenn der Anschluß über das eigene Grundstück des Nachbarn möglich ist (BGH, 11.03.1992 - VIII ZR 219/91).
Inwiefern Sie Ihren Nachbarn nunmehr von der Benutzung Ihres Netzanschlusses (innerhalb welcher Frist) ausschließen können, kann vorliegend nicht abschließend beurteilt werden.
In ländlichen Gegenden ist es aufgrund der oft großen Distanzen häufig so geregelt, dass der Nachbar den Netzanschluss bis zum Verteiler mitbenuzt, für diese Nutzung jedoch eine Rente zu zahlen hat. Die Modalitäten (Befristung, Beendigung, etc.) sind den entsprechenden Verträgen zu entnehmen.
Es besteht auch die Möglichkeit der Eintragung einer Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass Ihr Nachbar den sich auf Ihrem Grundstück befindlichen Netzanschluss mitbenutzen darf. Eine entsprechende Eintragung entnehmen Sie dem Grundbuch. Es kann sich weiterhin auch um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit handeln, welche sich nicht auf das Grundstück sondern auf die bedachte Person bezieht.
Die Dienstbarkeiten erlöschen unter anderem durch Befristung, wenn eine auflösende Bedingung eintritt oder wenn das Recht in einer Zwangsversteigerung wegfällt.
Ich hoffe, Ihre Frage verständlich beantwortet zu haben und bedanke mich für das entgegengebrachte Vertrauen. Sollten weiterhin Unklarheiten bestehen, nutzen Sie bitte die Nachfragefunktion.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Winter, Rechtsanwalt
Nachfrage vom Fragesteller
30.09.2014 | 16:33
Hallo Herr Winter,
es sind keinerlei Eintragungen über die Nutzung des Nachbarn im Grundbuch,
lediglich ein Wegerecht.
Der Stromanbieter sagte nur, dann muss der Nachbar sich von anderer Seite Anschliessen lassen. (Wie weit der Weg da ist, weiss ich nicht)
Kann ich nun die Nutzung bei uns untersagen und was kann passieren.
Gibt es weitere Nachlesemöglichkeiten,
gruss
Antwort auf die Nachfrage vom Anwalt
30.09.2014 | 18:14
Sehr geehrter Fragesteller,
gerne möchte ich Ihnen Ihre Nachfrage wie folgt beantworten:
Zunächst sollten Sie auch im Baulastenverzeichnis nachsehen ob die Eintragung einer Baulast vorhanden ist. Eine solche könnte im öffentlich-rechtlichen Interesse der Sicherstellung der Erschließung des Grundstücks als Voraussetzung für die Erteilung einer Baugenehmigung eingetragen worden sein. Das Baulastenverzeichnis wird bei den Baugenehmigungsbehörden geführt. Auch das Liegenschaftskataster enthält Hinweise auf Baulasten.
Gegebenenfalls könnte Ihnen durchaus ein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Stromanschlusses gegen Ihren Nachbarn gemäß § 1004 BGB zustehen (soweit Sie nicht zu einer Duldung verpflichtet sind). Dafür ist jedoch erforderlich, dass der Nachbar als Störer im Sinne dieser Norm anzusehen ist. Entscheidend dürfte es darauf ankommen, ob der Nachbar (welcher ja die Versorgungsleitung nicht verlegt haben dürfte!?) das Verteilungnetz selbst nutzt, oder ob nicht vielmehr das Versorgungsunternehmen das Verteilungsnetz bis zum Hausanschluss des Nachbarn beherrscht. Ihr Nachbar hat schließlich nur Zugriff auf Leitungen und Anlagen auf seinem Grundstück. Insoweit könnte eine Störereigenschaft seitens des Nachbarn ausscheiden.
Weiterhin ist zu beachten, dass Ihr Nachbar wahrscheinlich auch nicht als mittelbarer Störer gelten dürfte. Das wäre der Fall, wenn er den Versorger zur Änderung der Leitungsführung verpflichten könnte. Die Möglichkeit den Versorgungsträger zu einer Änderung der Leitungsführung zu zwingen, steht unter Gewissen Umständen jedoch Ihnen als beeinträchtigten Grundstückseigentümer zu, § 12 Abs. 3 Satz 1 NAV.
Wie Sie sehen, ist ein Anspruch gegen Ihren Nachbarn zumindest fraglich. Eine eindeutige Antwort auf Ihre Frage ist leider zur Zeit nicht möglich.
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Ihr Begehren nicht abschließend beurteilen kann. Aufgrund der Vielzahl von zu beachtenden Unwägbarkeiten und mir nicht vorliegenden Informationen ist die Beantwortung Ihrer Frage lediglich im Rahmen der Verschaffung eines allgemeinen Überblicks möglich.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Sebastian Winter, Rechtsanwalt