Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
1. In seiner Entscheidung vom 24. 04. 2008 – I ZR 159/05
– afilias.de kommt der Bundesgerichtshof (BGH) zu dem Ergebnis, dass eine jüngere Marke sich in der Regel nicht gegen eine schon vor der Markenanmeldung registrierte Domain durchsetzt. Begründet wird dies wie folgt: "Dabei wird sich der Dritte, der den Domainnamen als Unternehmenskennzeichen verwenden möchte, regelmäßig nicht auf ein schutzwürdiges Interesse berufen können. Er kann vor der Wahl einer Unternehmensbezeichnung, die er auch als Internet-Adresse verwenden möchte, unschwer prüfen, ob der entsprechende Domainname noch verfügbar ist; ist der gewünschte Domainname bereits vergeben, wird es ihm oft möglich und zumutbar sein, auf eine andere Unternehmensbezeichnung auszuweichen. Die Interessenabwägung geht dann in aller Regel zugunsten des Domaininhabers aus." Der BGH weist aber auf eine Einschränkung hin: "Anders verhält es sich allerdings, wenn es dem Domaininhaber wegen Rechtsmissbrauchs versagt ist, sich auf seine Rechte aus der Registrierung des Domainnamens zu berufen. So verhält es sich insbesondere dann, wenn der Domaininhaber den Domainnamen ohne ernsthaften Benutzungswillen in der Absicht registrieren ließ, sich diesen von dem Inhaber eines entsprechenden Kennzeichen- oder Namensrechts abkaufen zu lassen (vgl. BGH, Urt. v. 9.10.1997 – I ZR 95/95
)."
2. Grundsätzlich nein, es sei denn, Sie können ihm eine mißbräuchliche Registrierung der Domain vorwerfen. Zwar könnten die Tätigkeit als Domainhändler und das Fordern eines "horrenden Preises" als Indizien für eine rechtsmißbräuliche Registrierung angesehen werden - ob dies im Streitfall vom Gericht als ausreichend angesehen würde ist aber fraglich, so dass ein hohes Prozessrisiko besteht.
3. Neben der Zeichenähnlichkeit muss für markenrechtliche Ansprüche grundsätzlich auch eine Verwechslungsgefahr gegeben sein. Unter Verwechslungsgefahr versteht man die Gefahr einer Irreführung über die betriebliche Herkunft von Waren oder über das Bestehen besonderer geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Beziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen, hervorgerufen durch die Verwendung identischer oder ähnlicher Zeichen. Bloße Verwechslungsfähigkeit oder Gleichheit der Bezeichnungen ist jedoch dann unerheblich, wenn dadurch keine irrigen Vorstellungen über die bezeichneten Unternehmen hervorgerufen werden. Verwechslungsgefahr kann so beispielsweise bei fehlender Branchennähe verneint werden. Sind die Betätigungsgebiete der Unternehmen weit voneinander entfernt, insbesondere die im Vergleich stehenden Waren oder Dienstleistungen ungleichartig, so kann auch bei einander ähnlichen Bezeichnungen die Gefahr der Verwechslung der Unternehmen ausgeschlossen sein.
Liegt keine Verwechslungsgefahr vor, steht Ihnen dann nur noch in dem Ausnahmefall ein Recht zur Untersagung der Nutzung zu, wenn die Nutzung der Domain den Ruf Ihrer älteren Marke „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt" (§ 14 II Nr.3 MarkenG
, evtl. auch § 4 Nr.9 UWG
). Hierfür wäre aber u.a. eine gewisse Bekanntheit Ihrer Marke Voraussetzung.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Diese Antwort ist vom 04.02.2012 und möglicherweise veraltet. Stellen Sie jetzt Ihre aktuelle Frage und bekommen Sie eine rechtsverbindliche Antwort von einem Rechtsanwalt.
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Antwort
vonRechtsanwalt Jan Wilking
Brandsweg 20
26131 Oldenburg
Tel: 0441-7779786
Web: http://www.jan-wilking.de
E-Mail:
Rechtsanwalt Jan Wilking
Sehr geehrter Herr RA Wilking,
vielen Dank für die schnelle Anwort. Zwei Nachfragen habe ich noch zu Antwort 3:
Ihre Antwort heißt für mich dass neue Unternehmen, die ihre Marke als Bezeichnung des Geschäftsbetriebes anmelden, nicht durch § 14 II Nr.3 geschützt sind.
Wenn ein Unternehmen aus besagter, in Punkt 3 angesprochener Branche nun die DE-Domain beim Domainhändler kauft und meine neue Marke und Unternehmenskennzeichnung damit in ein schlechtes Licht rückt, dann ist das erlaubt. Wenn der gleiche Fall aber einem etablierten Unternehmen und seinem Unternehmenskennzeichen oder einer etwas bekannteren Marke passiert, dann ist dieses Unternehmen geschützt.
Das hört sich für mich nach einer Ungleichbehandlung an. Ich habe doch als Markeninhaber das gleiche Interesse daran, dass meine Marke als meine Unternehmenskennzeichung nicht verunglimpft wird.
Gab es in dieser Hinsicht bzgl. §14 oder auch 15 MarkenG bereits Urteile?
Und: Wann geht man von einer "Bekanntheit am Markt" aus? Gibt es Kriterien?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ratsuchender
Vielen Dank für Ihre Nachfrage, die ich wie folgt beantworten möchte:
Ein festen Prozentsatz des Bekanntheitsgrades besteht nicht. Die Bekanntheit ist anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, insbesondere Marktanteil der Marke, Intensität, Ausdehnung und Dauer der Benutzung sowie Investitionsumfang. Bekanntheit muss im Inland oder einem wesentlichen Teil innerhalb der aktuellen oder potentiellen Abnehmerkreise vorliegen.
Unlautere Ausnutzung/Beeinträchtigung der Wertschätzung bedeutet:
- Wertschätzung: Jede durch eigene geschäftliche Aktivitäten geschaffene positive Assoziation die mit der Marke („guter Ruf", Luxus- und Prestigevorstellungen, Tradition und sonstige positive Markenimages).
- Ausnutzung (Rufausbeutung): Übertragung der Wertschätzung auf das eigene Zeichen.
- Beeinträchtigung (Rufschädigung): Das fremde Zeichen führt zur Übertragung negativer Vorstellungen auf das geschützte Zeichen.
Diese Tatbestände können natürlich nur erfüllt werden, wenn die Marke eine gewisse Bekanntheit hat, da ansonsten die angesprochenen Verkehrskreise den Zusammenhang (mangels Waren- bzw. Dienstleistungsidentität) gar nicht herstellen würden und eine Verunglimpfung ausscheidet.
Bekanntere Urteile zum Thema Rufschädigung sind z.B. BGH, Urteil vom 30.04.98, I ZR 268/95
- MAC Dog oder Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 18.12.20033, U 117/03 - Kritisch-beschreibende Internet-Domain ("awd-aussteiger.de")
Ich hoffe, ich konnte Ihnen weiterhelfen und verbleibe
mit freundlichen Grüßen